Lehrplan aufgestellt und die Eröffnung der medizinisch- chirurgischen Schule für den Herbst 1812 angekündigt. Sie erhielt die offizielle Benennung „Großherzogliche Medizinisch-chirurgische Schule in Frankfurt“. Die Umschrift ihres Siegels lautete: Universitas magn. ducat. Francofurt. facultas medico-chirurgica. Am 9. November 1812 fand eine gemeinsame Eröffnungsfeier für das Lyceum und die medizinische Anstalt statt. Die Zahl der Medizinstudierenden betrug 42.
Die Lebensdauer der Fakultät war kurz. Mit dem Zusammenbruch der Weltherrschaft Napoleons ging auch das Großherzogtum Frankfurt und seine Landesuniversität unter. In Frankfurt übernahm der alte reaktionäre Rat die Staatsführung. Eine seiner ersten Maßnahmen war die Aufhebung der Medizinischen Schule. Die Bemühungen der Professoren, die Anstalt als eine Stätte der Forschung und Lehre für die freie Reichsstadt zu erhalten, scheiterten, trotz wärmster Fürsprache des von den Verbündeten als Generalgouverneur eingesetzten Freiherrn vom Stein, an dem hartnäckigen Widerstand des Rates und dessen Wortführers, des Stadtschultheißen v. Gün- derrode. In einem im Ton sehr gehässigen Schreiben teilte dieser dem Freiherrn vom Stein den ablehnenden Beschluß des Rates mit. Am Ende des Briefes stand der denkwürdige Satz:
„Der Flor hiesiger Stadt kann sich nur im Emporkommen des Handels gründen und sie muß wissenschaftliche gelehrte Bildung anderen Städten überlassen."
Die Bürger dachten anders. Wenn sie auch der „französischen“ Hochschule nicht nachtrauerten, so ging ihr Streben doch nach der Erlangung der gesellschaftlichen und konfessionellen Gleichstellung danach, durch eigene Teilnahme an den Fortschritten der Wissenschaft und Technik der Allgemeinheit verbreiterte Bildungsmöglichkeiten und einen kulturellen Aufstieg zu bereiten. Eine gute Stütze fanden diese Bemühungen durch Goethe, der nach einem längeren Besuch seiner Vaterstadt 1816 in einer Schrift: „Kunstschätze am Rhein, Main und Neckar“ sich mit den kulturellen Zuständen in Frankfurt befaßte. Nach besonderer Würdigung der Einrichtungen der Senckenbergischen Stiftung empfahl er den zeitgemäßen Ausbau der Stiftung für Bildungszwecke und schrieb mit deutlicher Spitze gegen die Verlautbarung des Rates:
„daß einer freien Stadt ein freier Sinn gezieme, und daß man bei einem erneuten Dasein sich vor allen Dingen von veralteten Vorurteilen zu befreien habe. Es geziemt Frank - furt, von allen Seiten zu glänzen und nach allen Seiten hin tätig zu sein".
In rascher Folge entstanden nun 1816 die „Gesellschaft zur Beförderung der nützlichen Künste und veredelnden Wissenschaften“ (heute die Polytechnische Gesellschaft), 1817 die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft und der Gelehrtenverein für die deutsche Sprache, 1824 der Physikalische Verein. Durch die 1816 eingeführte freisinnige Verfassung der Freien Reichsstadt Frankfurt wurde der Bürgerschaft ihre Betätigung an allen Aufgaben des geistigen Lebens sehr erleichtert. So konnte sich in der Folgezeit, an die Senckenbergische Stiftung angelehnt und auf ihrem Gelände am Eschenheimer Tor ein Mittelpunkt aller naturwissenschaftlichen und medizinischen Bestrebungen in Frankfurt entwickeln, dem man gelegentlich den Namen einer „geheimen Akademie“ gegeben hat. Wissenschaftliche Leistungen und P’orschungsergebnisse haben diesem gelehrten Condo- minium in der ganzen Welt einen guten Namen gemacht. In Frankfurt trat sein Wirken nicht so sehr in die Öffentlichkeit, weil die Stadt als Sitz des Bundestages der Mittelpunkt der deutschen Politik und durch die damit zusammenhängende Geldwirtschaft wieder ein Ort geworden war, der „principaliter zu der Handlung gewidmet ist“. Trotzdem ging die Idee einer frankfurter Universität im Gedankenleben der Akademiker nicht unter. Lorenz Oken sprach 1825 aus, daß im Senckenbergischen Institut mit der Naturforsdienden Gesellschaft und dem Physikalischen Verein Möglichkeiten des Unterrichtes gegeben seien, die dem einer medizinischen Fakultät zu vergleichen seien; aber ein offenes Bekenntnis für die
Notwendigkeit einer Universität am hiesigen Platze wurde für eine lange Zeit nicht wieder ausgesprochen.
