Hennrag den ZI. Januar 1904

XI. Wissenschaftliche Sitzung der Senckenbergischen Natnrforschenden Gesellschaft.

Frankfurt a. M-, 3». Januar 1904 Vorsitzender: Dr. meb. Sluguft Knoblauch. Baural L. Ne he r spricht über den

Neubau der wissenschaftlichen Institute, insbesondere deZ Senckenbergischen naturhiftorijchcn Museums an der Vik­toria-Allee.

Sie sind gewohnt, in diesem Saale sich mit den Erschei-i nungen und Geschöpfen der großen ewigen Natur zu be­schäftigen.

Es mag deshalb als Anmaßung erscheinen, wenn ich Sie setzt zur Betrachtung eines Menschenwerkes einlade.

Doch hat der Werdegang und die Entwicklungsgeschichte desselben für Sie so großes Interesse, daß ich wohl auf Ihre gütige Aufmerksamkeit für dasselbe hoffen darf.

Es handelt sich ja um die Gestaltung Ihres künftigen Heinis, an der wir nun seit beinahe 5 Jahren unter fortwährend wechselnden V o r b e d i n g u n g en und V er­hol t n i s s e n a r b e i i e n- Als ich vor drei Jahren die Ehre hatte, an dieser Stelle über den Stand unserer Arbeiten zu berichten, war die Sachlage, kurz geschildert, die folgende:

Die Rücksicht auf den immer mehr zunehniendenVerkehr artt Eschenheimer Tor und die beabsichtigte Durchführung neuer Trambahnlinien durch die Stift- und. die Senckenbergstraße hatten für das Senckenbergische Gelände dir Festsetzung neuer Baufluchüuüen und damit einen ganz veränderten Bebau­ungsplan nötig gemacht.

Unser Museum sollte vorn am Eschenheimer Turm zwi­schen Ble:chstraße und Stiftstraße errichtet werden.

Auf der nordöstlichen Ecke des Grundstücks tunlichst entfernt von den Einflüssen und Erschütterungen durch die elektrische Trambahn sollte das physikalisch-chemische In­stitut erstehen, während zwischen beiden Gebäuden an der i Bleichstraße genügender Raum für einen Neubau der ! Bibliothek übrig blieb.

Ein Haupthindernis in der neuen Bauanlage bildete das im Jahre 1863 errichtete große Spitalgebäude, dessen Um­schließung von allen Seiten seine Benutzung als Spital im­mer prekärer machte.

Daher entsprang der Gedanke, den Spitalbetrieb in die Außenstadt zu verlegen und das vorhandene Gebäude durch An- und Umbauten für die Zwecke der C. Ehr. Iügel- schen Stiftung und zugleich für die Volksvorlesungen, eine Volksbibliothek mit Lesesälen und für wissenschaftliche Vereine nutzbar zu machen.

Tie Durchführung dieses ganzen Gedankens ist bekannt­lich aus finanziellen Gründen gescheites. Es lohnt sich aber, zu untersuchen, ob für unsere wissenschustlichen In­stitute nicht auch aus anderen Gründen günstigere Be­dingungen, als das stark angeschnittene Senckenbergische Gelände sie noch bieten konnte, wünschenswert waren.

Für alle projektierten Gebäude waren die beiden folgen­den Umstände gleichmäßig ungünstig:

1. die absolute Unmöglichkeit einer Vergrößerung durch Anbauten aus dem vorhandenen Gelände;

2. die Lage an zum Teil geräuschvollen und verhältnis­mäßig schmalen Verkehrsstraßen. sDie Bleichstraße soll

' eine 'Breite von 15 Meter, die Stiftstraße eine solche von 17 Meter erhalten; die gegenüberliegenden Geb'ude kön­nen mithin in der Bleichstraße 1718, in der Stiftstraße.

19 _20 Meter hoch gebaut werden, was auch teilweise schon

geschehen ist.)

Für unser Mryeum lag außerdem eine besondere Schwie.

: rigkeit in dem bedeutenden Gesälle zwischen Stist- und Bleich­straße, das vom Ende des Südflügels bis zum cntsprechen- : den Ende des Nordflügels annähernd 4 Meter, also bei- nahe die Höhe des projektierten Untergeschosses beträgt, so daß letzteres höchstens auf ein Drittel der Bleichstraßen- i front für Museumszwecke verwendbar gewesen wäre.

Die direkte Zugänglichkeit des Hofes von der Stiftstraße, aus bot die Möglichkeit der Disponierung der Hörsäle an der 'Rückseite des Hauses, deren Ausnützung anderex- seits durch die Unmöglichkeit einer Bauerweiterung nach dieser Seite bedingt war.

Ganz verschieden gestalten sich nun die Verhältnisse auf !dem n men Gelände, das für die Erbauung unserer wissen- schaftlichen Institute in Aussicht genommen ist.

