Merkblatt')
über
den Erwerb von Neichskriegsanleihe für Stiftungen.
I. Vorbemerkung.
In den Satzungen von Stiftungen finden sich häufig besondere Bestimmungen, durch welche die Befugnis des Vorstandes zur Anlegung von Stiftungsvermögen oder zu sonstigen Verfügungen über das Stiftungsvermögen beschränkt wird; derartige Bestimmungen können im Einzelfalle der Zeichnung der Kriegsanleihe im Wege stehen oder auch Zweifel darüber Hervorrufen, ob und inwieweit der Vorstand befugt ist, Kriegsanleihe für die Stiftung zu zeichnen. Zur Behebung dieser Zweifel und Bedenken dient die nachstehend abgedruckte Königliche Verordnung; sie weist den Weg, auf welchem die Stiftungen sich auch in den genannten Fällen an der Anleihezeichnung beteiligen können.
Die Verordnung bezieht sich auf alle rechtsfähigen Stiftungen — Familienstiftungen und andere Stiftungen —, gleichviel, ob sie vor oder nach dem 1. Januar 1900 errichtet sind. Nach der Verordnung ist der Vorstand der Stiftung oder die sonst zur Verwaltung des Stiftungsvermögens berufene Person oder Stelle berechtigt, aus Grund der Genehmigung der Aufsichtsbehörde, ohne daß es der satzungsmäßig etwa vorgeschriebenen Mitwirkung anderer Personen (Beirat) oder Behörden bedarf, für die Stiftung Kriegsanleihe zu zeichnen und zu diesem Zwecke über das Stiftungsvermögen in der von der Verordnung näher bestimmten Weise zu verfügen. Alle entgegenstehenden satzungsmäßigen Bestimmungen, welche den Stiftungsvorstand oder den Verwalter des Stiftungsvermögens in der Anlegung beschränken, sei es, daß sie eine Verfügung überhaupt ausschließen oder eine bestimmte Art der Anlegung vorschreiben, sind durch die Verordnung für den Erwerb von Kriegsanleihe außer Kraft gesetzt; von derartigen Bestimmungen dürfen der Vorstand und die Verwalter des Stistungsvermögens zum Zwecke des Erwerbes von Kriegsanleihe mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde abweichen, ohne sich dadurch verantwortlich zu machen. Im Deutschen Reiche sollte es keine Vermögen geben, die sich nicht nach dem Maße ihrer Leistungsfähigkeit an dem Ausbringen der Kriegsanleihe beteiligen.
Beim Anleiheerwerbe sind der Stiftungsvorstand und die Verwalter nicht aus die Verwendung bereiter Geldmittel beschränk; vielmehr können sie zwecks Beschaffung flüssiger Mittel zur Zeichnung von Kriegsanleihe beispielsweise auch vorhandene Wertpapiere und Hypotheken veräußern, Darlehen für die Stiftung aufnehmen, zur Sicherheit für diese Darlehen Wertpapiere, Reichs- und Staatsschuldbuchforderungen usw. verpfänden (vgl. Il) und den Grundbesitz der Stiftung mit Hypotheken (vgl. III) oder Grundschulden belasten; nur die Veräußerung von Grundstücken oder von beweglichen Sachen, die nicht zu den Kapitalien gehören (z. B. Jnventarstücke), ist nach der Verordnung nicht zulässig.
Bei der 6. und 7. Kriegsanleihe wurden neben der öprozentigen Anleihe IVsprozentige mit 110 auslosbare Schatzanweisungen aufgelegt. Diese können nach 10 Jahren auf 4 v H, nach weiteren 10 Jahren auf 3 y 2 v H konvertiert werden, werden dann aber mit 115 bezw. 120 v H ausgelost. Diese Anleiheform wird auch bei der neuen Anleihe wieder erscheinen. Da sie durch die Auslosung über Nennwert nicht nur gegen Kursverlust erhebliche Sicherheit bietet, sondern auch von selbst mit der Zeit eine Vermögensvermehrung herbeiführt, bietet diese Anleiheform für gebundene Vermögen große Vorteile, wenn die Anleihe als Dauerbesitz gezeichnet wird. Ist die Wiederabstoßung nach einigen Jahren beabsichtigt, so wird wohl des stärkeren Zinsausgleichs wegen die özinsige Anleihe bevorzugt werden.
II. Verpfändung (Lombardierung) von Wertpapieren.
Die Aufnahme von Darlehen gegen Verpfändung (Lombardierung) von Wertpapieren einschließlich der Schuldbuchforderungen kann namentlich bei den Darlehnskassen des Reichs erfolgen. Soweit die Wertpapiere bei der Königlichen Seehandlung (Preußischen Staatsbank) hinterlegt sind, können sie bei i dieser oder durch ihre Vermittlung unter den gleichen Bedingungen wie bei den Darlehnskassen lombardiert werden. Auch die Zentralgenossenschaftskasse, landschaftliche Banken, öffentliche Sparkassen, Genossenschaftsbanken und sonstige Kreditinstitute pflegen Darlehen zum Erwerbe von Kriegsanleihe gegen Lombardierung von Wertpapieren unter den gleichen Bedingungen wie die Darlehnskassen zu gewähren.
0 Herausgegeben vom Ministerium des Innern im März 1918.