!

I

i

i

i '

I i

wohnen, während die Tuberculo-Thyminsäure spezifisch gif­tiger ist als die Tuberkulinsänre. Bei weiterer Spaltung zerfällt die Thyminsäure in Phosphorsäure, in Glycerin und Kohlehydrate. Ueberdies aber entsteht hierbei eine in hexagonalen Plättchen kristallisierende Substanz, welche die Eigenschaften einer Säure und einer schwachen Base besitzt, so daß sie befähigt ist, mit Säuren kristallinische Salze, mit den Salzen der Metalle und zwar namentlich mit denen des Silbers, des Quecksilbers und beS Bleis schwer lösliche Doppelverbindungen einzugehen. Die wei­tere Spaltung dieser Substanz, welche nur aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstoff besteht, ist bisher nicht gelungen und da diese Verbindung die spezifische Re­aktion des Tuberkulins besitzt, so sind wir bei ihrer ver­hältnismäßig einfachen molekularen und chemischen Zu­sammensetzung berechtigt, sie als den denkbar einfachsten Körper anzusehen, welchem die spezifische Reaktion des Tuberkulins noch innewohnen kann. Ich legte dieser kri­stallinischen Substanz die Bezeichnung Tuberkulosin bei und bin der Ansicht, daß das Tuberkulosin in freiem Zu­stande oder eingeschlossen in ein größeres Molekül überall da vorhanden sein muß, wo die spezifische Tuberkulin-Reak­tion nachgewiesen wird. Im Kochschen Tuberkulin bei­spielsweise ist die Trägerin der spezifischen Reaktion die Tuberculo-Thyminsäiwe, welche durch das Darstellungs­verfahren des Tuberkulins aus den Tuberkelbazillen und zwar aus der Tuberkulinsäure entstanden ist. Ich habe das Tuberkulosin resp. seine komplexeren Verbindungen in Tuberkelbazillen der verschiedensten Herkunft nachge­wiesen. Es fehlle weder in menschlichen Tuberkelbazillen, noch in den Erregern der Rinder- und der Hühner-Tuber­kulose, und man wäre berechtigt, hieraus den Schluß der Artgleichheit aller Tnberkelbazillen zu ziehen.

Ich habe im vorstehenden eine eingehende Analyse des spezifischen Tuberkulose-Giftes gegeben, und es entsteht nunmehr die Frage, wie es sich denn mit dem entsprechenden Antitoxin verhält. Es gelingt tatsächlich durch Immuni­sierung von Pferden und Rindem mit den verschiedenen oben beschriebenen Präparaten Antitoxine zu erzeugen, mit welchen man die tödliche Minimaldosis für kleine Versuchs­tiere und selbst ein vielfaches derselben zu neutralisieren im stände ist. Die Leistung dieser Antitoxine aber muß im Vergleich mit der eminenten antitoxischen Kraft des Diph- therie- und des Tetanus-Heilserums als eine äußerst mini­male bezeichnet werden. Aber selbst wenn wir ein hoch­gradig wirksames Tuberkulose-Antitoxin besäßen, so würde für die therapeutische Bekämpfung der Tuberkulose hier­durch doch nur wenig gewonnen sein. Die Diphtherie, bei deren Bekämpfung die antitoxische Serumtherapie ihre größten Triumphe gefeiert hat, ist eine Erkrankung, bei welcher die Diphtheriebazillen als solche gar nicht in den erkrankten Organismus eindringen, sie siedeln sich an der Eingangspforte zum Organismus an und kommen nur hier, völlig lokalbegrenzt, zur Entwickelung. Von hier aus aber entsenden sie in den befallenen Organismus ihre verderb­lichen, tödlichen Giftstoffe, welche die Allgemeinerkrankung des Körpers veranlassen. Zerstört man die in den Körper gelangten Giftstoffe durch Einverleibung des Antitoxins und stellt auf diese Weise wieder normale Verhältnisse her, so wird der wieder gesundete Organismus über die lokal' angesiedelten Bazillen niit Leichtigkeit und ohne jedes äußere Hülfsmittel Herr werden. Bei der Tuberkulose liegen die Verhältnisse anders. Hier dringen die Bazillen tat­sächlich in den Organismus ein und setzen sich in irgend einem Organ, in welchem sie die für ihre Entwickelung günstigsten Lebensbedingungen vorfinden fest und beginnen hier langsam aber sicher ihr Zerstörungswerk. Gift- reaktionen treten zwar bei tllberkulös-Erkrankten gleichfalls auf, sie spielen aber nur eine nebensächliche Rolle. Man hat es deshalb aufgegeben, nach einem antitorischen Heil­serum gegen die Tuberkulose zu suchen und hat in neuester Zeit vielmehr sein Augenmerk darauf gerichtet, die in jedem Organismus vorhandenen natürlichen Schntzstoffe zu ver­mehren und auf diesem Wege die Ausbreitung der Tuber­kulose prophylaktisch zu bekämpfen. Von diesem Gesichts- punkte ausgehend hat v. Behring vorgeschlagen, alle ge- sunden Rinlxr durch eine einmalige Injektion vom Menschen stammender Tuberkelbazillen, welche fiir die Rinder ein abgeschwächtes Tuberkulose-Virus darstellen, gegen eine spätere Infektion zu schützen. Auf den Menschen wird dieses Verfahren aber toohl nienials anwendbar sein, da wir diesen doch nicht mit lebenden Bazillen-Kulturen be­handeln können. Wohl aber wäre es möglich, daß von den beschriebenen Substanzen, die wir aus Tuberkelbazillen in reiner Form abfcheiden können, einer oder der anderen die gleiche immunisierende Kraft innewohnt, wie den lebenden

