Sowie die Hausmaus den Menschen in die entlegensten Hochgebirgshütten begleitet/ so wird sie auch kaum auf irgend einem Gebiet der Erde vermißt, jedoch scheint sie die Grönländerhütten noch nicht erreicht zu haben. Da­gegen erfreut sich Grönland der Ratten, die 1890 in Süd- Grönland eingeschleppt wurden und sich dort stark ver­mehrt ha>ben. Beide Rattenarten, die Hausratte wie die Wanderratte, sind eigentlich bei uns nicht heimatbercchtigt. Die Hausratte stammt wahrscheinlich aus Persien, war int 13. Jahrhundert in Deutschland schon allgemein ver­breitet, folgte dem Menschen überall hin, ini Norden bis über den 62.°. Die Wanderratte erschien erst zu Anfang des 18. Jahrhunderts im fernen Osten, hat dann aber bald die ganze Welt erobert, Lappland bis etwa 66° und neuerdings auch Grönland.

Von jagdbaren Tieren reichen Damhirsch und Reh bis Südschweden und Norwegen, sowie England. Der Edelhirsch zieht etwas weiter nördlich, in Europa bis 65°, in Asien bis 55°. Jinland hat keine der drei Hirscharten, dafür aber den Elch. Dieser zählt bekannt­lich in den östlichen Oberförstereien Preußens auch noch zu den deutschen Hirscharten und erfreut sich des Schutzes der Negierung.

Alle von vegetabilischer Nahrung abhängigen Tiere finden ihre nördliche Begrenzung mehr oder weniger durch die Nordgrenze des Waldes. Die Einwanderung in die nördlichen Gebiete ist erst nach der Eiszeit erfolgt und so erklärt es sich auch, daß isolierte Inseln wie z. B. Spitz­bergen, Island usw., von manchen Tieren nicht erreicht wurden. Als besondere Anpassung an das Klima ist die weiße Farbe und der dichte Pelz zu nennen. Das Her­melin, das in Italien das ganze Jahr über dunkel bleibt, in unseren Breiten im Winter einen weißen Pelz hat, ist im hohen Norden das ganze Jahr über weiß gefärbt. Der Schneehase, der in Irland und Schottland fein dunkles Sommerkleid mit einem weißen Winterkleid vertauscht, ist in der Arktis das ganze Jahr über weiß. Das Rentier bleibt in den Wäldern Amerikas dunkel, hat aber in der Arktis einen Winterpelz von langen weißen Haaren. Die weiße Farbe ist zweifellos im Kampf mit der arktischen Natur und im Wettstreit mit den übrigen Arten er­worben.

> Bon den Vögeln sind die Möven, Lummen, Gänse, Enten, kurz alles was vom Meere oder vom Raube lebt, in ihrer Verbreitung unbegrenzt, da das Meer bis zum höchsten Norden überall reichlich Nahrung bietet. Nansen traf auf seiner Eiswanderung Vögel noch nördlich des 85.° und konstatierte zwischen 84° und 85° noch 9 Vogel­arten. In Franz Josefsland sind bisher 28 Arten be­obachtet worden, in Spitzbergen 50, in Grönland 151. Die Schneeammer geht als Brnwogel wohl am weitesten nördlich, I e i l d e n fand ein Nest mit Eiern auf' 82° 33' und dieFram"-Leute beobachteten die Schnceammer mehrfach nördlich 84°. In Deutschland fehlen folgende 8 Arten der Umgebung einer ländlichen Ansiedelung Eaum irgendwo als Brutvögel: Schleiereule, Rauchschwalbe, Hausschwalbe, Jliegenschnepper, Elster, Sperling, Gold­ammer und Zaunkönig. Von diesen verläßt die Schleier­eule den Menschen schon im südlichen Skandinavien; Gold­ammer und Zaunkönig gehen etwa bis zum Polarkreis, mit, alle anderen folgen dem Menschen bis znr Eismeer-' küste. Der Sperling, der in Zentraleuropa nur in den hochgelegenen Walddörfern ohne Körnerbau fehlt, brütet sicher noch bis zum 68.°, und kommt darüber noch als j Jrrgast vor. Auf Island ist er noch nie gesimdcn wor-! len, in Südgrönland tmrrde er eingeföhrt.

Von unseren Krähenarten ist die SaaÄrähe im nördlichen Schweden und in Jinland schon ein seltener Jrrgast, die Nebelkrähe, die unsere Breiten nur im Winter aufsucht, nistet im nördlichen Europa selbst in Lappland' überall. Der in Deutschland selten gewordene Kolkrabe' ist in Norwegen und Lappland überall als Brutvogel zu. treffen, selbst in Grönland noch, Feilden fand ihn so-' gar am Kap Lupton auf 81° 44' brütend. Von anderen bekannten Vögeln sei nech der Swrch erwähnt, der nicht weit nördlich geht, denn in England und Irland brütet er nicht mehr. Den meisten insektenfressenden' Vögeln zieht nicht die illahrung die Verbreitungsgrenze, sondern der zu kurze Sommer, der fiir die Erledigung des Brut­geschäftes nicht ausreicht.

