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Gesellschaft geändert werden könne. Mein Vertrag mit der Gesellschaft ist aus der angegebenen Sachlage entsprungen und in demielben mir zugesichert, daß die Begünstigung, welche mir bei seinem Abschluß von der damaligen Staatsbehörde zugedacht war, jo lange in Kraft verbleiben solle, als hober Senat die hierzu bewilligte Summe der Gesellschaft nicht vorenthalten oder entziehen werde. Somit spricht auch der Vertrag die Ansicht aus, daß die Anstellung, welche er mir erthcilt, nicht aus Gesellschaftsmotivcn bestimmt worden sey, vielmehr geht daraus hervor, daß die dotircnden Behörden der Gesellschaft die Bedingung dieser Anstellung auferlegt hatten. Diese mußte von der Grundlage der Senatsdotation unterrichtet seyn, sie würde sonst gewiß anders gehandelt haben. Bemerken muß ich hierbei, daß diese meine Deutung nur in Beziehung zu den damaligen Staatsbehörden und dem damaligen Bestand der wirklichen Mitglieder der Gesellschaft steht.

Nach allem diesem lebe ich daher in der beruhigenden klcberzeugung, daß ich die Einnahme der Gesellschaft mit dem Bezug meiner Besoldung für die Lehrerstelle nicht beeinträchtiget habe, noch beeinträchtigen konnte, daß ich vielmehr aus eigenem freiem Antrieb dieselbe alljährlich durch einen Zuwachs von fl. 500 vermehrt habe, weil es anfänglich meinem Ermessen anheim gegeben war, eine Anstellung und damit verbundene Besoldung aus den Händen der Staatsbehörden zu empfangen. Ich kann keiner andern Meinung seyn, weil mir das Lehramt ohne meine Bewerbung um dasselbe in Aussicht gestellt worden ist.

Und nun, nachdem ich 15 Jahre dieses Amt bekleidet habe, wird von Herrn inest. Hr. Rüppell einem Hohen Senate das Gesuch vorgclegt, den zu votirenden fl. 1500 eine andere, von ihm vorgcschlagene Bestimmung zu crthcilen! Nun, nachdem ich 23 Jahre lang unausgesetzt, 8 Jahre ohne Besoldung und 15 Jahre mit Gehalt vor einem zahlreichen Publikum und zu deflcn vollkommenster Zufriedenheit, Vorträge über naturwissenschaftliche Gegenstände gehalten habe; nachdem ich mit jugendlicher Begeiste­rung und männlichem Ernst eine wissenschaftliche Richtung und Neigung in meiner Vaterstadt hervorgerufcn, die vor mir nicht da war und für welche ich meines ganzen Lebens Thatkraft verwendet habe; nachdem ich mich jeder Mühe unterzogen und bedeutende Opfer gebracht habe, um die mir so lieb gewordene Wissenschaft für immer an meine Vaterstadt zu fesseln; nachdem ich inmitten meiner Bestrebungen zu dem Alter hcrangereift bin, in welchem jeder Mensch sich nach dem ruhigen Genuß sehnt, den treue Dienste gewähren können; nachdem ich bisher mit dem festen Glauben an die Heiligkeit abgeschlossener Verträge gewirkt habe, so viel ich konnte und vermochte, nun soll ich ganz unerwartet von dem Katheder heruntersteigen, der von mir gegründet worden ist, oder kämpfen um die Stelle, die Herr I)r. Rüppell besetzen will!!! Und aus was für einem Grund soll dieses geschehen? Weil dieser die Capitalschuld der Gesellschaft mit dem Ertrage der Lehrerstelle tilgen will. Das heißt mit andern Worten und ganz einfach gesagt: mit dem Lohne meines Fleißes und meines Verdienstes, mit den Mitteln, wodurch man meinen der Vaterstadt dargebrachten Opfern schon vor 15 Jahren hat vergelten wollen, soll die Capitalschuld der Gesellschaft abgezahlt werden.

Erwägen Sie, meine verehrten Herrn Kollegen, ob Sie unter den gegebenen und bestehenden Verhältnissen der Meinung seyn können, daß die Gesellschaft diesem Ansinnen beipflichten könne, ohne daß ich der Nichterfüllung meiner übernommenen Pflichten überwiesen seyn sollte. Darf ich wohl fürchten, daß die Staatsbehörden, denen meine Wirksamkeit, mein Patriotismus nicht unbekannt scvn kann, dem Vorschläge des Herrn I)r. Rüppell, mich von meiner Stelle zu verstoßen, geneigtest willfahren werden? Daran denke ich nicht; denn mein gutes Bewußtseyn läßt mich ruhig und vertrauensvoll den Schluß der Ereignisse abwarten. Nur die traurigen Folgen der unversöhnlichen und gewiß unverdienten Feindschaft, womit mich Herr Dr. Rüppell verfolgt, fürchte ich; denn ich bin es mir und meiner Stellung im Staate schuldig, mich öffentlich zu rechtfertigen, wenn der auf mich gerichtete Angriff von Erfolg seyn sollte.