Das G r n n d st ü ck liegt mit seiner Haupt. und O st- Front an der Viktoria°Allee,

südlich am Kettenhofweg, nördlich an der Jordanstraße und stößt westlich an die alte Bockenheimer Gemarkungsgrenze.

Das der Senckenbergischen Stiftung zufallende Stück von 17,000 Quadratmeter reicht allerdings nicht ganz bis an die Gemarkungsgrenze heran, doch besteht die Zusicherung, daß der im Besitz der Stadt bleibende Rest für etwaige Er­weiterung der auf dem Senckenbergischen Gelände errich­teten Bauten sreigehalten werden soll.

Die Abgrenzung ist in besonders ent­gegenkommender Weise so vereinbart, daß unser Museum seine Sammlungsräume verdoppeln kann, ehe es überhaupt die vorläufige Grenze erreicht.

Der Wunsch, womöglich vorne an der Viktoria-Allee zu liegen und andererseits die Notwendigkeit, sich die Erweite- leung nach hinten zu sichern, ergaben für die auf dem Gelände zu errichtenden Gebäude die ausgesprochene Tie­fenausdehnung von Ost nach Westen.

Das physikalisch-chemische I n st i t u t ent­wickelt sich den: Kettenhofweg entlang.

An der Jordanstraße liegt vorn das Bibliothek- gebäude, an das sich das Auditoriengebäude der I ü- gelstiftung anschließen soll.

Unser Mnseum wird die Milte der ^ Front an der Viktoria-Allee einneyme'n.

Es wird vorerst einen geräumigen inneren Hoi um­schließen, aber die Hinzufügung eines zweiten Hofes ist noch möglich unter Einhaltung des gesetzlichen Wiches, ehe die vorläufige Eigentumsgrenze erreicht wird. Durch An­kauf des Geländes bis an die Gemarkungsgrenze würde später die Erweiterung um einen dritten Hof möglich.

Der vorläufig projektierte Neubau wird ohne Anrechnung des Lichthofes das Doppelte der bisherigen Aufstellungs- Schranklängen der Sammlungsränme fassen.

Nach der Hinzufügung des dritten Hofes wird also das Museumsgebünde eine Versechsfachung des gegenwärtigen Bestandes gestatten wie gesagt ohne Bemessung der Licht­höfe, welche zusammen eine nutzbare Bodenfläche von min­destens 1500 Quadratmeter bieten werden.

Im Gegensatz zu den schmalen Straßenbreiten von 15 bis 18 Meter um das alte Gelände hat der Kettenhofweg eine Baufluchtweite von 27 Meter, die Jordanstraße von 24, die Viktoria-Allee sogar von 75 Meter.

' Die zulässige Höhe beträgt für gegenüberliegende Prioat- Gebäude überall 18 Meter, auch sind längere zusammen­hängende Gebäudefronten an der gegenüberliegenden Seite der Straße unzulässig.

Innerhalb des Geländes sind infolge unseres Bebauungs­planes die Nachbarschastsverhältnisse der projektierten Ge­bäude ebenfalls sehr günstig.

Nur einmal treten die 3 Hauptgebäude auf 15 Meter Entfernung aneinander heran, jedoch nur auf 22 Meter Frontlänge und. unter Einhaltung einer Gebäudehöhe von 17 Meter

Die durchschnittliche Entfernung beträgt 2730 Meter.

Das Bauprogramm für unser Museum, welches meiner Schilderung im Jahresbericht von 1901 zu gründe lag, hat sich unterdessen nur wenig verändert.

Immer mehr Wert wurde auf eine große Anzahl von A r b e > t s r ä u m e n für einzelne Gelehrte gelegt.

Tie Museumsröume für Geologie und M i n e r a - l o g i e mußten und konnten eine bedeutende Erweiterung erfahren.

Dagegen erwies sich für die biologische Schau­st e l l u n g aus später zu erörternden Gründen eine Ein­schränkung als zulässig, ebenso für die B o t a n i k, weil ja die Errichtung eines ganz getrennten botanischen Instituts geplant ist.

Immerhin niachten selbstverständlich die neuen Lagever­hältnisse manche grundsätzliche Aenderung der alten Dispo­sitionen erforderlich.

Am einschneidendsten erwies sich die Notwendigkeir, die H ö r s ä l e in den Borderbau an der Viktoria-Allee zu bringen, einesteils zur Bequemlichkeit des Publikums, an­dererseits um bei der Erweiterung des Museums ein für allemal unbehindert zu sein.

Mit den Hörsälcn mußten auch die zugehörige Lehr- s a m m l u n g und die G e s ch ä f t s r ä u m e der Ver­waltung nach vorne rücken, während die Räunie der Präparatoren, fiir welche zum Teil Oberlicht gewünscht