ioeklase der Münchner Neuesten Nachrichten

SK.H8

Seite 874

sich abgefnnden hat, da ist die Schwierigkeit über, wunden, und es wird alles gut: Er ist wieder ein Mensch und nun natürlich sogar ein exemplarisch vor­trefflicher, von allem Gelier und allen Menschen ge­liebt, die Gänse, die eine geradezu vorbildlich feine und kluge Lebensart besitzen, belohnen ibn ob seiner Treue fürstlich; cs endet alles friedlich, freundlich, nur, daß zu guter Letzt den kleinen Nils etwas wie Sehnsucht überfallen will: Da ist er nun wieder ein großer, herzhafter Mensch, fähig an allem Menschentreiben reilzunehmen, es war ein schweres Leben mit den Gänsen so in der Wildnis, ohne rechte Nahrung, unter steter Gefahr, immer unter freiem Himmel, im Regen, Sturm, in Kälte und Schmutz, aber schön war dieser freie, fliegende, goldne Zustand im Wiegen auf dem Rücken des getreuen Gänserichs hoch über allem Men- jchenwcscn doch.

Dresden- Margarete Siebert.

Jugendbrunnen. Alte Reime mit neuen Bildern von 6 e d o r F l i n z c r. Berlin, Karl Curtius.

Dieser Jugendbrunnen bat eine sehr alle Fassung. Nicht etwa wegen der alten Äinderreime, die uns im­mer wieder die Jugend heraufrufen werden und die ja auch Ernst Kreidols voriges Jahr zeichnerisch so jung und neu interpretiert hat; nein, wegen der alten Art der Illustration, die wir in den siebziger Jahren gou­tiert haben, weil wir als Kinder Besseres eben nicht hatten. In diesen Kinder- und Tiergestalten ist keine Poesie, keine Einfachheit, nichts vom Kinde als solchem «beschautes und Empfundenes. Sie sind Modepuppen äußerlich, Gefühlspuppen innerlich; die Zeichnung ist dürftig und doch affektiert und hat von Ludwig Richter, den sie nachahmt, gerade das Beste nicht: die Einfach­heit und die Einfalt. Wir brauchten durch Kinder­bücher, die Kreidols, Schmitthammer, Münzer, der Ver­lag derJugend" und manche andere hcrausgegeben Haben, nicht so verwöhnt zu sein (und so im guten Linne verwöhnt!), um diese Bilder in ihren bunten Tönen, ihrer pedantischen Raumausnützung und in der ge­schmacklosen typographischen Ausstattung nicht ablehnen zu müssen. Das Buch wird natürlich viel Käufer fin­den; es rechnet durchaus mit dem Geschmack, den wir in gewissen Kreisen immer noch treffen und schwerlich so bald werden anstreiben können.

H. E. K r o m e r.

Allgemeine Rundschau.

Neusprachliches Studium in Frankreich.

Bei der feierlichen Eröffnungssitzung der Heult« des Lettres in Paris hat der Dekan A. Croiset bemer­kenswerte Mitteilungen über die Ausgestaltung des neu- sprachlichen Unterrichts an der Fakultät gemacht, die lür die jetzt in Frankreich herrschenden Strömungen sehr bezeichnend sind. Neben den bisher angestellten drei Professoren für Deutsch ist nunmehr ein vierter ernannt worden, ebenso ist für das Englische noch eine neue Professur geschaffen worden. In Frankreich wer­den seit einigen Jahren die Studien der neueren Spra­chen mit einer Zweckmäßigkeit und einer Zielbewußtheit betrieben, die eine vollkommene Umgestaltung des modernen Sprachunterrichtes nach modernen Prinzipien zur Folge gehabt haben. Ter Studiengang des zukünftigen Lehrers der neueren Sprachen zwingt ihn, eben auf die neuere Sprache und nicht auf den historischen Teil seiner Disziplin ein Hauptgewicht zu legen. Niemand hat Aussicht, ein Gramen in einer neueren Sprache zu bestehen, der

nicht längere Zeit im Auslande zugebracht hat. Von den Studenten wird eine vollkommene Vertraut­heit mit dem Leben und den literarischen Strömungen der Gegen wart verlangt.

