Die gewaltigen Aufgaben, welche an eine naturforschendel Gesellschaft herantreten, wenn sie ihren wissenschaftlich«» Zwecken gerecht werden will, steigern sich von Jahr M Jahr und begreiflicherweise reichen die seither vorhandenen! Arbeitskräfte des Museums zur Erledigung dieser Aufgaben nicht mehr aus. Deshalb hat die Gesellschaft bereits iuz August 1903 einen zweiten Handwerker angestellh und für das laufende Jahr die Anstellung eines wissen-! schaftlichen Assistenten, einer Suteau = @w hülfin, sowie eines weiteren Lehrlings in Aussicht! genommen. Um ihren Beamten eine Stellung zu verschaffen, welche derjenigen an den Staatsmuseen entspricht, hat, die Gesellschaft otti 9. Dezember 1903 ein Gehaltsregulativ für ihre Beamten beschlossen, nachdem bch reiis im vorvcrgangenen Jahr die P e n s ion s or d nu ng derselben endgültig geregelt worden war- Der Vorsitzende gab nunmehr den Bericht der Revisions-Kommission bekannt, wonach diese die bei' der Frankfurter Bank deponierten Wertpapiere und Hypo, theken der Gesellschaft, ferner die Bücher und Belege ge>i brüst uird richtig befunden hat. Die Gesamt-Einnahmen und ^Ausgaben des Jahres 1903 gleichen sich mit den: Betrage Von 190 371.93 Mark aus, gegen einen Voranschlag von 64 652.45 Mark. Die Unterschiede zwischen beiden Beträgen sind in der aufgelegten Aufstellung des Kassierers erläutert, !
Die Generalversammlung genehmigte die Rechnungs^ chblaze von 1903 und erteilte gemäß dem Antrag der Revisions-Kommission dein ersten Kassierer A. Andrenc* von Grunelius Entlastung und sprach demselben für ibic gewissenhafte und sorgsame Wallung seines Amtes den Dank der Gesellschaft aus. Ferner genehmigte die Generalversammlung den Voranschlag für 1904, der in Einnahmen und Ausgaben mit 59 203.74 Mark balanciert.
Nach dem Dienstalter scheiden aus der Revisions-Kommission die Herren Richard Nestle und Julius Scharsf aus. An ihre Stelle wurden die Herren Moritz von Metzler und Charles A. Scharsf gewühlt. Vorsitzender der Revisions-Kommission für das Jahr 1904 ist Herr Wilhelm R o h m e r.
Mit dem W'-msch, daß das warme Interesse der Frankfurter Bürgerschaft an den Bestrebungen der Senckenbergi- schen Naturforschenden Gesellschaft, ivelches int vergangenen Jahre durch den a u ß c r ge w ö h n l i ch großen M i t- gliederzuwachs, durch hochherzige Schenkungen und die gesteigerte Frequenz des Museums, der wissenschaftlichen Sitzungen und der Vorlesungen zutage getreten ist, auch in Zukunft nicht erkalten werde,,und mit der Bitte an die zahlreich erschienenen Mllglieder, dieses wohlwol. lende Interesse in immer weitere Kreise der Frankfurter Bürgerschaft zu tragcn , schließt der Vorsitzende die ordentliche Generalversammlung
1904
frankfurter Nachrichten, Sonntag dm 6. Mar;
i
'I
XIV. Wissenschaftliche Sitzung der Seuckenbergischen Natursorschenden Gesellschaft.
Frankfurt a. M., den 5. März 1904. Vorsitzender: Dr. med. August Knoblauch. Oberförster O. I l e ck spricht über das anziehende Thema
„Der Wald im Winter."
Wehmütig, fast klagend in Wort und Melodei, klingt! es Dichters Lied aus, wenn es den Winter besingt, der die' katur ihres schönsten Schmuckes beraubt und die Gefilde mithin mit einem Leichentuche bedeckt, der alles Lebende erdorren tind erstarren läßt, oder in todähnlichen Schlaf rrsenkt und inmitten vo>: Eis und Schnee als gestrenger perr sein Regiment führt.
’ Und doch ist der Wechsel der Jahreszeiten durch die Neigung der Erdachse gegen den Aequawr in Verbindung nit der Ekliptik und die hierdurch hervorgerusene, zeitlich verschiedenartige Erwärmung und Beleuchtung einer Erd- gegcnd durch die Sonne naturgesetzlich bestimmt. Winter muß sein; ob er sich nun als Kälte Winter wie in unserer Zone äußert, oder ob Regenzeit und Dürre- Periode einander ablösen.
Den Winter hat sich aber die Natur als Helfer auser-1 koren, um dem allzu üppigen Gedeihen Einhalt zu gebieten, den Kampf ums Dasein abzukürzen und Unvollkommenes zu vernichten, und um stets im Werden und Vergehen ein gewisses Gleichgewicht zu bewahren.
Der Wald im Winter aber zeugt so recht von dieser erhallenden und zerstörenden Naturkrast.
