Leite 864 Beilage Ser Münchner

lnng, welche seine geistlichen Brüder genossen, fehlte es ihni auch nicht an Männern, die befähigt waren, seine und seines Landes Geschichte zu schreiben. So hat die Geschichtschreibung in dem Ordenslande Preußen eine reiche Blüte entfaltet. Tort rvidinete der Ordcns- priester Peter von Tusburg 1326 dem Hochmeister Werner von Orseln seine trefflicheChronik des Preu­ßenlandes", die Nikolaus Jcroschin kunstreich in deut­sche Reime zu bringen unternahm auf Anlaß und un­ter Förderung der Hochmeister Lothar von Braun- schweig (13311335) und Dietrich von Altenburg. Selbst wenn der Verfasser einer ähnlichen Reimchronik aus etwas späterer Zeit, Wigand von Marburg, nicht selbst Deutschordensritter gewesen sein sollte, bezeugt ooch auch sein Werk, wie diese Genossenschaft die Ver­bindung mit dem Volkstum hochhiclt und pflegte, in dem sie wurzelte. Mit diesem in lebendiger Gemein­schaft zu bleiben, war für sic auch geboten, wollte sie sich auf ihrem weit in die slavischc Welt hinein vor- cschobencn Posten zum Heil der deutschen Kultur be- auptcn.

Daher fand bei ihr auch die deutsche Dichtung sorg- sanie Pflege. Es loar nicht bloß persönliche Vorliebe und sic nährende Familicntradition, wenn Hochmeister Lothar von Braunschweig, ein Verwandter des sänger- freundlichen Hauses der Landgrafen von Thüringen, hoch im Norden die Marienburg zu einem Musensitze zu machen strebte, wie die Wartburg ein solcher ge- tvvrdcn war. Er selbst übersetzte aus dem Lateinischen ein poetisches Leben der heiligen Barbara und verfaßte wohl zum Zweck der durch die Ordensregel geböte- nen Vorlesungen bei den gemeinsamen Mahlzeiten Paraphrasen der Bücher Daniel und Hiob. Auch fehl­ten damals in den Büchereien des Ordens nicht die äl­teren deutschen Dichterwerke, deren Vorwurf der Kampf für den Glauben war, wie Barlaam und Josa­phat, das Rolandslied n. s. w. Noch bewahrt die> nigsbcrger Bibliothek etliche reich ausgestattete Hand- chriften der Art, die Lothar von Braunschweig I>at an- 'ertiqen lassen. Damals bearbeitete Heinrich Heseler ' >ie Offenbarung Johannis, der Karthäusermönch Phi­lipp widmete dem Orden ein von ihm verfaßtes Leben der Jungfrau Maria und Nikolaus Jcroschin, der Be­arbeiter der Chronik des Peter von Dusburg, besang das Leben des heiligen Adalbert von Prag, des Apostels der Preußen, während schon früher Nikolaus, der Kustos der preußischen Minoriten, auf Wunsch des OrdenSmarschalls Siegfried von Trahenfels (1301 bis 1309) die Propheten " und die Apostelgeschichte ver­deutscht hatte.

So war der Sitz der Hochmeister des Deutschen Ordens auch in geistiger Hinsicht ein Zentrum, wie es bei der dort herrschenden Mischung der Nationalitäten und dem dadurch vcranlaßten Aüseinandergehen der Interessen weder der Pariser Tempel noch der Palast des Hospitalitermeisters auf Rhodos je hat werden können. Gewiß aber hat es auch in jenen beiden Or- den nicht an Männern von höherem Flug des Geistes gefehlt. Erinnert man sich, was der in ihnen allezeit besonders stark vertretene Adel Südfrankreichs an streitbaren Helden hervorgebracht hat, die zugleich Sänger und Dichter waren, so möchte man es nur der

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Ungunst der Ueberlieferunq zuschreiben, daß von Ordensrittern herrührende Dichtungen nicht auf uns gekommen sind. War doch schon der Kampf für den Glauben unerschöpflich reich an poetischen Motiven. Auch ist uns wenigstens ein Denkmal der Art erhalten, obenein ein höchst merkwürdiges und in mehr als einer Richtung besonders lehrreiches, das geradezu ergrei­fend wirkt. Es stammt aus der Zeit, wo das Schicksal der christlichen Herrschaft im Osten bereits für besie­gelt gelten mußte und auch die Mutigsten den Zusam- menbruch ihrer letzten Reste als unabwendbar erkann- ten.. Daraus entsprang damals gerade in den an dem aussichtslosen Kampfe am nächsten beteiligten Kreisen eine tief verbitterte Stimmung: man sah in diesem Ausgang einen Sieg des Islam, einen Triumph des Gottes Mohammeds über den Gott der Christen. Ein Templer war es, der nach der großen Niederlage der Christen im Jahre 1265, die seinen Orden besonders schwer getroffen hatte, seinem Unmut in einem leiden­schaftlichen Sirvente Luft machte, wo cs heißt: Schmerz und Scham erfüllen meine Seele und töten mich fast. Wir erliegen unter der Last dieses Kreuzes, das wir auf uns genommen haben zur Ehre besten, der daran geheftet tvard. Es gibt kein Kreuz, cs gibt kei­nen Glauben, die etwas auszurichten vermöchten gegen diese verdammten Türken. Kann doch jedermann sehen, wie Gott selbst sic schützt zu unserem Ver- derben." Grell beleuchtet wird hier eine Seite in den Beziehungen der Orden zu dem geistigen Leben ihrer Zeit, welche die Abwendung von der Kirche erklärt, die gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts eintrat als eine der merkwürdigsten Folgen des Scheiterns der Kreuzzüge.

Unmittelbarer und lebendiger tritt der Anteil der geistlichen Ritterorden an dem geistigen Leben chrer Heit uns entgegen in dem Gebiete der bildenden Kunst. Ihn bezeugen zahlreiche, wenn auch oft nur in bekla­genswert ' trümmerhaftem Zustande erhaltene Bau­werke und ihr plastischer und malerischer Schmuck. Be­sonders klar offenbaren sie oft die Wechselwirkungen, welche, durch die Orden vermittelt, zwischen Abend- und Morgenland stattfanden und beide gleichmäßig als anregend und angeregt, als gebend und empfangend erscheinen lassen.

Am augenfälligsten wird das in der militärischen Architektur, die bei den Orden begreiflicherweise beson­ders gepflegt wurde. Behielten dieselben da zimächst den Brauch bei, der ihnen von der Heimat her vertraut tvar, so eigneten sie sich doch von dem der Feinde das an, was ihnen nützen konnte. Dieses Uebcrgangs- stadium veranschaulichen namentlich die Hospitaliter» bürgen Palästinas, während die dortigen Templer­burgen sich bereits enger an das orientalische Vorbild anschließen. Diese neue Militärarchitektur hat sich dann mit den Orden auch im Abendland eingebürgert, wie besonders die im dreizehnten Jahrhundert ent­standenen Feudalschlösscr in Frankreich zeigen mit der genauen Anpassung an die Oertlichkeit, der scharfen Scheidung mehrerer, jedenfalls zweier Befestigungs­systeme und dem gewaltigen Wachsen der Dimensionen. So hat sich hier eine Art von Kreislauf vollzogen, der erst vom Westen über das Meer nach dem Osten und