Nr. 118

f?eilöfle der Münchner Neuesten Nachrichten

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In der Verlängerung des Nationalpalastes gegen die Kathedrale liegt der Palast des Präsidenten, ein Bau mit großem, geräumigem, pflanzengeschmücktem Hof (Patio). Ihm gegenüber tagen der Kongreß und die gesetzgebende Versammlung, in einem Raum, den ich nach Eröffnung der Sitzungen von der Diplomaten- loge aus oft besucht habe. Den zweitgrößten Platz, den Park von Santandär, schmückt die Bronzestatue deS zweiten Präsidenten der Republik, des Generals Santander. Schön gepflegte, mit einem Gitter um­zäunte Anlagen umgeben sie.

Eigenartig ist das sogenannte Panoptikum, das große Gefängnis, das, von einer riesigen Mauer um- geben, auf dem Alto de San Diego, über der gleich­namigen Kirche und über dem ebenfalls nach diesem Heiligen benannten, mit großen Encalyptusbäumen bestandenen Parke liegt. In seiner Nähe führt der Weg nach dem im Norden der Stadt gelegenen viel­besuchten Vororte Chapinero vorbei. Dort sah ich den Platz, auf dem am 10. Februar 1906 das Attentat auf den Präsidenten Rehes ausgeführt wurde, als er mit seiner jüngsten, unverheirateten Tochter Nina seine übliche Spazierfahrt nach Chapinero unternahm. Vier berittene wohlbewaffnete Männer schossen damals auf den Präsidenten und nur wie durch ein Wunder ent­ging er bei den zahlreichen Kugeln dem Tode. Die Mörder wurden bis auf den Haupträdelsführer, wel­cher entkam und heute in Costa Rica lebt, erschossen.

Bon den großen öffentlichen Gebäuden sind weiter» ' hin bemerkenswert: die Jesuitenkirche San Carlos, die Franziskanerkirche, Santo Domingo, Las Nieves, Santa Clara und El Rosario. Die riesigen Klöster, welche jahrhundertelang unter dem Schutze der hier residierenden spanischen Vizekönigc gestanden haben, existieren zum größten Teil auch heute noch, nur hat das 19. Jahrhundert, wie fast in allen Ländern so auch hier, ihnen die Aufhebung gebracht und zwar un­ter dem Präsidenten Gen. Mosquera im Jahre 1862. Durch ihre solide Bauart waren sie für öffentliche Zwecke besonders geeignet. Sohin genügte meist die Vornahme geringer Aenderungen zu ihrer Adaptierung für Staatsanstasien. So wurde das Riesenkloster der DominikanerEdificio de Santo Domingo in das Ministerium der Finanzen und deö Schatzes umge» wandelt; auch die Post ist in ihm untergebracht. In dem ehemaligen großen Franziskanerkloster haben ver­schiedene Regierungsbureaus Platz gefunden, und das Auguftinerkloster dient heute als Kaserne.

Da ich ein Jahr vor meiner Reise nach Kolumbien in Spanien und Portugal schon vielfach Gelegenheit gehabt habe, aufgehobene Klöster zu öffentlichen Zwecken, dort in erster Linie für militärische und Schulzwecke, verwendet zu sehen, so begriff ich deren ähnliche Verwendung in BogotL umso mehr, als sie die bestgebauten Gebäude der Stadt sind. Auch spä­terhin, bei meinen Reisen ins Innere des Landes und durch ganz Zentralamerika habe ich, mit mehr oder weniger Modifikationen, gleichartige Verhältnisse angetroffen. Weniger praktisch war meistens die Ver­wertung der den Klöstern abgenommenen Ländereien. In den meisten Fällen sind sie verschleudert worden; vielleicht noch am wenigsten m der Republik Mexiko.

Auch in dieser Beziehung ist daS spanische Mutterland keineswegs mit gutem Beispiel vorangegangen. Auch dort wurden besonders in den Jahren 18351840 die Kirchengüter in unverantwortlicher Weise vielfach der- geudet, während sic bei Ueberweisung an die Kom- munen für diese eine Quelle des Reichtums gcwor- den wären.

Auf dem öffentlichen Markte von BogotL, der zwei ganze Straßenviertel cinnimmt, werden in gedeckten Hallen und offenen Ständen die Erzeugnisse wohl aller Zonen feilgeboten. Kolumbien, dieses wunder- bare Land, besitzt ja alle Klimatc der Welt. Beson- ders an den Hauptmarkttagen Donnerstag und Freitag herrscht ein unbeschreiblich reges und bun- tes Leben und Treiben. Bei solchen Gelegenheiten wähnt man sich zuweilen in ein Jndianerzentrum ver­setzt, wiewohl sonst die Weißen und die Mestizen in der Bevölkerung der Hauptstadt überwicgen.

Eigenartig ist das Zahlungsmittel in Kolumbien. Es besteht seit etwa fünfzehn Jahren ausschließlich auS Papiergeld. Infolge der Ausgabe ungeheurer Mengen desselben, denen Barbestände nicht gegenüberstanden, sowie infolge des letzten furchtbaren Bürgerkrieges von 1900 bis 1903 ist dös kolumbianische Papiergeld riesig entwertet worden. Glücklicherweise ist es dem jetzigen ebenso umsichtigen als energischen Präsidenten Don Rafael Reyes gelungen, die Wcrtsrelation seit etwa drei Jahren soweit zu stabilisieren, daß die vorher^oft innerhalb einer Woche wiederholt eintretenden enor­men Kursschwankungen ausgehört haben. DaS Ver- hältnis des tatsächlichen Wertes zum Nominalwert einer Banknote beträgt seitdem 1 zu 100. Somit ist ein 100-Pesos-Schein (der Peso 1 $ = 4.10 A) nur noch 1 Peso wert. Zur Zeit der letzten Revolution war aber dessen Wert vorübergehend bis auf V. J5 her- untergeqangen.

Die Hauptbankgeschäfte des Landes sindEI Banco de Bogota, gegründet 1871, dieBanco de Colom- bia, gegr. 1875, und die durch Dekret vom 6. März 1905 ins Leben gerufeneBaneo Central. Dieser letzteren obliegt die Verwaltung und Einziehung fast aller Staatseinkünfte. Die zwei Hauptgeschäfts- straßen laufen beide von Norden nach Süden parallel miteinander und münden auf den großen Bolivarplatz ein. Es sind die Carrcra de Florian, die älteste Straße, und die Carrera del Comercio (6. Str.), die sich beide schon seit langer Zeit durch ihre wohlgcpfleg- ten Häuser und Läden sowie durch ihre gute Pflaste­rung vor andern auszeichneten. Während meiner An­wesenheit wurde jedoch auch Erhebliches für die Pfla- sterung vieler anderer Seitenstraßen getan, so daß im Verlaufe weniger Jahre in Bezug auf die Straßen- Verhältnisse ein namhafter Umschwung eintreten dürfte, vorausgesetzt, daß der Friede erhalten bleibt. Das ist aber wohl mit Sicherheit zu erwarten angesichts der klugen, zielbewußten Führung des ab 1. Januar 1905 auf zehn Jahre gewählten Präsidenten Reyes, der in begründeter Vorsicht alle zum Kriege tauglichen Gewehre, bis jetzt an 65,000, bei allen Privatpersonen des Landes requirieren und in der Hauptstadt an einen sichern Qrt verbringen ließ.

Dem öffentlichen Unterrichte im Lande wird neuer»