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Unabhängige Zeitung für nationale Politik

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Nummer 166

Berlin, Montag, den 11. April 1921

41. Jahrgang

Haus Doorn, U, die Kaiserin ist heute schlafen. Die Beisetzuuj

Dem Gedächtnis -er Kaiserin.

Fern von der Heimat und in fremdem Lande hat Kaiserin Auguste Viktoria im 63. Lebensjahr die Augen geschlossen, um zu jener himmlischen Heimat emzu-gehen, aus die sie Zeit ihres Lebens ständig ihr« Zuversicht gesetzt hatte. Seelisch und körperlich erschöpft, war die hohe Frau schon vor Monaten auf das Krankenlager gesunken. Von den Mitgliedern ihres Hauses wurde sie seitdem abwechselnd 'besucht und betreut. Lanze und schwer hat sie mit dem Tode ringen müssen imtb sich seit Wochen auf den Abschied vorbereitet. Nun hat ein treues deutsches Frauenherz den letzten Schlag getan.

Die Trauernachricht aus Schloß Doorn wird nach ihrer menschlichen Seite auch bei denen Anteilnahme erwecken, die dem monarchischen Gedanken ferner stehen; allen bewußten Freunden der Monarchie aber rückt sie wieder das ganze Bild der Tragik vor Augen, die über dem deutschen Kaiserhaus in seiner Gesamtheit wuchtet. Niemand jedoch leidet tiefer im Unglück als ein Frauengemüt, und so hat denn auch di« Seele der entschlafenen Kaiserin in diesen Zeitläusen des Zusammen- br«^ eine solche Fülle Leides zu tragen gehabt, daß man ihr^Rn Ehrennamen einer Märtyrerin nicht versagen kann. Die Königskrone ist chr zur Dornenkrone geworden.

Das Schicksal schien es einst lieblicher mit der Ent­schlafenen gemeint zu haben. Im Sonnenschein von Prim- kenau, jener schlesischen Schloßidylle ihres väterlichen Hauses, wuchs die junge Prinzessin von Schleswig-Holstein-Sonder- burg-Auguftenburg auf und verlebte im häuslichen Kreise, fern von allem Staatsgetriebe und fast unter Ausschluß der Oeffenllichkeit. eine glückliche Jugendzeit. Sie hing zeitlebens an dieser Stätte und mag wohl späterhin in sorgenvollen Stunden die Sehnsucht des Erinnerns empfunden haben, die im Volkslied ausklingt: Ach, wie liegt so weit, was mein einst war. In ihrem 22. Jahre trat dann die Entscheidung ihres Lebens an sie heran, als sie am 27. Februar 1881 dem Prinzen Wilhelm von Preußen die Hand zum Ehebunde reichte und damit die Anwartschaft erhielt, das schwere Amt einer Kronenträgerin dereinst übernehmen zu müssen. Es war ein politischer Grundsatz Bismarcks, den Hohenzollern Eheschließungen nur mit deutschen Fürstenhäusern anzuraten. Dem Ehebunde des Kaisers und der Kaiserin lag ein politi­scher Bersöhnungsgedanke zugrunde. Seit der Lösung der

f vswig-holsteinischen Frage zugunsten Preußens stand das atendentenhaus der Augustenburger grollend beiseite. Nun sollte ein« Augustenburgerin Herrscherin auch über chre Heimatprovinz werben. Das Schicksal hat hier «inen herben Ausgang genommen: Heute ist das Augustenburger Schloß durch den Schmachfrieden und die willkürliche Abstimmungs­geometrie in dänischem Besitz.

Die junge Prinzessin von Preußen trat am Berliner Hofe anfangs bescheiden zurück. Noch bildet« die feinsinnige Kaiserin Augusta an der Seite des Heldenkaisers den Mittel­punkt der Hofgesellschaft, und die Kronprinzessin Viktoria stand ihr als Repräsentantin zur Seite. So war denn die junge Prinzeß zunächst nur Mutter in der tiefsten Bedeutung des

Begriffs und schenkte ihrensi Gatten in dsn ersten zehn Jahren ihrer Ehe sechs blühende Söhne und eine Tochter, deren Er­ziehung sie wie eine schlichte Hausfrau bis in die Einzel­heiten hinein geleitet hat. Dieses glücklich« und harmonische Familienleben rettete sie auch hinüber in den neuen Abschnitt ihres Lebens, als sie durch die sich häufenden Ereignisse des Jahres 1888 an der Seite ihres Gatten die Stufen des Thrones beschritt. Die mütterliche Seite ihres Wesens blieb ihr auch treu, als eine neue Generation heranwuchs und sie Enkel auf ihrem Schoße hegen durfte. Für den ordnungs­mäßigen Verlauf aller Familienangelegenheiten war sie eine treue Hüterin, geehrt und geliebt von den Ihrigen, auch da, wo sie streng sein mußte. Das Ausland hat uns oft beneidet um das innige Familienleben an unserem Kaiserhofe, und dem eigenen Volke konnte in einer Zeit sittlichen Niedergangs diese Harmonie nur zum Vorbilde dienen. Das war ihr ur­eigenstes Werk. Der Kaiser hat diese Bedeutung seiner Ge­mahlin von ganzem Herzen anerkannt und ihr mehr als ein­mal in seinen Ansprachen ein Denkmal der Gattenliebe ge­setzt, am ergreifendsten im September 1918 angesichts des sich verfinsternden Kriegsgewölks in seiner Ansprache an die Ar­beiterschaft der Kruppschen Werke, wo er den Eindruck schil­dert, den die Nachricht von der schweren Erkrankung der Kaiserin auf ihn an der Front gemacht hat. Da merkte man, daß diese beiden königlichen Gestalten in einem langen Leben innerlich untrennbar verwachsen waren auf Gedeih und Verderb. Als dann die Katastrophe hereinbrach und der Kaiser einsam in Holland ein Notdach fand, da war es ein« Selbstverständlichkeit und nahm riirgends wunder, daß die Kaiserin, nachdem sie zunächst der zitternden FrauenweÜ und den Enkeln ihres Hauses Halt gegeben und Mut ein­geflößt hatte, an dis Seite des Gatten eilte, um freiwillig seine Verbannung zu teilen und ihn mit ihrer Liebe zu um­geben. Das war getreu bis in den Tod.

