Sonntag den 1V. Januar 1904

IX. Wissenschaftliche Sitzung der SenLkeubergischeu Natnrsorscherrderr Gesellschaft.

Frankfurt a. M., 9. Januar 1904.

Vorsitzender: Dr. med. 51 u 9 uft Knoblauch.

Der Vorsitzende begrüßt die zahlreich erschienenen Mit-! glieder in der ersten Sitzung des neuen Jahres und teilt mit. daß an Stelle der mit Ende 1903 nach zweijähriger Amts­führung satzungsgeniäß aus der Direktion ausgeschiedenen Herren I)r. med. E. N ö d i g e r Und l>i'. pliil. A. Ias ° soy die Herren Stabsarzt Pros. De. med. E. Mar x als 11. Direktor und Dr. med. O. Schnaudigel als II. Sekretär für die Jahre 1904 und 1905 gewählt worden sind.

Das abgelaufene Jahr 1903 hat sich zu einem ganz b e - sonders erfolgreichen und glücklichen für die Ge.

sellschaft gestaltet. Vor allem sind die langjährigen Verhandlungen zwischen der Administration der Dr. Sendender gischen Stiftung und der Stadt- gemeinde zu einem befriedigenden Abschluß ge­kommen, so daß in den nächsten Monaten mit der A u f - führu'ng des Muse ums -Neubaus an der Viktoria-Allee begonnen werden kann. Die Pläne für den Neubau sind fertiggestellt und werden in der Sitzung vom 30. Januar von Herrn Baurat N e h e r vorgelegt und erläutert werden. Die Be­fürchtung hinsichtlich des Austritts zahlreicher Mitglieder,

I zu der das Projekt der Verlegung des Museums anfänglich Anlaß gegeben hatte, hat sich als unbegründet erwiesen. Tie 1 Zahl der ausgeschiedenen Mitglieder 4 hat sich durch- 1 aus in den Grenzen der alljährlich erfolgenden Austritte gehalten, dagegen sind im abgelaufenen Jahre 103 Mit­glieder der Gesellschaft neu beigetreten gegen 85 Mitglieder in den vorvergangenen drei Jahren 19001902 zusammen. Und dieser sehr erfreuliche Mit- gliederzuwachs hält an: denn in der ersten Woche des neuen Jahres sind schon wieder 3 Mitglieder eingetreten.

Das stetig wachsende Interesse an den Bestrebungen ter; Senckenbergischeu Naturforschenden Ge­sellschaft, welche in der Uebernahme des Protekto­rats durch die deutsche Kaiserin die aller­höchste Anerkennung gefunden haben, hat sich in dankens­werter Weise auch darin geäußert, daß einzelne Mit­glieder der Gesellschaft ihren Jahres­beitrag freiwillig auf 50 Mark, bezw. 100 Mark erhöht haben. Dieses hochherzige Beispiel wird hoffentlich weitere Nacheiferung finden! Denn nur dann können die laufenden Mittel der Gesellschaft zur Durchführung der mit der Errichtung des Neubaues not- wendig gewordenen Neuerungen Herstellung einer völlig neuen Schausammlung nach biologischen G e s i ch t s p u n k t e n, wie sie z. B. die neueren Museen jn Ältona, Bremen und Köln besitzen annähernd ausreichen, wenn ihre regelmäßigen jährlichen Einnahmen durch eine Steigerung der Mitgliederzahl und eine freiwillige Erhöhung des Jahresbeitrages seh» erheb­lich wachsen.

Voll Zuversicht ist die Gesellschaft in das neue Jahr ein­getreten, in dem freudigen Bewußtsein, daß das warme Jn»!

. teresse der Frankfurter Bürgerschaft an ihren Bestrebungen und an der naturwissenschaftlichen Forschung nicht erkalten wird.

Nach diesen Mitteilungen des Vorsitzenden hält Herr Prof. Dr. Rudolf Burckhardt aus Basel, welcher der Gesellschaft feit langen Jahren als korrespondje. r e n d e s Mitglied angehört, einen anziehenden, mit großem Beifall aufgenommenen Vortrag über Die Biologie der Griechen".

