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die Reisekosten bestreiten. Es fand eine sorgfältige Prüfung des Candidaten statt, er wurde tüchtig befunden. Der junge Mann hatte noch ein Anliegen: einen alten Pater, der ein schlechter Wirthschafter war. Mohrhardt besaß, von seiner Mutter herrührend, ein Ueberbesserungs-Capital auf die Geisow'sche Behausung, Lit. F, No. 125. Er wünschte, Herr Dr. Cretzschmar möge das Capital verwalten, die Zinsen nach der Verfallzeit seinem Vater verabfolgen lassen. Herr Dr. Cretzschmar empfahl, statt seiner, der sterben könne, die Direction der naturforschenden Gesellschaft hiermit zu beauftragen. Diese willigte ein aus Ispäter zu entwickelnden Gründen. Es ward diesem gemäß eine Vollmacht bei der Hvpothekenbuchführung deponirt. Wie es scheint durch ein Mißverständniß, ward bei der bereits erfolgten Abwesenheit des Sohnes, der Jnsatz auf den Vater eingeschrieben. Niemand kannte diesen Umstand, bis zur letzten Zeit, wo die Hypothek umgeschrieben werden sollte. Mittlerweile hat Herr Dr. Cretzschmar die Zinsen erhoben und bis zum Tode des Vaters von Mohrhardt, dem Vater behändiget, später aber, größtenthcils nach dem Verfügen des Sohnes, für denselben verwendet.

Daß die naturforschende Gesellschaft sich in diese Verwaltung einließ, beruhte darauf, daß Mohrhardt der Sohn einen großen Brief Herrn Dr. Cretzschmar behändigtc mit der Versicherung, daß darin auf seinen Todesfall eine Schenkungsurkunde enthalten sey. Sie war versiegelt; Herr Dr. Cretzschmar hatte versprochen, solche nicht zu eröffnen bis nach Mohrhardt's Tode. Besitzveränderung, Mangel an Nachricht von Mohrharvt, nöthigte das versiegelte Paquet zu eröffnen. Das vor uns liegende Dokument, eigenhändig geschrieben und besiegelt von Mohrhardt, würde in Frankreich vielleicht als eine olographischc letztwillige Verfügung angesehen werden, bei uns fehlen die Requisite eines gültigen Testaments. Wir dürfen indessen bei unserer väterlichen Regierung hoffen, daß sie die

formellen Fehler übersehen uud die Intentionen des Schenkers und der Beschenkten eine wissenschaftliche Stiftung nicht aus

dem Auge verlieren und seiner Zeit, wenn Mohrhardt's Tod actenmäßig nachgcwiesen oder derselbe mit der Reihe der Jahre als

verichollen zu betrachten ist, der naturhistorischen Gesellschaft Capital und Zinsen zusprcchen werde. So war die Gesellschaft zu

dieser Verwaltung gekommen, und so wird sie auch solche fortzuführen haben. So lange einer der Mohrhardte lebte, hatte sie wenig Interesse daran, indem Mohrhardt der Sohn über den Ertrag des Kapitals theils verfügt hatte, theils weitere Verfügung sich Vorbe­halten hatte. Einnahme und Ausgabe blieb dem vom Disponenten durch Korrespondenz instruirten Herrn Dr. Cretzschmar überlassen. Jetzt aber, wo der alle Mohrhardt todt und der Sohn schwerlich mehr am Leben ist, indem seit neun Jahren keine Briefe oder sonstige Lebenszeichen von ihm eingetroffen sind jetzt wird die Gesellschaft diese Verwaltung unmittelbar durch ihren Cassirer verwalten lassen, und es ist nothwendig, daß die geeigneten Schritte geschehen zur Einziehung der deponirten rückständigen Interessen von 1837 und ferner. Dadurch, daß Herr Dr. Cretzschmar bona fide die Einnahme und Ausgabe allein besorgte, bildete sich ein Verhältuiß eigner Art, das zwar nicht streng und buchstäblich gesetzlich, dafür aber desto humaner und gewiß ganz im Geiste des eigentlichen Disponenten war. Herr Dr. Cretzschmar gerieth nämlich sehr bald in einen Vorschuß an den alten Mohrhardt. Doch wir wollen von der historischen Beleuchtung zur Kritik der aufgestellten Rechnung selbst übergehen.

Dieselbe beträgt:

1) in Einnahme und Ausgabe fl. 819 und ist demnach mit der in Herrn Dr. Rüppcll's Beschwcrdeschrist aufgeführten Summe vollkommen gleichlautend.