Es hat Königinnen gegeben, auch in Preußen, die nichts anderes waren als Gattin und Mutter. Aber diese war mehr. Neben dem Gebot der Liebe stand ihr das Gebot der Pflicht. In einem Zeitalter anhebender sozialer Verwick­lungen und Notstände zur Führerin der Frauenwelt des Landes berufen, hat sie, in Ergänzung der Tätigkeit ihres Gemahls und angespornt durch seine nie ermüdende Arbeits­kraft, eine Fülle von Energie und Liebe im Dienste der öffentlichen Wohlfahrtspflege verschwendet. Das Wort von der Landesmutter ist außer Mode gekommen, aber auf sie darf das Wort auch heute noch Anwendung finden, denn sie betrieb ihre vaterländische Pflicht mit dem Herzen. Berge­hoch türmte sich diese Last der öffentlichen Fürsorge, als der Weltkrieg ungeheure Opfer auch von unserer Frauenwelt ver­langte. Da hat die fürstliche Frau nicht nur Zeit gefunden für Organisationsfragen und Konferenzen, sondern sie stand persönlich an vielen Schmerzenslagern und manchem Sterbe­bette und hat gelindert und getröstet, soweit das Menschen­kraft vermag.

Zu solchem heroischen Tun reichte die Kraft des Pflicht­gefühls nicht aus; sie fand eine unerschöpfliche Kraftquelle in ihrem eoangelijchen Glauben. Und um des überzcugien

Glaubens Willen, nicht um den Schein zu wahren, war fi«. eine treue Fürsorgerin und Freundin der evangelischen Kirch^ und aller religiösen Bestrebungen überhaupt. Man hat oft gemeint, daß sie etwas einseitig den orthodoxen Standpunkt betont hätte. Das ist irrig. Trotz der Festigkeit ihrer eigenen Ueberzeugung konnte sie sich auch mit einem freieren Standpunkt aussöhnen. Das beweist schon ihr vertrautes Verhältnis zum Oberhofprediger Dryander, den sie vor einigen Wochen an ihr Krankenlager rief, und der doch stets nur als Vermittlungstheologe gelten konnte, ja sogar einst im Herrenhaufe in seiner berühmten Religionsdebatte mit dem Frhrn. v. Durant dsn Ausspruch des Kaisers von der Weiterbildung der Religion ganz energisch unterstrich. So gebührt der verstorbenen Kaiserin der Dank der Gesamt-, kirche ohne Unterschied der Richtungen.

Man hat im allgemeinen das Urteil, daß die Kaiserin niemals Politik getrieben.habe. Das mag im Sinne eines selbständigen und planmäßigen Eingreifens in die höhere Staatspolitik sicherlich Geltung haben. Jedoch ist der Ein­fluß nicht zu unterschätzen, den auf kulturpolitischem Gebiet die Kaiserin zunächst rein natürlich als ständige Gefährtin ihres Gatten ausgeübt hat. Auch mögen ihre vom Kaiser häufig besuchten Teeabende mit wissenschaftlichen, religiösen und künstlerischen Besprechungen einen gewissen Einfluß ausgeübt haben. Nirgends aber stoßen wir auf einen Schritt der Kaiserin, der nicht völlig harmonisch in den Rahmen der von ihrem Gemahl betriebenen Politik sich eingefügt hätte. Hierin unterscheidet sie sich merklich und vorteilhast' hon ihren letzten Vorgängerinnen auf dem Throne. '

Man kann in Versuchung kommen, einen Äerglexh zwischen der Kaiserin Auguste Viktoria und der Königin Luise zu ziehen, weil einige verwandte Charakterzüge auf­fallen und der tragische Ausgang ihres Lebensschicksals sich ähnelt. Beide starben das kann man wohl sagen an gebrochenem Herzen. Des Vaterlandes Not und die Existenzfrage der Dynastie lastete über Gebühr aus ihrer Seele. Aber der Königin Luise war es ver­gönnt, in der Heimat zu sterben, und sie ahnte ein Morgenrot, an dessen Aufglühen sie tatkräftig mit­gearbeitet hatte. Stein, Hardenberg, Gneisenau, Scharn­horst u. a. waren ihre vertrauten Freunde, die anzuregen und zu begeistern sie nicht müde wurde. Auf unserer dahin­geschiedenen Kaiserin letzten Tagen ruhte das Schicksal nut weit schwererer Hand. Nirgends ein Lichtblick und Ausweg für des Vaterlandes Not, und doppelt schwer die Aufgabe als Trösterin für den gebeugten Gemahl. Eng, ganz eng, aber doppelt schwer und wunderbar treu war die Pflichterfüllung der Kaiserin in Amerongen und Schloß Doorn in diesen Tagen des Zusammenbruchs, Pflichterfüllung bis aufs äußerste. Wer will weissagen und ergründen, ob die Ent­schlafene bei leichterer Last nach dem. Vorbild der Königin Luise nicht auch tatkräftig an der religiös-sittlichen Erneue­rung ihres Vaterlandes mitgearbeitet hätte. Was ihr das Schicksal versagt hat, das soll unsere Aufgabe sein. Darin können wir ihr den Dank abstatten, den sie um uns ver­dient hat. K. SH, ,

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