Erst 1848 während der Nationalversammlung tauchte der Plan erneut auf, in Frankfurt als der Hauptstadt des Bundes eine Hochschule zu gründen. Eine Anzahl jüngerer Gelehrter, teilweise Mitglieder des Parlamentes beabsichtigten, den „22 alten Ruinen“ die „Allgemeine deutsche akademiche Universität“ gegenüberzustellen, die, von der Nationalversammlung beschlossen und den Interessen der deutschen National- erziehung zugewendet, die Autonomie der Wissenschaft und die volle Lehrfreiheit ausgestalten sollte. In den letzten Augusttagen 1848 wurde dieser Plan von den Initiatoren unter geringer Teilnahme anderer Gelehrter beraten. Sein Schicksal gleicht demjenigen des 48er Parlamentes. Viele schöne Gedanken und große Worte sdieiterten auch hier an der Nüchternheit des Alltages.
Auch bei der Gründung des Freien deutschen Ilochstifts im Jahr 1859 wurde anfangs von einem freien Gelehrtenhof und einer freien Hochschule geredet, aber auch hier ließ die Wirklichkeit keinen Raum für solche Träume. Eine anläßlich des deutschen Schützenfestes 1862 gegebene Anregung zur Gründung einer Hochschule wurde in die Richtung einer „Akademie für Handel und Gewerbe“ geleitet, aber auch dieser Versuch konnte nicht zum Ziele gebracht werden.
Zu einer lebhaften Aussprache in der Öffentlichkeit kam die Frage der Errichtung einer Universität in Frankfurt im Herbst 1866. Damals hoffte die Bürgerschaft, daß Preußen als Ersatz für den Verlust des Bundestages und der mit ihm der Stadt gegebenen deutschen und europäischen Stellung entweder in Frankfurt eine neue Universität errichte oder eine solche nach Frankfurt verlege. Auch die Tagespresse Frankfurts sowie anderer Städte befaßte sich mit diesen Plänen, welche bei den Frankfurtern zuerst lebhafte Zustimmung fanden, während das von der Verlegung bedrohte Marburg lauten Widerspruch erhob. Bald aber entstanden auch in der frankfurter Bürgerschaft wirtschaftliche und politische Bedenken, gegen welche Männer der geistigen Führerschicht, wie Jügel, Lucae, Kriegk den Hinweis nicht durchsetzen konnten, welch großes Glück sowohl in materieller, wie geistiger Hinsicht eine Universität in der Stadt für die Zukunft bedeute. Da auch in Berlin die günstige Stimmung für Frankfurt angesichts der selbstbewußten Haltung der frankfurter Unterhändler für die Bereinigung der wirtschaftlichen Kriegsfolgen sehr bald nachließ, verstummte noch vor dem Ende des Jahres 1866 die Erörterung des Universitätsplanes.
Zwei Jahre später kam der Zivilgouvemeur für Frankfurt, Freiherr v. Patow, im preußischen Landtag auf die Frage zurück, in dem er beantragte, die Universität Marburg nach Frankfurt zu verlegen. Während die frankfurter Handelskammer diesen Plan befürwortete und die gebildeten Kreise ihn unterstützten, widersprach der demokratische Wahlverein dem Projekte, welches im Abgeordnetenhause auch vom Kultusminister aus politischen Erwägungen abgelehnt wurde.
Es ist wesentlich, daß — von den historisch unklaren Verhandlungen von 1384 abgesehen — keine Aktenvorgänge erhalten sind, welche ein aktives Interesse des Rates oder später des Senates und des Bürgerkollegs an der Gründung einer Universität beweisen. Es waren jeweils freie Bürger, denen der kulturelle Aufstieg der Vaterstadt am Herzen lag, die über den Augenblick hinaus zu denken wußten und in einer Hochschule ein kostbares Gut für die Zukunft Frankfurts erblickten.
Mit der Ablehnung des Patow’schen Antrages war das Thema „Universität Frankfurt“ für lange Zeit aus der öffentlichen Aussprache ausgeschieden. Die politischen Wandlungen in Deutschland nach der Reichsgründung drängten Einzelprobleme in den Hintergrund und gerade in Frankfurt nahm die Neuordnung der gesamten kommunalen Verwaltung das öffentliche Interesse und auch die städtischen Mittel vollauf in Anspruch. So beschränkten sich die Betrachtungen über die etwaige Bildung einer wissenschaftlichen Akademie auf einen engen Kreis, in