j Auch Kriechtiere und Lurche dringen bis zum ! hohen Norden vor, wenn es auch keine eigentlichen arkti- scheu Arten gibt. Alle gehören zu Gattungen, die in deni betreffenden Kontinenten verbreitet und artenreich sind. Anpassungen an das arktische Klima fehlen. Der Gras­frosch und die Waldeidechse sind bis zum ?1.° zu finden, beide repräsentieren gleichzeitig die nördlichsten Reptilien und Batrachier der Erde. Der Moorfrosch geht noch' bis 70°, die Kreuzotter hört bei 67° auf und die Ringel­natter unter dem Polarkreis. Auffällig ist, daß diese nördlichsten Arten auch die größte vertikale Verbreitung haben und in den Wpeu bis zu 3000 Meter Höhe vor- kommen. In allen drei Weltteilen sind nördlich des 60. Grades im ganzen nur 6 Reptilien und 10 Batrachierarten zu finden. Europa ist bevorzugt, denn es hat allein & \Reptilien und 5 Batrachier über dem 60.°. In Amerika ' überschreitet dagegen kein einziges Reptil und nur drei' Batrachier de» 60.°. Das arktische Klinw reicht in Amerika und Asien viel weiter nach Süden als in Europa, wo der Golfstrom die Existenz der Arten nördlich des 60.° ermöglicht.

Von den Fischen haben diejenigen Arten, die Süß, und Salzwasser vertragen können natürlich die weiteste Verbreitung, der Aal, der Lachs und der Stichlirtz bis' Grönland und Spitzbergen. Von Süßwasserfischen z. B. werden Hecht imd Barsch auch noch in Lappland und auf der amerikanischen Seite in Neuschottland geangelt.

Unter den wirbellosen Tieren fanden die Gliederkiere, namentlich die Insekten eine eingehende Be­sprechung, weil sie als Nahrung für Scmgetiere und Vögel des hohen Nordens wichtig sind. Die blumenbe­suchenden Insekten, wie Schmetterlinge, Menen und Hummeln, nehmen nach den Polen hin mit dem Schwin­den der Blütenpflanzen rasch ab. Die schmarotzenden odev von Abfällen und dem Raube lebenden, wie Mücken, Flie­gen und Spinnen, finden natürlich auch im kalten Klima noch ihre Existenzbedingungen. Im arktischen Norwegen' leben im ganzen 425 Arten Schmetterlinge, unter dem 70.° aber nur »noch 219, in Grönland 43 und in Spitz» bergen nur noch eine Art. Die nördlichsten Schmettert linge der Welt wurden auf 82° 45' gefangen. Bon Fliegen sind dagegen auf Grönland noch 55 Arten bekannte Spinnen wurden. bis 82° 33' gesehen, znr arktischen' Fauna gehören im ganzen 443 Arten. Von den Plage­geistern des Menschen sind die Mücken in Lapplaüd, im Innern Labradors und selbst in Grönland so häufig uns' lästig, daß nmn in den kurzen Sommerwochen Dag und Nacht nicht ohne Schutzschleier existieren kann. Läuse sind schon lange aus Grönland bekannt, die Bettwanze wurde erst 1891 in Grönland konstatiert, dagegen fft der Men- schensloh dort noch unbekannt. Die Küchenschaben haben sich den ganzen Nordes Europas bis zur Eis'me ertaste erobert.

Reich ist im ganzen Norden selbst aus den arktischen Inseln die mikroskopische Fauna des süßen Was-- fers. Von kleinen Krebsen, Rädertieren und Urtieren' troffen wir die meisten, uns aus unseren einheimischen Teichen bekannten Arten noch in den Schmelzwasser tüm- peln von Grönland und Spitzbergen. Das ist nicht weites auffällig, da die Temperatur dieser Tümpel unter der! strahlenden Sonne bis ans 15° Cel. steigen kann und da die Keime imd Eier aller dieser Tiere einfrieren und ein­trocknen können, und in den Vögeln, an deren Füßen st«! mit dem Schlamm hängen bleiben, ein weites Verbrei-. tungsmittel haben. Von den Süßwasserschwämmen sind' im südlichen Finland von den 5 deutschen Arten noch P häufig, 2 Arten finden sich sogar noch an der Murmvn- küste. Der bekannte Süßwafferpolyp Hydra tritt in' Grönland noch massenhaft auf.

Wenn auch die Zahl der Tierarten nach Norden hin erheblich abnünmt, so ist andererseits doch durch die zahl­reichen Expeditionen der letzten Jahre reiches Leben bis in die höchsten Breiten konstatiert worden und wir dür­fen mit Sicherheit annehmen, daß auch die Gebiete um- den Nordpol selbst noch Lebewesen aus den verschiedenstem Gruppen aufweisen und daß völlig tier° und Pflanzenkost Gebiete auf der nördlichen Erdhälfte nicht vorhanden sind.!