Federführung des Vaters Senckenberg anläßlich der vom Kaiser angeordneten Verwaltungsreform der Stadt Frank­furt 1729 Verbesserungsvorschläge für das Gesundheits­wesen eingereicht. Sie verlangten zum Zweck der wissen­schaftlichen Förderung der Ärzte wie auch zur besseren Ausbildung der Heilgehilfen und der Hebammen ein Theatrum anatomicum, ferner eine Modernisierung des Apothekenwesens und einen Zusammenschluß der Ärzte in einem Collegium medicum, welches der gegenseitigen Fortbildung der Ärzte dienen und mit gewissen Auf­gaben der öffentlichen Gesundheitspflege betraut werden sollte. Es ist bezeichnend für die Haltung des Rates der Stadt gegenüber diesen fortschrittlichen Bestrebungen, daß er seine Entscheidung über die Anträge trotz mehr­facher kaiserlicher Anmahnungen 12 Jahre hinzog, um dann die Forderungen der Ärzte mit fadenscheinigen Gründen abzulehnen!

Im Gegensatz zu der Resignation seiner Kollegen wurde für den jungen Senckenberg dieser Vorgang der Ausgangspunkt eines aktiven Widerstandes. Er machte es sich zur Aufgabe, die als nötig erkannten Verbesse­rungen des Gesundheitswesens für die Vaterstadt und ihre Ärzte aus eigener Kraft durchzusetzen. Durch den Nachlaß zweier Gattinnen vermögend geworden, stellte er sein ganzes Vermögen in den Dienst seines Vorhabens. Zwanzig Jahre hat Senckenberg an diesem Plane ge­arbeitet, bis 1763 die Errichtung der Dr. Senckenbergi- schen Stiftung erfolgen konnte, welcher der Stifter seinen gesamten Besitz übermachte.

Neu und eigenartig war der Grundgedanke dieser Stif­tung. In ihr sollten Wissenschaft und Wohltätigkeit ver­bunden werden. Der Wissenschaft war sie gewidmet mit dem Ziele einer ständigen Erneuerung der Heilkunde. Sie sollte durch Forschung die Erkenntnisse der wissen­schaftlichen Medizin verbessern und durch Lehre diese Errungenschaften der Ärzteschaft zugänglich machen. P ur diese Zwecke war ein anatomisches Theater, ein che­misches Laboratorium und ein botanischer Garten (hortus medicus) sowie eine bestens ausgestattete Bibliothek vor­gesehen. DiesemMedizinischen Institut wurde als Wohltätigkeit für die Bürgerschaft ein Hospital angeglie­dert, um den Bürgern durch die neuesten Kenntnisse im Bereich der Heilkunde eine besonders gute Behandlung zu gewährleisten. Die in dem Medizinischen Institute ge­botenen Einrichtungen entsprachen in Verbindung mit einem Krankenhause allen Anforderungen einer Medizi­nischen Fakultät jener Zeiten. Senckenberg, der nach­träglich noch die Ergänzung seiner Stiftung durch eine geburtshilfliche und eine Kinderabteilung vorgesehen hatte, hat auch selbst als sein Fernziel eine Hochschule bezeichnet. In seinen Aufzeichnungen findet sich der be­achtenswerte Satz:

Es wird durch diese Stiftung Frankfurt ein Platz werden, der sich zum Studium der Medizin eignet".

Hier haben wir erstmalig aus dem Jahre 1770 ein posi­tives Bekenntnis eines frankfurter Bürgers zu einer Universität in Frankfurt.

Seitens des Rates fand Senckenberg passiven Wider­stand gegen seine Stiftung und seine weiteren Absichten, er vermochte aber, gestützt durch die volle Zustimmung der Bürgerschaft, durch seine Tatkraft und seinen per­sönlichen Mut, allen boshaften Schikanen des Rates zu begegnen und konnte innerhalb der Jahre von 1766 bis 1772 den gesamten Komplex der Gebäulichkeiten fast vollenden. Sein vorzeitiger Tod durch Absturz am Bau des Hospitales hielt die Fertigstellung des Werkes emp­findlich auf. Audi war den auftretenden geldlichen und technischen Schwierigkeiten keinem seiner Nachfolger die gewaltige Energie und der Weitblick des Stifters zu eigen, um die fortschrittsfeindlichen Angriffe des Rates zu bekämpfen. Zu der gleichen Zeit verwarf der Rat übrigens auch die Anregung zur Bildung eineAkademie der freyen, schönen bildenden Künste und nützlichen Wissenschaften. Ja, selbst der Versudi, in der Handels­stadt Frankfurt eine Lehranstalt für das Handelswesen zu gründen, wurde von den überkonservativen Vertre­tern des Patrizierklüngels abgelehnt.