Ungeachtet der mir des Herrn lir. Rüppell widerfahrnen verletzenden Begegnung höre ich nicht auf, ein Verehrer seiner Verdienste zu seyn. Ich habe seine aufbrausenden Leidenschaften so leicht ertragen gelernt, daß ich längst schon seinem Benehmen gegen mich nicht mehr mit Groll begegne. Ich habe ihm schon früher die schriftliche Zusicherung erthcilt, daß ich ihm an unserem Gesellschaftskörper die Stelle des Kopses cinräume und mit Leichtigkeit diejenige des Atlas einnchme, woher es auch gekommen ist, daß ich so vieles Schwere und Harte zu tragen mich gewöhnt habe. Könnte ich doch meinem Gegner zurufen, daß auch er für seine großen Opfer sich ein Einkommen aus der Staatskasse zugesichert habe, und daß Jedem das Seinige gebühre. Doch selbst dieses sey fern von mir; denn Herr 0r. Rüppell wird niemals mein Verdienst um die Gesellschaft anzuerkcnnen geneigt seyn.

Als ich einstens Herrn Moritz von Vethmann mit täglichen Besuchen belästigte, um ihn zur Unterzeichnung einer namhaften Summe für die Erbauung des Museums zu bewegen, fragte er mich,ob ich über die Schwierigkeiten nachgcdacht habe, welche sich der Ausführung meines Unternehmens cntgegenstcllen würden, und welche ich für die größte halte?" Meine Antwort war:Ich bedarf einer Menge von Theilnchmcrn, wenn das Werk gelingen soll. Ich zweifle nicht, daß diese unter unfern Mitbürgern, die so gerne alles Gute befördern, sich finden lassen; allein cs wird die schwerste Ausgabe seyn, sie unter einem Hut so lange zusammcn-

zuhalten, bis Alles vollbracht seyn wird." Er Unterzeichnete an diesem Tage die fl. 3000, welche als der Grundstein der Anstalt zu

betrachten sind. Wir stehen jetzt aus der Stelle, wo die Schwierigkeit sich erhoben hat. Ohne Vereinigung der dissentircndcu Ansichten wird das Wohlergehen der Gesellschaft gestört. Ich biete auch jetzt, wie immer, die Hand zur Versöhnung'; denn ich hege keine Feindschaft.

Irre ich nicht, so erzielt der edlere Tbcil von Herrn llr. Rüppews Wünschen die beschleunigte Abtragung der Capitalschuld.

Auch ich ersehe in diesem Bestreben eine gesicherte Zukunft der Gesellschaft und trete demselben mit vollkommener Ueberzcugung bei.

Darum beanstande ich nicht, hiermit zu erklären, wie daß ich entschlossen bin:meine früheste Ansicht von meiner Besoldung als Lehrer der Naturgeschichte an unserm Museum wieder geltend zu machen." Sie ist in Folgendem ausgesprochen.

Die Senckenbcrgischc naturforschcnde Gesellschaft sichert mir mit Beibehaltung des bestehenden Vertrages und der in ihm enthaltenen Bedingungen anstatt der bisher bezogenen fl. 1000 die Hälfte der fl. 1500, also Siebenhundert Fünfzig Gulden, für meine zu haltenden Vorlesungen zu, und verpflichtet sich durch Protokollbeschluß, die andere Hälfte genannter Summe zur Abtragung der Capitalschuld alljährlich zu verwenden. Die hierüber zu erlassende Bestimmung muß zu einem unwiderruflichen und unantastbaren Beschluß erhoben werden.

Soweit meine Mittheilungen über die in Frage gestellte Angelegenheit. Ich hoffe, daß Sie auch hierin meine unabänderliche Anhänglichkeit an unseren Verein, so wie meine Bereitwilligkeit, dessen Wohlergehen unter allen Verhältnissen zu befördern nicht verkennen werden und verbleibe mit ausgezeichneter Hochachtung,

Verehrte Herrn College«, Ihr ganz ergebener

Frankfurt a. M. den 6. Octvbcr 1840. Dr. med. Cretzschmar.