Ein Blick auf das diesjährige Studienpro- gramm der Agrugation dAllemand ist in dieser .vinsicht von größtem Interesse. Den Kandidaten der Agrogation, wir würden sagen: den Staats­era NI c n s k a n d i d a t e n, iverden eine Reihe von Materien und von deutschen Autoren vorgeschrieben, die sie gründlich duräistudiert haben müffen, mit denen sich auch ein Teil der Vorlesungen und Uebungen der Pro­fessoren beschäftigt. In dem Programm sind folgende Stoffe und Autoren verzeichnet (wir zitieren die voll­ständige Listej: 1. Ter Klassizismus in Weimar 1786 bis 1805. Die Horen, der Musenalmanach, die Xenien. Goethe, Torquato Tasso, die italienische Reise, Elegien, 2. Buch. Schiller, Maria Stuart, der Spaziergang, das Ideal und das Leben, die Glocke, lieber naive und sentimentale Dichtung. 2. Jean Paul Friedrich Richter. Das vergnügte Schulmeisterlein Wuz, Hesperus, Hundsposttage. 3. Das zeitgenössische Theater: Holz und Schlaf, Die Familie Selicke, Max Halbe, Der Strom, G. Hauptmann, Die Weber, H. v. Hofmanns­thal, Oedipns und die Sphinx. 4. Die Nibelungensagc, Aventüre 1417, 34 bis Ende. 5. Das Musikdrama, Richard Wagner, besonders zu studieren die Götter­dämmerung. 6. Das politische und ökonomische Leben in Weimar von 1758 bis 1828.

Dieses Programm mutet den Deutschen geradezu traumhaft an. Wennschon auch bei uns die Bestrebun­gen immer stärker werden, die darauf hinzielen, den Studenten aus der Universität sich mit den Dingen beschäftigen zu lassen, die er später in seinem Berufe braucht, so würde cs doch auf einer deutschen Universi­tät unerhört sein, wenn das Hauptgewicht des Studicn- gangs auf die Klassiker des französischen siebzehnten Jahrhunderts und die Dichter des neunzehnten gelegt würde. Bei uns gilt noch heute die Literatur des drei­zehnten Jahrhunderts als beste Vorbereitung für den Unterricht des modernen Französisch, und Jahr für Jahr sieht man an der Sorbonne die Karawanen der Romanisten" im fünften und sechsten Semester vorbei­ziehen, die ohne Verständnis für Frankreich kommen und leider meistens auch wieder gehen, denn ein dürf­tiges Semester genügt nicht entfernt, den Unvorbereite­ten mit der klassischen Literatur und der alten Kultur Frankreichs vertraut zu machen. Es sind das schlimme Zustände, auf die man umsomehr Hinweisen muß, als in Frankreich das große Reformwerk des neusprach­lichen Unterrichts schon so gut wie fertig ausgebaut ist, während Deutschland mit halben, au den Universitäten fast widerwillig durchgeführtcn Reformen nachhinkt. Solange in den deutschen Staatsexamen der modernen Sprache nicht der gleiche Raum gegeben wird wie der historischen Grammatik, solange wir fortfahren wer­den, den Studenten mit den praktisch fast unvermeid­lichen zwei Sprachen zu belasten, die er beide mündlich beherrschen und historisch durchforscht haben soll, so lange werden wir aus der heutigen Misere des neu­sprachlichen Unterrichts nicht herauskommen.

R. Meycr-Rief stahl.

Der Krieg gegen die Auster.

Im vorigen Jahre versetzte eine aus Frankreich kom­mende Zeitungsmeldung, daß in einem dortigen Hafen­orte mehrere Personen nach dem Genuß von Austern an Typhus erkrankten, die interessierten Konsumentenkreise in begreifliche Erregung. Galt doch bisher die Auster als ein hygienisch völlig einwandfreies Nahrungsmittel.