Jn der fesselnden Form der Novelle, in Bildern, deren! Unterlage die Quellen der antiken Medizin und Naturforschung, namentlich HippokrateH und Aristoteles bilden, führt der Redner einzelne Epi-j soden aus den Forschungswerkstätten der ko ischeu A e r z t e, der p e r i p a t e t i s ch e n Schule und dep alexandrinischen Anatomen vor. Die Anschau­ungen der koischen Schule über das Gehirn und seine Funk­tionen, die Verwendung des Brütens von Hühnereiern zuist Zweck, die Embryonatentwickelung zu studieren, die Kennt­nis der verschiedenen Fischarten, die Einrichtungen für wis­senschaftliche, chirurgische und Unterrichtszwecke finden, int

ersten Teil des Vortrages eine Darlegung, in welcher viel­fach hippokratische Texte zu Wort kommen. Es folgt in Form eines Besuches im Lykeion von Athen zuff Zeit des Aristoteles eine kurze Schilderung der Disi Position seiner zoologischen Schriften, der praktischen zoi> logischen Uebungen und des botanischen Gartens des! T h e 0 p h r a st. Als Quelle aber aller biologischen Be­strebungen des hellenischen Menschen und zugleich als Syniptom der hohen Lebensführung, die zur Entstehung einer biologischen Wissenschaft Vorbedingung war, schildert der Vortragende die gymnastischen Uebungen, inj denen sich Erforschung der organischen Natur und plastische! Kunst berührten.

Die einzige charakteristische Fortbildung der alexan­drinischen Biologie beruhte auf der Anatomie, jaj mit auf der durch antike Schriftsteller überlieferten Vivi-s sektion des Menschen. Der Vortragende schildert eine fingierte Szene, die er zwischen Ptolemaeus Philadelph'us und dem Anatomen HerophiluK sich abspielen läßt, und worin die Angaben des römisches Medizinhistorikers Celsus zur Verwendung kommen.

Das wichtigste Charakteristikum der antiken Biologie er-I blickt der Vortragende in der Fähigkeit der Griechen, dies denkbar natürlichsten Beziehungen zwischen sich und ihremj Forschungsobjekt entstehen zu lassen. Vom Studium der> Biologiegeschichte erwartet er auch eine Vertiefung der! Wissenschaft vom Leben, die heutzutage nur aH-| zusehr an dem gegebenen Querschnitt der Erfahrung sich! genügen lasse, anstatt die Wissenschaft selbst als einen Organismus zu erfassen, dev inach denselben Gesichtspunkten zu betrach­ten sei wie alle anderen Organismen.

In der nächsten wissenschaftlichen Sitzung, die am 23.) , Januar d. Js. stattfinden wird, spricht Herr Dr. med. K Vohsen überSprache und Naturfor-i schung".

Sonnkay dm 24. Januar 1904

X. Wissens vaftliche Srtzrnla der Senikenbergische» Naturforschenden Gesellschaft.

Frankfurt a. M.. den 23. Januar 1904. Vorsitzender SÖV. med. August Knoblauch Zunächst verkündet der Vorsitzende den Beschluß der Direktion vom letzten Samstag bezüglich der diesnialigen Erteilung des von Reinach-Preises. Ueber vier Preise verfügt die Senckenbergische Nalurfor- sch ende Gesellschaft, welche periodisch für die aus­gezeichnetsten Leistungen auf den verschiedenen Gebieten der naturwissenschaftlichen Forschung zur Verleihung kommen. Es sind der v. Sömmerring-, Tiedemann-, Stiebe!- und v. Reinach -Preis. Ter letztere, 1892 gestiftet und für hervorragende Arbeiten in der Geo­logie, Paläontologie und Mineralogie der weiteren Umge- b-ng Frankfurts bestimmt, ist in den Jahren 1593, 1895 und 1900 an die Herren Prof. F. K i n k e l i n - Frankfuri (Geologie), Prof. A. Andreae -Hildesheim (Paläonto­logie), Prof. W. S ch a u f - Frankfurt und Prof. C- Che- lins» Darmstadt (Mineralogie) verliehen worden und dies- mal wiederum für das Gebiet der Geologie ausge­schrieben gewesen. Auf Vorschlag der Preiskommission, welche aus den Herren Prof. O- Boettger -Frantfurt,| Prof. E. Kayser-Marburg und Prof. F. K i n k e l i n -! Frankfurt zusammengesetzt gewesen ist, sind diesmal z w e i j Arbeiten, welche in gleicher Meise hervorragende Bei-, träge zur Geologie der weiteren Umgebung Frankfurts lie-! fern, mit dem aus 1030 Mark bestehenden Preise, und zwar; jede mit der Hälfte desselben, gekrönt worden, die Ar­beiten der Herren:

R. Delkeskamp, Assistent am mineralogisch- geologischen Institut der Universität Gießen:Die Genesis der Thermalquellen von Ems, Wiesbaden und Kreuznach und deren Be­ziehung zu den Erzgängen des Taunus u n d d e r P f a l z".