Unsere Laubhölzer haben sich durch Uulivandlung des Chlorophylls in Tanthophyll und Ansammlung von Pigmenten im Zellsaft verfärbt und verlieren durch Zellenschwellung am Blattstielgrunde, bisweilen unter Mitwirkung von Eiskrystallen innerhalb der Trennungsschicht, ihr Laub. Die Kohlensäureassimilation hat infolgedessen aufgehört ; ebenso die Saftleitung im Holzteil der Gefäßbündel infolge der Temperaturerniedrigung. Im Holzparenchym haben sich Vorräte an Stärke, die Reservestoffe, angesammelt, welche nach Beendigung der Saftruhe den neu zu bildenden Organen zugeführt werden- Zunt Teil sind letztere schon sichtbar (Blatt- und Blütenknospen), oder ausgebildet (Kätzchen von Erle, Birke, Aspe, Hasel, Weide).
Die Nadelhölzer behalten, abgesehen von Lärche, Sumpfzypresse u. a., ihre gegeit Wintcrkälle geschützten, dick- zelligen, harzreichen Afsimilationsorgane imd entledigen sich nur periodisch der ältesten Nadeljahrgänge. Tentperatur» erniedrigung und geringe Lichtintensität lassen aber trotz- ! dem eine Assimilation nicht zu. j
Auch die S träucher verlieren chr Laub im Winter und perennierende Kräuter und Gräser verdorren über dem i Wurzelstock. Eine Ausnahme hiervon machen die winter- grünen und immergrünen Gewächse, bei welchen ein allmählicher Ersatz stattfindet, zum Beispiel lÜAustrura vulgare, Kubas fruticosus, Hedera hei ix, Spartium scoparium, Vaccinium vitis idaea, Ledum palustre, Pirola, Vinca u. a.
Durch den Verlust abfallender Organe führt aber der 'Baum dem Boden Ersatz für entzogene Kräfte wieder zu. Das in chemischer und physikalischer Beziehung so nützliche Produkt dieser Abfallstoffe, die hum ose Bodendecke, wirkt besonders mildernd auf die dem Boden ungünstigen Extreme der Temperatur. Der Bodenfrost ist aber ein Hauptfaktor des Verwitterungsprozesses, indem die mechanische Kraft des gefrierenden Wassers auf Gesteine zertrümmernd wirckt, das Porenvolumen der Bodenschichten vergrößert, die Bodenaufschließung begünstigt.
Schädlich wirkt der Frost als „Barfrost" dadurch, daß auf unbedeckten Böden die Eiskrystalle junge Pflänzchen aus dem Boden emporheben und infolge raschen Auftauens am Zurücksinken hindern.
Der eigentliche Winterfrost schadet unseren Waldbäumen in ihrer Vegetationsruhe wenig, da alle angedeuteten Neu- bildtmgen nach Bedarf geschützt sind. Nur „Frühfröste" zerstören unverholzte Triebe (Johannistriebe und Stock- ausschläge) wie bei Kadinlu, Juglans, Ailanthus.
Radial verlaufende „Frostrisse" und „Jrostleisten", die durch Schwinden des Jmbibitionswassers aus den Zell- wänden und durch Lösung der eingetretenen Spannung entstehen, kommen bei unseren Harthölzern mit starken Markstrahlen vor.
Well nachteiliger für den Wald sind die wegen ihres winterlichen Charakters hier zu erwähnenden „Spätfröste" (Maiftöstej, die neugebildete zarte Triebe und Blüten zerstören (Tanne, Fichte, Buche, Eiche, Esche, Obstbämne). Durch plötzliche Temperaturerniedrigung unter den Gefrierpunkt tritt Wasser aus den Zellen in die Jntercellular- räume bezichungsweise in das Lumen der Blattepidermis usw- und gefriert dort, während die hydrostatische Gewebespannung (Turgoreszenz) nachläßt. Bei plötzlichem Wieder- austauen durch die Sonne kann das Wasser nicht mehr zurücktreten, die Gewebe müssen vertrocknen. Nach der neuen Theorie von Professor Dr. Molisch in Prag tritt der Gefriertod durch Zerstörung der Molekularstruktur des Protoplasmas infolge der geschilderten Wassex- entziehung ein.
Auch der Schnee wirkt wohltätig und zerstörend im Walde. Er schützt Jungwüchse, Neubildungen und Boden; er führt letzterem die sogenannte Winterfeuchtigkell zu; ist der Lieferant von Ammoniak und schwächt infolge der allmählichen Schneeschmelze im Wald die Hochwassergefahr ab. Verderblich äußert er sich durch „Schneüiruck" und ! „Schneebruch", indem er bei geringerer Kälte, zu wässerigen Flocken geballt, fest am Baum und Gezweig haftet und schließlich durch gewaltige Last namentlich Nadelhölzer zum Fallen und Brechen bringt- Aehnliche Schäden verursachen Rauhreif (Duftanhang) und Eisanhang.