Sehr verschiedenartig ist das Winter st adiuw unserer kleinen Lebewelt im Walde.
Von den forstlich schädlichen Schmetterlingen überwintert die gefürchtete Nonne (Liparis monaeha) als E i. Ebenso die durch ihre Gifthaare lästigen Eichen- und Kiefernprozessionsspinner (Cnetocampa processionea und pinivora), sowie Schwammspinner (Liparis di spar), Ringelspinner (Gastropacha neustria) und die Frostspanner (Hibernia defoliaria, Oheimatobia brumata und boreata).
Als Raupe überwintert der sehr schädliche Kiefernspinnei (Gastropacha pini), der Harzgallenwickler (Tortrix resi- nana), der Weidenholzbohrer (Cossus ligniperda) und die als Sackträgerin bekannte Lärchenminiermotte (Goleo- phora laricella).
Im Puppenstadium befinden sich der Kiefern- schwänner (Lphinx pinastri), die Forleule (Rrachea pini- pcrda), der Kiefernspanner (Fidonia piniaria), der Bür- * stenspinner (Rotschwanz) (Dasychira pudibunda), der Eichen Wickler (Tortrix yiridana), sowie der Mondvogel (Pvgaera bucephala).
Unter den Blattwespen finden wir die erste Generation von Lophyrus pini als Larve im töunchenartigen Cocon, die zweite als Puppe.
Von den überaus zahlreichen forstlich wichtigen Käfern, die in einfacher, doppelter, einjähriger, zwei- bis fünfjähriger Generation Vorkommen, überwintern als imago die, Blattkäfer (Chrysomeliden) und die meisten Boftrychiden (Borkenkäfer), wie Hylesinus rnicans, .Hylesinus pini- perda (WaLgärtner). Von den wurzelbrütenden Hyle- sinen (ater, attenuatus, augustatus, ligniperda), die in doppelter Generation auftreten, überwintern Käfer und, Larve gleichzeitig. Auch bei dem großen, braunen Rüsselkäfer (Hylobius abietis) finden wir, entsprechend seiner zwei Jahre dauernden Entwicklung, im Winter Käferlarve, Käfer-Vater und -Sohn. Melolontha (Maikäfer), der sich bekanntlich in 3—5 Jahren entwickelt, kommt auch als Larve und Puppe vor.
Die genaue Kenntnis der einzelnen Stadien dieser Schäd- , linge ist nicht nur für Sammler und Forscher, sondern auch für den Forstmann von großer Wichtigkeit, da er seine Vorbeugungs- und Vertilgungsmaßregeln auf Grund derselben namentlich im Winter anordnen. muß.
Von den gefiederten Waldbewohnern ha- ben uns die Zugvögel verlaffen. Die heimisch bleibenden haben zum besseren Schutze ein dem Landschaftsbild mehr entsprechendes graues und weißes Kleid angelegt, wie Buchfink, Goldammer, Sperling; während sich Meise, Baumläufer, Zaunkönig und Häher mehr durch das Dickicht schiitzen. Nur der heißer krächzende Galgenvogel hebt sich in seinem Trauerkleide schroff vom Leichentuche der Natur ab. Der Gesang ist verstummt; Selbsterhaltungstrieb ist die Hauptsache. Und um bei uns den Nahrungsmangel zu heben, in südlichen Ländern dagegen die üppige Fülle zu verringern, hat die Natur selbst die Zugvögel in die Fremde geschickt.
Auch unser Wild hat ein wärmeres Kleid mit längeren Haaren und einer der Natur mehr angepaßten Farbe bekonimen. Hirsch und Reh haben ihr Gehörn abgeworfen. Auch der Balg von Hase und Raubzeug (Fuchs, Marder, Iltis, Wiesel) hat sich verdichtet und befestigt und schützt gegen Winterkälte. Nur der Mangel an Aesung macht sich namentlich bei hohem Schnee bemerkbar; schwächere Stücke gehen ein; ein kräftiger Schlag wird gezeitigt.
! Meister Grimbart allein hat sich in seinem Bau ein fettes | Bäuchlein angemästet und schläft dort den Schlaf des Ge- ! rechten.
^ Doch nun zum edelsten Teil der Schöpfung, zum Menschen! Des Jägers Welt besteht in Wald und Winter^ Wild und Wei dwerk. Der Jagd Hochsaison ist der Winter. Der weiße Pfad, der dem Jäger pürschen und spüren hilft, ist der beste Leithund.
Der Forstmann aber muß neben der Büchse auch Ziffer, Zollstock und Kluppe führen. Die Vegetationsruhe, die bessere Verwertbarkeit von Nutz- und Brennhölzern, der bessere Holztransport bei Schnee, die Verfügbarkeit von Arbeitskräften und anderes wirken bestimmend für die winterliche Holzfällung. So bringt der Wald dem Besitzer ein gut Stück Geld ein und ernährt viele Tausende von Menschen in der beschäftigungslosen, kalten Jahreszeit.
