4
Aus den Renten des zu bildenden Unterstützungsfonds sollen arme Knaben und Jünglinge von 14 bis 16 Jahren — unter Umständen auch jüngere oder ältere — welche für irgend ein Gewerbe, Lebensstellung, Kunst oder Wissenschaft entschiedene Neigung und angeborenes hervorragendes Talent oder Geschick haben, insoweit und auf so lange mit kleinen oder größeren Summen, nach Maßgabe des gewählten Lebensberufes, notdürftig unterstützt werden, bis sie sich mit Anstrengung aller Kräfte selbst weiter fortznhelfen vermögen.
Die Beiträge werden — geflissentlich — nicht als Geschenk, als beschämendes Almosen gegeben, sondern als unverzinsliches Darlehen auf unbestimmte Zeit, als „Ehrenschuld" betrachtet, welche dem mißratenen, aus der Stiftung zu entfernenden Zöglinge, erlassen, von dem wohlgeratenen Schüler aber, aus dessen einstigen Erübrigungen, von seinen Verdiensten, in von ihm selbst zu bestimmenden kleinen Abschlagszahlungen dankbar zurückgenommen wird.
Junge Leute, welche auch auf eine solche Unterstützung Anspruch machen wollen, müssen vollgültige, von der betreffenden Gemeinde- und Schulbehörde ausgestellte Zeugnisse vorlegen: daß sie arm, körperlich gesund und geistig besonders begabt sind; welchen Unterricht, mit welchem Erfolg sie bisher genossen und in welchen Teilen des Wissens oder welcher technischen oder Kunstfertigkeit sie sich besonders hervorgethan haben.
Diese Zeugnisse werden mit dem Gesuch um Aufnahme und einigen näheren wahrheitsgetreuen Nachrichten über Familienverhältnisse, kirchliches Bekenntnis, Alter und bisheriges Leben und Benehmen des Aufzunehmenden an den Verwaltungsrat der Palmsonntagstiftung, welcher in Goethe's Vaterhaus am Hirschgraben in Frankfurt am Main seinen Sitz hat, zur Prüfung und Entscheidung eingeschickt.
Geburtsort und kirchliches Bekenntnis, sowie bürgerliche Verhältnisse der Eltern haben auf die Aufnahme keinen Einfluß, vielmehr sind alle in irgend einem deutschen Lande — auch der deutschen Schweiz — in oder außer der Ehe geborenen, talentvollen armen Knaben und Jünglinge jeglichen Glaubensbekenntnisses ganz gleich berechtigt, als Pflegsöhne in die Palmsonntagstiftung ausgenommen zu werden.