Wir haben also hier den hochinteressanteil Fall, daß eure seßhafte Urbevölkerung mit wahrscheinlich in der jüngeren Diiuvialzeit ausgestorbenen Tieren zlisammenlebie und zwar irr einer Weise, die aus die ersten Anfänge der Haus- tierzucht schließen läßt.

Daß die Bevölkerung seßhaft lvar, wird nicht nur durch die Mächtigkeit der Knlturschicht wahrscheinlich gemacht, sondern auch durch den Umstand, daß sich in unmittelbarer Nähe des Höhlenberges szlvischen dessen Nordwestfuß und einem großen, nahegelegenen See) viele Spuren alter Feuerstätten gefunden haben, die eine langdauernde An- Wesenheit der Bewohner voraussetzen.

Zur Erläuterung des hochinteressanten Vortrags dient eine reiche S a m m l u n g von I u n d ft ü ck e n aus der Höhle, von denen einige besonders erwähnt seien. Von Grypotlieriimi Danvini liegt ein großes Fell stück mitsamt den eigentümlichen Hautknochen vor, sowie eine Schädelkapsel, mehrere Ober- und Unterkiefer und der eigenartige Nasalbogcnknochen, welcher den Nasenknochen mit dem Oberkiefer verband und von dem das Tier" seinen Namen bekommen hat, lind ferner Jochbeine, Schenkel­knochen, Wirbel, Klauen und niehrere Dungballen.

Von Oelis lästst, dem großen Raubtiere, feien erwähnt ein Schädel, vorr einem älteren Tiere herrührend, mit einer teilweise vernarbten Verwundung, ein Unterkiefer, ein Jellstück, an dem sogar die verschiedene Färbung noch gut zu erkennen ist, mehrere einzelne Knochen, einige Zähne und eine Klaue; von Onohippidium Saldiasi ein Unter­kieferstück mit Bezahnung, einzelne Zähne und Hufe.

Von besonderem Interesse sind zwei Knochenpfrie­men, die in der Dungschicht der Höhle mit anderen Spuren menschlicher Tätigkeit gefunden, unztoeifechaft auf ein zeitliches und örtliches Beisammen­sein von Mensch und Grypotherium Hin­weisen.

Eine Anzahl prachtvoller Photographien des Fjord Ultima Esperauza und der einzelnen Höhlen er­läutert außerdem den hochinteressanten Vortrag, zu wel­chem auch Prinz und Prinzessin Friedrich Karl von Hessen erschienen waren.

Sonn tag dm 20. D ezember 1HY3 ^

VIIX. Wissenschaftliche Sitzung der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft.

Frankfurt a. M., 19. Dezember 1903. Vorsitzender: Dr. med. August Knoblauch Oberlehrer Dr. P. Sack spricht über Bau- und Lebensweise der einheimischen Fliegen."

Die Fliegen oder Dipteren haben unter den Jnsekten- sammlern nur wenig Freunde gesunden. Einmal bieten sie nur wenig in die Augen fallende Formen, dann aber sind sie auch schwieriger zu behandeln, zu konservieren und zu bestimmen. Es kann deshalb auch nicht auffallend sein, wenn diese Gruppe der Insekten in Laienkreisen nur wenig bekannt ist. Tie Aufmerksamkeit des Menschen wird nur auf die 45 Arten gelenkt, die, .wie unsere Stubenfliege, direkt lästig sind. Nun haben wir aber in Deutschland'

! allein etwa 3000 Arten, die in Form und Lebensweise diesen Plagegeistern nur tvenig ähneln. Viele Arten sehen wie.

, Hummeln aus, andere ähneln Bienen oder Wespen, anders ! endlich haben die Gestalt von Wanzen oder Spinnern Neben den Fliegen, die wie unsere Stubenfliege von Flüssigkeiten der verschiedensten Art leben und deren Lar­ven in verfaulenden Pflanzenstoffen gefunden werden, gibt es solche, die sich nur von Blütensaft nähren. Hierher ge°

I hören die Syrphiden oder Schwebcsliegen und die Bombyliiden oder Wollschweber. Die Larven der letzteren sind meist Schmarotzer bei anderen Insekten. Das' ganze Heer der T a ch i n e n, die gleichfalls als geschlechts- reife Tiere Blütenbesucher sind, schmarotzt im Jugend­zustande in den Raupen der Schmetterlinge und ist mithin sehr nützlich. Diesen gegenüber sind die Biesfliegen oder, Oestriden, deren Larven im Darin oder unter dep Haut des Wildes, der Rinder und Pferde leben, äußerst! schädlich. Ter jährliche Verlust, den diese Tiere allein in, Preußen verursachen, wird auf mehrere Millionen Mark! geschätzt. Die Schmeißfliegen (Calliphora) sind meist nur als Schädlinge bekannt, weil sie oft Fleischvorräte un­brauchbar machen; im Haushalte der Natur spielen sie! aber durch Beseitigung von Aas eine sehr wichtige Rolle.! Ganze Gruppen von Fliegen endlich saugen als vollkommene! Individuen Blut, wie die Viehbremsen sTäbaniden) und, Schnaken (Culiciden), während ihre Larven strenge S8e» getaner sind.