2) Die Ausgabe bringt als ersten Posten 8'/z Jahren Interessen mit fl. 382. 20 kr. in Rechnung, die jedesmal an den alten Mohrhardt, sogleich nach Empfang, verabfolgt wurden. Die letzte Quittung ist vom 15. Januar 1827 und quittirt über die Zinsen bis zum 4. Juni 1827, den Mohrhardt freilich nicht erlebte, da er am 4. Februar starb.

Alle diese Quittungen tragen den Stempel der Aechtheit, in Gleichförmigkeit der Unterschrift und andercu Umständen an sich, so daß sie als vollkommene Urkunden zu betrachten sind.

3) Aber wenn hier in der letzten Quittung ein anricipando stattfand, so zeigt sich dieses auch in einer weiteren Quittung vom 1. Juni 1824 über fl. 63, die Mohrhardt nach und nach von Herrn Dr. Cretzschmar erhalten, und von seinen halbjährigen Einnahms-Raten, die durch Herrn Dr. Cretzschmar's Hände gingen, zu tilgen versprach. Daß hierzu nie Zeit war, versteht sich von selbst.

4) Außerdem hat Herr Dr. Cretzschmar noch fl. 28 nach und nach vorgeschossen, über die er keinen Beleg hat.

Wer so gutmüthig war, einem alten bedürftigen Mann in den Jahren 1819 1824 nach und nach fl. 63 vorzuschießen, der

hat auch in späteren Zeiten die Hand nicht von demselben abgezogen und in sofern sind auch diese fl. 28 unserm Dafürhalten nach,

wenn auch nicht materiell, so doch moralisch als wirklicher Vorschuß gerechtfertigt.

Aber war Herr Dr. Cretzschmar hierzu berechtigt, gegenüber dem Sohne, gegenüber der Gesellschaft? Streng genommen gewiß nicht; aber so lange der Sohn lebte und ob dieser wirklich todt sey, ist noch sehr in Frage zu stellen war Herr Dr. Cretzschmar nur diesem materiell über die Zinsenverwendung Rechnung schuldig, und Mohrhardt war so mit jenem zufrieden, daß er ihm in einem Briefe vom 16. März 1831, der alle Zeichen der Aechtheit an sich trägt und den Herr Dr. Cretzschmar gleischfalls zu den Acten gegeben, nicht nur dankt, sondern denselben auch ersucht, sich für seine ärztlichen Bemühungen und Auslagen, etwa an Medicamenten, aus dem Zinsenertrag bezahlt zu machen. Er ersucht ihn nun ferner, ihm ein anatomisches und chirurgisches Besteck, ein Dutzend Bruchbänder und Bücher zu senden. Die Auslagen für diese Gegenstände bilden den andern Theil der Ausgaben. Herr Dr. Cretzschmar übersandte die Originalquittungen an Mohrhardt mit, hat sich aber nun neue quittirte Rechnungen (Duplicate) über

alle Gegenstände geben lassen, die von uns gleichfalls geprüft und richtig gefunden wurden. Nur über die Bruchbänder konnte kein

neuer Beleg herbeigcscbafft werden, weil Retzler längst todt ist. Hier ist aber auch eine solche am wenigsten nöthig, indem die Bestellung auf 12 Stück lautete und die Preiße Retzler's allen Aerzten hinlänglich bekannt sind.

Mit den Büchern hatte es folgendes Bewandtniß. Mohrhardt verlangte die zurückgelassencn Lcricons, von Scheller und Dillenius, die aber begreiflicherweise nicht mehr vorhanden waren. Herr Dr. Cretzschmar kaufte also ein neues lateinisches und griechisches Lericon und sandte dem seit seiner Ankunft in Brasilien als Arzt practizircnden Freunde bei dieser Gelegenheit die ihm früher vorgeschlagenen und in seiner Stellung als nöthig erachteten Handbücher der Therapie, der Chirurgie und des Accouchemcnts in den Werken von Haase, Chelius und Siebold.

Was wir uns aus eigenem Antriebe nicht erlaubt hätten, haben wir auf Verlangen des Herrn Dr. Cretzschmar gethan. Wir haben den Herrn Dr. Mappes und Herrn Klecsmann zu uns erbeten und durch deren Aussagen erfahren, daß die Zinkkasten bei dem Spengler Braun nicht nur angcschafft, sondern auch die mehrerwähnten Gegenstände von Instrumenten und Büchern im Museo selbst eingepackt und verlöthet wurden.

Aus Vorstehendem erhellet:

A) daß eS lebhaft zu bedauern ist, daß Herr Dr. Cretzschmar nicht im Jahre 1834 oder spätestens im Jahre 1837 die vorgelegtc