Nr. 118 Beilage Üer Münchner
Aemtern aus, der als Scholar studiert hatte/) und ließen solche nur ausnahmsweise zu Stellen zu, für die ein gewisses Maß von belehrten Kenntnissen besonders wünschenswert war, wie das Anit des Kanzlers oder Vizekanzlers. Im Gegensatz dazu haben die Deutschen Herren zu St. Marien es damit wesentlich anders gehalten. Bei ihnen war die Stellung der Ordensgeist, lichen schon deshalb eine günstigere, >veil aus denselben die Männer genommen wurden, welche die höheren Würden in der Kirche des Ordenslandes be- kleideten. Auch konnte der Deutsche Orden als Regent eines blühenden Staates die Mitarbeit von Männern nicht entbehren, welche für die da zu leistende amtliche Tätigkeit die notige Vorbildung besaßen. Daher hat er auf die Schulung der Beamten frühzeitig wohlüberlegte Sorge verwendet und, da diese zunächst aus ihm selbst hervorgingen, den merkwürdigen Versuch gemacht, seine Reihen der fortschreitenden Bildung der Zeit zu öffnen und dauernd mit ihr in Fühlung zu erhalten. Dazu errichtete um die Mitte des vierzehn- tcn Jahrhunderts Meister Winrich von Knicprode, dessen Negierung den Höhestand des Ordensstaatcs bezeichnet, in Kulni eine Art von Universität oder doch Akademie, wo namentlich die Rechte gelehrt wurden. Auch war das nicht ein Ban in die Luft, sondern der Abschluß eines wohldurchdachten, für jene Zeit hoch- verdienstlichen Systems staatlicher Fürsorge für die Volksbildung. Tenn den Unterbau für jene hohe Schule bildeten im Ordenslande seit Beginn des vierzehnten Jahrhunderts neben den elementaren Volksschulen die sogenannten Pfarrschulen, ans denen auch Latein gelehrt wurde.
Obgleich sie auf denselben Grundlagen beruhten und ihr Leben in den gleichen Formen verlief, ist das Verhältnis der Orden zu den geistigen Bewegungen ihrer Zeit also doch nicht das gleiche gewesen. Mag die Tätigkeit der einzelnen Ritter im Dienste ihrer Genossenschaft überall wenig geeignet gewesen sein, höheres geistiges Streben bei ihnen zu wecke», so muß cs doch ausfallen, daß selbst die Geschichtschrcibuitg bei ihnen nicht gleichmäßige Pflege gefunden hat, obgleich gerade sie anziehen mußte und auf die jüngere Generation erziehend wirken konnte, derartige Körperschaften auch bestrebt zu sein pflegten, für ihren Ruhm bei Mit- und Nachwelt zu sorgen. Nur vereinzelt begegnen wir historiographischen Versuchen. Ter Templer von Tyrus, ein dienender Bruder und Zeuge des Falls von Accon (1291), der im Anschluß an eine ältere Arbeit in den Gestes des Cluprois 4 ) die Geschichte der Franken im Osten aufzeichnete, ist ohne Nachfolger geblieben. Bei den Hospitalitern finden wir zwar Spuren älterer, vermutlich amtlicher Aufzeichnungen, sogenannter Kommcmarien, die aber nur kurze annalistische Notizen oder dürftige chronikalische Rückblicke gewesen zu sein scheinen. Wenn gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts der Hochmeister Juan Fernartdez de Heredia nach einem lalenreichen Leben seine letzten Jahre in Avignon zu historischen Arbeiten
>) Ebenda T. 331.
‘) Gestes des Chiprois, herausgegeben von Raynaud in der kldUotdhque de I» Socl4t6 de l’Orient Jatin.
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benütztes, so wird das mehr seinen persönlichen Neigungen znzuschreiben als dem Orden zum Verdienst auzürechnen sein, wie cs sich dabei auch mehr um die .Kreuzzüge im allgemeinen und um die Geschichte seiner aragonilchcn Heimat gehandelt hat als uin die des Ordens. Eine solche hat erst im fünfzchnten Jahrhundert der Kanzler Melchior Bandino unternommen, ist damit aber nicht zum Schluß gekommen?) Ein Men- schenalter später zeichnete der" Vizekanzler Guillaume Caousiu, ein Belgier aus Touai, wenigstens die merk- würdigsten zeitgenössischen Ereignisse aus, indem er die berühmte Belagerung von 1480, daS furchtbare Erdbeben des folgenden Jahres, den festlichen Empfang des türkischen Prinzen Dschem und die Verhandlungen mit dem Sultan schilderte und diese Berichte nach Art fliegender Blätter mit Bildern im Holzschnitt versehen heräusgab?) Die Geschichte der Insel Rhodos unter der Herrschaft des Ordens ist erst nach der türkischen Eroberung (1522) durch einen patriotischen rhodiser Geistlichen zur Darstellung gebracht worden, wie es scheint, im Hinblick auf die erhaltenen Bauwerke und Denkmäler?)
Tie geringe Entwicklung der Ordensgeschichtschrci- bung wird ihren Grund freilich auch mit in der Narur des Stoffes gehabt haben. Fehlte ihm doch, sobald es sich nicht bloß um den Kampf mit den Ungläubigen handelte, jede innere Einheit. Die Ereignisse spielen, gewissermaßen auseinandergerissen, schon'räumlich auf den verschiedensten Schauplätzen und unter den denkbar verschiedensten Verhältnissen. Die Schwierigkeiten, welche dcui Geschichtschreiber des Ordens daraus erwachsen mußten, hat auch der fleißige Giacomo Bosio nicht überwunden: sein großes, höchst verdienst- volles Werk gibt eigentlich doch nur eine des rechten inneren Zusammenhanges entbehrende Masse chrono- logisch geordneter Auszüge aus Urkunden, Akten und Chroniken. Es ist ihm nicht gelungen, einen leitenden Gesichtspunkt zu gewinnen, von dem aus in die ver- wirrenden Einzelheiten Ordnung und Einheit gebracht wäre. Doch entspricht das ja wiederum nur der Tat- sache, daß der Hospitaliterorden später eigentlich nur scheinbar eine einheitlich geschlossene Körperschaft bildete, vielmehr seine Zungen, jede verwachsen mit dem Lande, dem sie angehörte und dem ihre Glieder entstammten, sich sozusagen immer weiter auseinander- lebten und immer weniger wirklich gemeinsame In- tercssen hatten.
Auch hier bietet der Deutsche Orden ein wesentlich anderes Bild, dank der Gunst der Verhältnisse, in die er durch die Eroberung Preußens cintrat. Er war Landesherr, und sein wichtigster, ein geschlossenes Territoriuni bildender Besitz, sein Land, hatte seine Landesgeschichte. Bei ihm war also die unerläßliche Voraussetzung für die Erweckung und Betätigung histo- rischen Sinnes gegeben, und bei der angesehenen Siel-
°) Herquet. Juan Fernande, de Heredia. Grob' mcistcr des JohannlterordenS 1377—1396 (Mühlhausen i. Th. 1878) T. 88 sf.
°) P r u tz, Die Anfänge der Hospitaliter aus Rhodos 1310 bis 1358 in den Sitzungsberichten der bayerischen Akademie der Wissenschasrcn, philosophisch-philologische und historische Klasse 1908. I. Wh. S. 8. '
') Ulm 1482.
*) Sen Nachweis dafür werde ich später anderwürtS eririkigeir.