Frankfurt s.M., den 28. Dezember 1920. Stiftftrafje 30.

Einem Hohen Reichstag

unterbreitet äer Unterzeichnete Verein üen Antrag, äie in äer vor- liegenäen Novelle zum Reichs-Einkommensteuergesetz beantragte Streichung äes § 13 Ziffer 7 nicht genehmigen zu wollen» nach welchem Beiträge an kulturföräernäe, mildtätige» gemeinnützige und politische Vereinigungen vom steuerbaren Einkommen ab­gezogen werden können, soweit ihr.Gesamtbetrag 10 °/ des Ein­kommens nicht überschreitet.

Begründung:

Mit großer Genugtuung hatten die deutschen Vereinigungen, welche nach ihren Satzungen kulturfördernde, mildtätige oder gemeinnützige Zwecke ver­folgen, aus den Verhandlungen der deutschen Nationalversammlung vom 1. und 10.3. ds. Js. entnommen, welch weitgehendes Interesse und Verständnis bei der Mehrheit des Reichstages für die kulturpolitische Bedeutung der freienVereins- arbeit und die Notwendigkeit einer Berücksichtigung ihrer gegenwärtigen Not­lage anläßlich der Steuergesetzgebung bestand. Die Vereinigungen haben des­halb die ursprünglich von dem Abg. Gothein, später von dem Abg. Arnstadt und Genossen eingebrad)ten Anträge zu § 13 Ziffer 7 als eine überaus wertvolle Förderung ihrer Bestrebungen begrüstt und bedauern es aufs tiefste, das; seht seitens der Reichsregierung die Streichung dieser Bestimmung beantragt wird. Die Vereinigungen verkennen keinen Augenblick die austerordentliche finan­zielle Notlage des Reichs und sind durchaus geneigt, ihr Rechnung zu tragen, soweit es mit ihrem eigenen Interesse verträglich ist. Wenn jedoch schon bei den Beratungen in der Nationalversammlung von mehreren Abgeordneten darauf hingewiesen wurde, das; die finanzielle Notlage bei denVereinigungen für kultur- föcdernde, mildtätige und gemeinnützige Zwecke ebenfalls einen bedrohlichen Umfang angenommen habe, so must angesichts der inzwischen eingetretepen weiteren Verschlechterung der allgemeinen Wirtschaftslage gesagt werden, dast die Finanzkrise in der freien Wohlfahrtspflege zu einer Ratastcophe sich aus- wächft, wenn nicht seitens des Reichs energische Hilfe geleistet wird, ^seder Renner der letzten Entwicklung in der Wohlfahrtspflege kann ein drastisches Bild davon entwerfen, wie die rapide Steigerung des Mistverhältnisses zwischen der zunehmenden Not und der verringerten Finanzkraft ein völliges Zusammen­brechen der freien Wohlfahrtspflege in nächste Nähe rückt. Was dies für das gesamte Schicksal unseres Volkes zu bedeuten hat, kann jeder ermessen, der weist, dast durch die Finanznot der Länder und der Gemeinden infolge der gewaltig gesteigerten Schuldenlast die Übernahme von Zweigen der freien Wohlfahrts­pflege auf die Schultern von Behörden mehr und mehr ausgeschlossen ist. Stärker