So mußte sich auch die Senckenbergische Stiftung auf einen engen Wirkungskreis beschränken, in welchem die caritativen Leistungen des Bürgerhospitales mehr und mehr in den Vordergrund traten. Dazu kam bald die politische Erschütterung der ganzen Welt durch die fran­zösische Revolution, die zwar durch Krieg und Kriegs­nöte starken äußeren Druck ausübte, gleichzeitig aber Raum für einen Aufschwung des geistigen Lebens der Bürger schuf. Als dann nach dem rühmlosen Ende des Heiligen Römischen Reiches 1806 der Rheinbund unter der Führung des Fürstprimas Dalberg erstand und letzterer seinen Amtssitz nach Frankfurt verlegte, trat das geistige Erwachen der Bürger sehr bald in Erscheinung. Es fand seinen Ausdruck u. a. in einer Eingabe, die ein junger Jurist, Johann Friedrich von Meyer, an den Fürstprimas richtete. Meyer forderte eine Zusammen­fassung der in Frankfurt bestehenden kulturellen Einrich­tungen zwecks Erweiterung der Bildungsmöglichkeiten zur etwaigen Grundlage einer künftigen Hohen Schule oder Akademie.

Der sehr fortschrittlich denkende Dalberg übergab Meyers Promemoria seinemOberkuratel des Erzie- hungs- und Studienwesens, welches die Eingabe jedoch nicht zur unmittelbaren Ausführung empfahl. Unter dem Eindruck der gegebenen Anregungen bildete sich aber unter Dalbergs eigener Initiative 1808 die Museums­gesellschaft, ein Verein, der sich die Pflege aller künstle­rischen und wissenschaftlichen Bestrebungen zur Auf­gabe machte. Des weiteren entstand noch im Zeit­abschnitt des Primatialstaates auf Dalbergs Betreiben als erste Neuerung im Bildungswesen in Frankfurt die Architektenschule. Nachdem dann das Großherzogtum Frankfurt gebildet und Dalberg sein Regent geworden war, konnte er mit Hilfe des Schulgesetzes vom 1. 2.1812 weitergreifende Pläne verwirklichen, nämlich die Grün­dung einer Landesuniversität.

Diese Großherzoglich Frankfurtische Landesuniversität hatte, nach französischen Grundsätzen ausgestaltet,als allgemeines wissenschaft­liches Lehrinstitut mehrere nach Orten gesonderte Spezialschulen. Sie setzte sich aus folgenden Teilen zusammen:

1. Lyceen in Frankfurt, Aschaffenburg und Fulda;

2. der Universität in Aschaffenburg, wohin bekannt­lich nach der Auflösung der Mainzer Universität der Torso der letzteren verlegt worden war. Sie umfaßte drei Sektionen, eine Katholisch-theolo­gische, eine Sektion für Philosophie, Ästhetik, Physik, Mathematik, Geschichte und Philologie;

3. eine Juristische, aus welcher später die Spezial­schule für Rechtswissenschaft in Wetzlar gebildet wurde;

4. der Medizinisch-chirurgische Spezialschule in Frankfurt.

Die Lyceen solltenUbergangsanstalten von den Gym­nasien zu den Berufswissenschaften bilden und den Geist des Studierenden zu höherer intellektueller Kultur er­heben und ihn zu einer wissenschaftlichen Behandlung der wichtigsten Gegenstände des menschlichen Denkens gewöhnen.

Die Wahl Frankfurts zum Sitze der medizinisch-chirur­gischen Spezialschule geht nicht zuletzt auf die Eingabe Meyers zurück, welche die Aufmerksamkeit des Ober- kuratels auf die frankfurter Krankenhäuser und die wissenschaftlichen Einrichtungen der Senckenbergischen Stiftung gelenkt hatte. Außerdem betätigten sich seit 1793 die Mainzer Professoren Wenzel und Sömmering ärztlich in Frankfurt. Als Leibarzt Dalbergs dürfte Wenzel auf diesen bei der Wahl Frankfurts eingewirkt haben.

Nach sachlicher Prüfung und dem Abschluß einer ver­traglichen Vereinbarung mit der Senckenbergischen Stif­tungsadministration ordnete dann der Leiter des staat­lichen Unterrichtswesens Th. Pauli im Namen des Groß­herzogs die Errichtung der Medizinischen Fakultät in den Räumlichkeiten der Stiftung an. Prof. Wenzel wurde zum Rektor ernannt, neben ihm 8 Professoren berufen, ein