(Anlage 2.)

Bericht

über

meine ursprüngliche Bezielmnq zn der seit 15 Jahren von mir bekleideten AnstMunq als Lehrer der Naturgeschichte am Museum der Seuckenbergischen naturfvrschenden Gesellschaft,

von Dr. med. Eretzschinar.

An meine verehrten Herren College«, die wirklicken Mitglieder der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft.

Meine Herren!

Es dürfte überflüssig sevn, Sie daran zu erinnern, wie daß ich in der langen Reihe von Jahren, seitdem ich die Ehre habe, an der Spitze der Senckenbergischen naturfvrschenden Gesellschaft zu stehen, jederzeit darauf bedacht gewesen bin, allen meinen verehrten Herrn Collegcn und Mitarbeitern gegenüber und zur Seite ruhig, versöhnlich und bescheiden zu sevn, so wie daß ich mir niemals ein Vorrecht angemaßt habe, welches zu einem Zerwürfniß unter Einzelnen führen, oder gar unserer Anstalt zum Nachtheil gereichen könnte.

Demzufolge ist es mir auch nie in den Sinn gekommen, von den allenfallsigen Verdiensten Rede zu führen, welche ich mir um das Entstehen und Aufblühen unserer Gesellschaft erworben haben könnte, oder die Opfer anznpreiscn, welche ich zum Vortheil derselben gebracht habe. Vielmehr habe ich seit 23 Jahren geflissentlich darüber geschwiegen, weil ich so oft im Leben die Erfahrung gemacht habe, daß das Festhalten an der vorgefaßten Meinung von sich selbst die nächste Veranlassung zur Uebcrschätzung wirklicher Verdienste wird und die schlimmste aller Leidenschaften, den Stolz, im Gefolge bat. Ich habe eine angeborne Furcht vor diesen liebeln.

Allein es gibt Augenblicke im Leben, in denen man nicht fürchten darf, die Bescheidenheit zn verletzen, wenn man von sich

selbst zu reden anfängt. Der Drang der Umstände kann auch dem Verschwiegensten und Besonnensten den Mund öffnen. Der Zaghafteste wird sich zur Wehre setzen, wenn rohe Gewalt sein Leben bedroht und der Bescheidenste eine Antwort finden, wenn sein guter Ruf und seine Ehrbarkeit in Frage gestellt wird.

In ein derartiges Verhältniß bin ich versetzt worden durch die von Herrn inest. Dr. Rüppell bereits vor fünf Jahren gegen

mich erhobenen Beschuldigungen in Betreff meiner Anstellung als Lehrer der Zoologie an unserem Museum. Ich habe damals auf

die gegen meine Lehrmethode öffentlich gemachten Anstände erwiedert, wie es einem Manne geziemt, der sich treuerfüllter Pflichten bewußt ist und nicht unterlassen, seitdem nach den Anordnungen der Gesellschaft mich strenge richtend, jedes Jahr einen vollständigen Cursus der Zoologie ein;»halten. Ich habe mehr gcthan, ich habe auch die Zweige der Entwickelungs­geschichte des Erdballes, welche in einer directen Beziehung zu den fossilen Thicrresten stehen, mit meinen Vorträgen verwebt und außerdem von der geographischen Verbreitung des Menschen gehandelt.

Neuerdings ist von Herrn inest. 0r. Rüppell abermals ein Antrag bei den Staatsbehörden eingereicht worden, in welchem beabsichtiget wird, mich von der bisher bekleideten Lehrerstelle zu entfernen. Die Beurtheilung der Motive, welche diesem Ansinnen unterlegt werden mögen, so wie der Mittel, die zur Erreichung des Zweckes angewendet worden sind, soll nicht Gegenstand dieser Zeilen sevn. Sollte es erforderlich werden, dann werde ich mir auch eine Beleuchtung erlauben und nicht ermangeln, darzuthun, in welcher Hinsicht mir ganz falsche und ungegründete Beschuldigungen zur Last gelegt werden. Dieses vorbehaltend, sey es mir jetzt vergönnt, die vielleicht längst vergessenen Umstände in Kurzem aufzuzählen, welche die einzig wahre Veranlassung einer besoldeten Lehramtsstclle bei unserer Gesellschaft gewese.n sind. Es wird dieses um so mehr erforderlich seyn, da die meisten meiner jüngeren Herren Kollegen damit gänzlich unbekannt sind.

Ich muß weit ausholen, um verständlich seyn zu können; denn indem ich jetzt schon auf das Bestimmteste erkläre, daß ich niemals bei irgend Jemand um eine mit Besoldung honorirte Anstellung als Lehrer am Senckenbergischen Museum nachgesucht habe, kann ich auch gleich anfangs behaupten, daß diejenigen, welche mir diese Anstellung zudachten, meinen Verdiensten um die Gesellschaft eine lohnende Anerkennung widerfahren lassen wollten.

Welches sind nun diese Verdienste?

Ich habe Alles, was man mir als ein Verdienst zugeschrieben hat, nie hochgeachtet, kann aber einen treugeschichtlichen Bericht abstatten, von der Thätigkeit, die mir von Andern als Verdienst angcrechnet worden ist. Nur Momente sollen hier berührt werden, da eine vollständige Mittheilung aller meiner Beziehungen zu den Gesellschaftsereignissen über das Gebiet einer Abhandlung hinaus­reichen dürfte.

Bekanntlich hat meine Wirksamkeit an den Anstalten des Or. Senckenbergischen Institutes mit Lchrvorträgen an dem anatomischen Theater im Frühjahr 1816 begonnen. Inmitten dieser Beschäftigung entwarf ich den Plan zur Begründung einer naturfvrschenden Gesellschaft, welche sich an die vorhandenen Senckenbergischen Anstalten anlehnen und nächst der Beförderung derselben ihre zeitgemäße Erweiterung und Vervollkommnung erwirken sollte. Aus diesem Grunde crtheilte wohll. Administration der Stiftung dem ihr von mir vorgelcgten Plane ihre Zustimmung, und am 22. November 1817 wurde unser Verein gestiftet. Vor Allem war cs Aufgabe, die Erbauung eines Locales zu erzielen. Aber woher die Mittel dazu nehmen! Ich hatte den Muth, einen Fond durch Unterschriften zu sammeln, der hinlänglich war, um die Administration zu vermögen, ein Capital auf die Angabe zu schießen. Doch welche Anstrengungen bedurfte cs, um solchen Zweck zu erreichen! Ich war fast unbekannt dahier, wurde als ein Projectmacher kaum angehört, und nur dadurch, daß es mir gelungen, Herrn M. von Bethmann zu überzeugen, daß das Projcct ausführbar sev, dadurch daß dieser erste, unvergeßliche Gönner unserer Gesellschaft nach vielen mit mir gepflogenen Verhandlungen die Subscriptionsliste mit der Unter­zeichnung einer Summe von fl. 3000 eröffnete, vermochte ich der Sache Eingang zu verschaffen und in wenigen Monaten fl. 13,000 zusammenzubringen. Der jugendliche Verein mußte nun, nachdem der Bau des Museums möglich geworden, auf ein jährliches Einkommen bedacht seyn. Dieses konnte nur durch eine hinreichende Anzahl beitragender Mitglieder gesichert werden, und die größere