Bazillen selbst. Sollte sich diese Hoffnung bestätigen, so würde die biologisch-chemische Untersuchung der Tuberkel­bazillen auch der therapeutischen Bekämpfung der Tuber­kulose zu gute kommen.

Montag, den 14. Dezember 1903

VII. Wissenschaftliche Sitzung der Senckenbergischen Natursorschenden Geseüschast.

Frankfurt a. M., den 12. Dezember 1903.

Vorsitzender: Dr. med. August Knoblauch.

Professor Dr. R. H a u t h a l a n s L a P l a t a (Argen­tinien) spricht über:

Tie Bedeutung der Funde in der Grypotheriumhöhle bei Ultima Esperanza (Südwestpatagonien).

Nach einigen kurzen, einleitenden Bemerkungen, welche die Geschichte der in der Höhle beim Fjord Ultima Espe­ranza gemachten Funde von Resten ausgestorbener Tiere (Grypotherium, Onohippidium usw.) betreffen, schildert der Vortragende zunächst die örtlichen Verhältnisse der Höhlen­gegend.

Eine Stunde östlich vom Fjord Ultima Esperairza erhebt sich ein isolierter Höhenzng bis zu 600 Meter Meereshöhe. An dem steilen, nach Südwesten gewandten Abhange dieses Höhenzuges befindet sich in der Höhe von 300 Metern eine Terrasse'und im Niveau dieser Terrasse sind mehrere Höhlen, nischenartig in den Berg hinein sich erstreckend. In Betracht kommen vornehmlich zwei Höhlen, von denen aber nur die größere bisher genauer durchsucht worden ist.

Diese erstreckt sich 200 Meter in den Berg hinein, ist 80 Meter breit und 3040 Meter hoch.

Das Gestein des Berges ist ein Konglomerat mit dünnen Lagen eines feineren Sandsteines. Ein aus von der Decke hcrabgefallenen Trümmern gebildeter Schuttwall teilt diese Höhle in zwei fast gleiche Räume. Der Boden des hinteren Raumes besteht aus Sand, mehr oder minder lehmig; alle

Grabungen, die hier bisher vorgenommen wurden, haben keinerlei Ausbeute geliefert.

Nur der vordere Raun: scheint Tieren und Menschen zum Aufenthalte gedient zu haben, denn hier haben Gra­bungen eine reiche Ausbeute von Knochen, sowohl lebender als auch ausgestorbener Tiere, sowie auch von Gegenstän­den, die darauf Hinweisen, daß die Höhle dauernd von Menschen als Wohnung benutzt wurde, gegeben.

In der . orderen Hälfte des vorderen Raunies befindet sich ein etha 6 Meter hoher Hügel und zwischen diesem ! Hügel und dem oben erwähnten Schuttwalle, der die Höhle in zwei Hälften teilt, muß der Aufenthaltsort der Tiere ge­wesen sein- Hier besteht der Boden aus einer 2 Meter mächtigen Dungschicht, in welcher regellos zerstreut die Knochen sowohl der ausgestorbenen wie lebenden Tiere liegen. Von den lebenden Tieren wiegen vor: Hirsch und Guanako und unter den Resten der ausgestorbenen Tiere ziehen besonders die Reste von einer großen Löwenart (llslis Listai Roth), einer kleinenPferdeart (Onohippidium Saldiasi Roth) und vor allem von einem großen Edentaten (Grypotherium Darwini var. domesticum R.) unsere Aufmerksamkeit auf sich und zwar deswegen, weil alles darauf hinweist, daß diese ausgestorbenen Tiere nicht nur gleichzeitig mit dein Menschen gelebt haben, sondern daß die letztere Tierart wahrscheinlich in einer Art halbgezähm­tem Zustande gehalten wurde. Finden sich doch die Spu- ren des Menschen vornehmlich in der vorderen Höhlen- hälfte in Form einer bis 1% Meier mächtigen Kulturschicht zu beiden Seiten des oben erwähnten Hügels und ist doch diese Kulturfchicht scharf getrennt von der Dungschicht, die den von den Tieren innegehabten Raum erfüllt. '

Ferner weist die Art und Weise, tvie die Reste der Tiere, vor allem große, isoliert in der Dungschicht liegende Fell- stücke von Grypotherium, gefunden werden, darauf 'bin daß diese Tiere von den Menschen getötet, abgehäutet und dann verzehrt wurden.

Auffallend ist, daß in einer in der Nähe gelegenen etwas kleineren Höhle bisher Reste vom Grypotherium nicht ae- funden worden sind, wohl aber von Onohippidium Liricki und Guanako. > J \ >