Der der Ruhe bedürftige Mensch aber findet, fern vom (Dunste qualmender Fabrikschlote, fern vom Getümmel bastenden, nervenzerstörenden Verkehrs, in ozonreicher, (keimfreier Luft, in heiliger Waldesstille, was er sucht, E r- iholung und Seelenfrieden.
Denn gerade im friedlichen Schweigen der Winterpracht des Waldes stört ihn kein profanes Geräusch. Sein Geist befreit sich dort jeglichen Druckes; und nur voller Begeiste- >rung schaut er die Natur in ihrem lveislichen Wirken, wie sie alles erhält, neues Leben vorbereitet und — wie sie Zur Herstellung des notwendigen Gleichgewichts hinwieder für Verzehrung und Zerstörung ihrer eigenen Schöpfung sorgt.
In seinein Schlußwort dankt der Vorsitzende dem Redner für seinen interessante, von den zahlreichen Zuhörern mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Vortrag und teilt mit, !mß auch am nächsten Sa m stag, den 12. März, eine im Programm der Winterveranftaltungen nicht vorgesehene wissenschaftliche Sitzung statlfinden wird. In (derselben wird Freiherr Dr. Stromer- von Rei» Ichenbach aus München über den Verlauf seiner paläon- tvlogischen Forschungsreise nach dem Natrontal in iUnteregypten und nach der Libyschen Wüste unter Vorführung von Lichtbildern berichten.
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Irankfmier
r» Sonntag den 13.
19041
XV. Wissenschaftliche Sitzung Äer SeuckenbeLstischeu Naturforfchenden Gesellschaft.
Frankfurt a. M-, den 12. März 1904.
Vorsitzender: Dr. med. August Knoblauch.
Mit warmen Worten begrüßt der Vorsitzende Freiherrn Dr. S t r o m e r - v o n R e i ch e n b a ch, welcher vor kurzem von seiner paläontologischen Forschungsreise nach Unterägypten zurückgekehrt ist.
Dr. S t r o m e r hat bereits vor ztvei Jahren an einer von der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften ausgesandten Expedition nach der gleichen Gegend teilgenommen. Es war also selbstverständlich, daß ihm die Leitung der von der Semkenbergischen Gesellschaft ausgerüsteten Expedüion übertragen wurde.
Der Vorsitzende bedauert lebhaft, daß Herr Albert von Rei nach, welcher durch Schenkung reicher Mittel diese Forschungsreise ermöglicht hat, zur Zeit aus Gesundheitsrücksichten von Frankfurt abwesend ist, und hofft, daß derselbe bald vollständig genesen zurückkehren möge, uni selbst die Bearbeitung des reichen Materials an fossilen Schildkröten, die Dr. Stromer mitgebracht hat, Übernehmen zu können.
); Hierauf hielt Dr. Ernst S t r o m e r - v o n R e i ch e n- kbach, Privatdozent der Paläontologie und Geologie an der Universität München, seinen Vortag über
eine geologische Forschungsreise in die Libysche Wüste.
Er war im Aufträge und auf Kosten der Sencken- b exgis ch e n N a t u r f o r,s ch e n d £n _ Jä_e f e II { <f) a f_t_ vom November 1903 bis zum Februar b. Js. in Aegypten und unternahm von Kairo als Standquartier außer kleinen Ausflügen zu dem benachbarten Ost- und Westrand des Niltales einige mehrwöchentliche Touren in den nordöstlichen Teil der libyschen Wüste; in das Uadi N a t r u n, Uadi F a r e g h und in die F a j u m - Oase und deren Umgebung.
Wind und Wetter und die zwar gutmütigen, aber unzuverlässigen und habgierigen Eingeborenen bereiteten ihm manche Schwierigkeiten, dafür fand er bei den Europäern viel Entgegenkommen und hatte in einem deutschen Naturaliensammler eine vorzügliche Hülfskraft.
Seine Hauptaufgabe war, versteinerte Reste von Wirbeltieren zu sammeln, die vom Mitteleocän (Alttertiär) an in Aegypten häufig find. Doch machte er natürlich auch geographische und geologische Beobachtungen und sammelte Gesteinsproben und viele versteinerte Reste von wirbellosen Tieren (Kgrallen, Schnecken, Muscheln, Seeigeln und Krebsen) und Pflanzen (verkieselte Hölzer und Blattabdrücke).
Die geologische Geschichte Aegyptens vom Mitteleocän an ist vor allem dadurch charakterisier,> aß
ein im Süden gelegenes Festland H “
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<jüngstes Tertiär) jedoch b'ldetm pch ms lg ^ ^ten brachen die Grabensenkuugen des Niltales un Meeres, in welche das Meer emdrang. Erst m