> Non allen anderen Insekten unterscheiden sich die Fliegen, i durch den Besitz von zwei und nur zwei Flügeln- Sie 1 haben deshalb den wissenschaftlichen Namen Dipteren oder Zweiflügler erhalten. Ihre Flügel sind den Vorderflügeln der übrigen Insekten homolog, während die Hinterflügel zurückgebildet sind und die Forrn eines Trommelstockes besitzen. Das Vorhandensein dieser Schwinger läßt uns vermuten, daß die Fliegen sich aus vierflügeligen Jnsekienarten entwickelt haben. Durch den Wegfall der Hinterslügel wurde die wirksame Flügelfläche bedeutend verkleinert. Um dieses auszugleichen, müssen die Dipteren die Flügel bedeutend schneller bewegen wie die übrigen Insekten. Man hat die Schwingnngszahl aus dev Tonhöhe auf etwa 330 in der Sekunde bestimmt. Da der Verlust des Hinteren Jlügelpaares auch eine Verschiebung des Schwerpunktes zur Folge haben mußte, so ist der zweite Vrustring, der die Flügel trügt, ganz bedeutend vergrößert,' der dritte Brustring und der Hinterleib dagegen bedeutend verkürzt worden. Welche Folge eine Störung des Gleich­gewichts für den Flug der Insekten hat, erkennen wir, wen« wir eine Fliege der Schwinger berauben; sie sinkt dann kopfüber zu Boden und kann sich nicht mehr erheben. Dies geschieht aber sofort, wenn wir durch Anbringung eines kleinen Wachsstückchens auf dem Hinterleib das Gleich­gewicht Ivieder Herstellen. Da aber das Tier nicht mehr imstande ist, seine Richtung zu ändern, so müssen wir mit' Weinland annehmen, daß jede Veränderung in der Stel­lung der Schwinger eine Acnderung der Flugrichtnng zur Folge hat. Infolge Arbeitsteilung hat demnach der. Flugapparat der Dipteren eine sehr hohe Stufe der Ent­wicklung erreicht, wovon sich jeder durch Beobachtungen selbst überzeugen kann.

Die auf den Flügeln vorhandenen Adern liefern für das, Bestimmen der Zweiflügler sehr brauchbare Merkmale. Weniger ist dies mit den Mundteilcn der Fall. Diese sind bei allen Fliegen zum Saugen eingerichtet. Die fleischige Unterlippe bildet ein Halbrohr, den eigentlichen Rüssel, das I oben von der Oberlippe geschlossen wird und bei den blut- ! saugenden Arten die Stechborsten enthält. Das Aufscmgen ' der Flüssigkeit geschieht durch das Erweitern und Zusammen», ziehen des oberen Teiles der Speiseröhre. Es ist bemeckens- wert, daß vollständige Mundwerkzeuge nur bei den Dip­terenweibchen Vorkommen. Selbst bei den blutgierigen Bremsen und Stechmücken können nur die Weibchen stechen und Blnt sangen, während die Männchen sich mit Nektar begnügen müssen.

Es läßt sich vermuten, daß so gewandte Flieger wie die Dipteren auch gut entwickelte Sinnesorgange besitzen müssen. Doch sind nicht alle Sinne gleich scharf. Trotz der großen Augen, die bei den Männchen fast den ganzen Kopf einnehmen, sehen die Fliegen nicht gut. Nur Be­wegungen werden leicht wahrgenommen, was offenbar mit dem Bau der Facettenangen zusaimnenhängt. Besonders fein entwickelt ist bei vielen Arten das Gehör und der Ge­ruch. Als Sitz dieser beiden Sinne betrachtet man die Fühler. Man findet an ihnen Gruben, in denen Nerven münden. Es sind dies vermutlich die Enden der Geruchs­nerven. Man findet sie nämlich in großer Zahl bei den aasfressenden und blutsaugendcn Arten, deren Geruchs­vermögen bekanntlich sehr entwickelt ist. ' Nach den Ver­suchen von Alfred Mayer scheinen die Fühler auch die Organe des Gehörs zu sein.

Die Form der Fühler ist sehr mannigfaltig und zeigt sehr charakteristische Ilnterfchiede, die nian gleichfalls in der Systematik verwendete. Man teilte die Dipteren in Nematoceren oder Laughöruer und Brachyceren oder Kurzhörner ein. Zn den ersteren rechnete man alle Fliegen, deren Fühler mehr als drei Glieder besitzen- Die Antennen der letzteren sollten nur drei Glieder besitzen. Diese Annahme hat sich als falsch erwiesen. Man unterscheidet deshalb jetzt mit Brauer cycloraphe und orthoraphe Dipteren. Die legieren schlüpfen durch eine Längsspalte aus der Puppenhaut, während bei den ersteren die ersten Ringe der Tonnenpuppe wie ein Deckel abspringen. Zum Oeff-

nen der Tonne besitzen sie eine Stirnblase, deren Rest zeit­lebens als Quernaht auf der Stirne sichtbar bleibt. !

Eine reichhaltige Sammlung meist einheimischer Fliegen, der Vertreter der besprochenen Familien, nebst ihren Lar­ven und Puppen und eine Anzahl von Wandtafeln erläutern den interessanten Vortrag, den letzten im ablau- sendenJahre.

In der nächsten wissenschaftlichen Sitzung, welche am 9. Januar 1904 stattfindet, wird. Professor Dr. Rudolf, Burckhardt aus Basel überdie Biologie der alten Griechen" sprechen

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