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Erstes Morgrnblatt der frankfurter Zeitung. 8» Novrmbrr^9v3«

Die ssrpedilion der L'enrjrenbergisljjel! Gesellschaft in Frankfurt a. M. nach Klnteregypten.

Die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft in Frankfurt ist zu ihrem Entschluß, eine wissenschaftliche Ex- vedition zur Ergänzung ihrer palaeontologischen Samm­lung in das Fayum und das Natrontal zu senden (s. d. kurzen Bericht über die Sitzung vom 24. Oktober im dritten Morgenblatt derFrankfurter Zeitung" vom 25. Oktober), ebenso zu beglückwünschen, wie dazu, daß sie die Führung des Unternehmens dem Münck '^r Forscher Dr. Ernst

Stromer v. Reichenbach anvertraut, der als Mit­glied einer von der kgl. bayerischen Akademie der Wissen­schaften ausgesandten Expedition nach der gleichen Gegend im Jahre 1902' seine Befähigung zu solchen Aufgaben bereits durch die Tat bewiesen hat. Es gibt wohl kaum einen Landstrich auf der Erde, an dessen genauer Erforsch­ung und Durchsuchung die verschiedensten Wissenschaften so gleichmäßig interessiert sind: Geologie und Palaeontologie, Urgeschichte, Archäologie und klassische Philologie wie Kir- chengeschlchte haben durch diese egyptische Landschaft in her­vorragender Weise ihre Studienergevnisse erhalten. Von der Zeit Herodots an spielt die M o e r - S e e - (Birket el Kerun) Frage hier eine Rolle, die Kultur zahlreicher griechischer Städte ist hier unter Schutthaufen und Sand begraben und herrliche Ruinen aus Alt-Egyptens Glanz­zeit ragen noch aus der Erde, während Funde von Stein­artefakten an die Bewohner aus der neolithischen Periode erinnern. Verschiedene Publikationen Dr. Stromers haben gezeigt, daß er neben seinem Hauptzweck, der Durchsuchung des Bodens nach vorzeitlichen Tierüberresten und Pflanzen­verkieselungen auch für die historischen, archäologischen und kulturellen Probleme des die Wissenschaft fördernden Fa­yum ein Auge hat, und vielleicht bringt die Sendung der Frankfurter Naturforschenden Gesellschaft auch den Kultur­wissenschaften neben den Naturwissenschaften Förderung.

Aber die Hauptsache wird doch die geologisch-palaeonto- logische Durchforschung des Fayum und des Natrontals sein, und was den Sammlungen des Senckenbergianums aus der zwar schon nach vorzeitlichen Tierresten untersuchten, aber noch lange nicht ausgebeuteten Gegend zuwachsen kann, darüber können wir uns aus zahlreichen Publikationen der letzten Jahre unterrichten. Zum Beispiel hat S t u d e r in den Mitteilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern (1898), B I a n ck e n h o r n, der Genosse Stroiners bei der bayerischen Expeditton in der Zeitschrift der Deutschen geo­logischen Gesellschaft und den bayerischen Sitzungsberichten über Tierreste berichtet (1901 und 1902); eine kleine Abhand­lung Stromers in der zweitgenannten Zeitschrift (1902) ist Wirbeltierreste aus dem mittleren Pliocän des Natrontales und einige subfossile und rezente Säugetierreste aus Egyp­ten" betitelt und beschäftigt sich gerade mit den von Dr.

Zürich gesammelten Fossilien, die bereits im * v ' r "" "eums sind. Selbstverständ ^ende England

D e w i tz in Z i

Besitze des Senckenbergi^chen Mu lich hat auch das Egyptt ibeherr Untersuchungen in der Libyschen

Lüste anstellen lassen; die

Publikationen des Dr. A n d r e w s, der auf Kosten von Mr. W. E. de Win ton für die British-Museum Naturalien- Sammlungen ir den letzten Jahren im Fayum arbeitete, linden

in Deutschland gebührendeBeachtung, und ich glaube, daß ein Bericht über die Funde von Dr. Andrews, der mir in der eben eingetroffenen Oktobernummer einer amerikanischen Monats­schrift für archäologische Bibelkunde (Biblia) im Auszug vorliegt, am besten die Art von Tierüberresten schildert, die das Senckenbergianum von seiner Expeditton heimzubringen erwarten darf.

Dr. Andrews begann seine Tätigkeit im Norden des Birket-el Kerun und fand hier eine große Anzahl von Resten von Wirbeltieren, darunter neue Formen und Spe- zimina vom größten wissenschaftlichen Interesse; fast alles stammte aus der früheren Eocän-Periode. Das wichtigste Ob­jekt war ein vorzüglich erhaltener Schädel und Kinnbacken eines mächtigen schwergebauten Ungulaten, von dem zwei Jahre vorher B e a d n e I l vom Egyptian Geological Survey das erste Exemplar gefunden hatte und Genus Arsinoitherium" nannte (nach der Königin Arfinotz, die im dritten Jahrhundert v. Ehr. im Fayum herrschte) und die SpeziesZitteli", nach dem Münchener berühm­ten Palaeontologen Prof. Karl v. Zittel, der die grund­legendsten Arbeiten über die Geologie dieser Gegend geliefert hat und der emsigste Förderer der dortigen Studien ist. Arsinoitherium glich wohl im allgemeinen äußerlich einem gewaltigen Rhinozeros, ohne ihm nahe verwandt zu sein. Näher stand es den Elephanten und den Dinoccrata, einer ausgestorbencn Gruppe von pflanzenfressenden behuften Säugetieren, von denen große Ueberreste in den Eocän- Tertiärstraten von Wyoming (Nordamerika) gefunden wor­den sind. Aber das Arsinoitherium steht durch seine zwei großen Hörner auf der Nase mit einem kleineren Paar über den Augen sowie sein Gebiß ganz allein unter den

Mammalien. Dr. Andrews stieß dazu noch auf Gebißreste, die auf eine nach größere Art des Arsinoitherium als das

^Von ^Mtieren^ward ein fast ganz erbaltcner Schädel des Palaeomastoöon aus dieser Gegend erworben; be, diesen, in den egyptischen Eocänlagen mehrfach gefundenen Proboscideen sind diejenigen Charakteristika, welche uchern Elephanten auszeichncn, erst im allerersten Beginn der Ent­wicklung. Besonderes Interesse erweckt auch die Entdeckung von Knochen eines gewaltigen Hyracoiden (Hyrax, eigentlich die Spitzmaus, dann der Klippdachs) von der Größe, des Tapirs. Erst in den letzten Jahren sind fossile Reste dieser Gruppe von Säugetieren beschrieben worden. Auf fünf ver­schiedene Arten Hyraces ist Dr. Andrews in diesen, Bett- ungen gestoßen; sie beweisen, daß die verhältnismäßig ge­ringe Zahl und die kleinen Exemplare dieser Gruppe aus der modernen Zeit die degenerierten Descendenten eines ernst

zahlreichen und wichtigen Faktors der aeothiopischen Fauna repräsentieren. Der Sand und der Schlümm, in dem diese Knochen und fossilen Bäume so zahlreich gefunden worden sind, lassen darauf schließen, daß in der Eocän-Periode dieser Teil der Libyschen Wüste die Mündung eines mächtigen Flusses war, der die ertrunkenen Tiere und gewaltigen Baum­stämme herabschwemmte und dann in Schlamm und Sand begrub. Auch Dr. Blanckenhorn hat in den zitierten Ab­handlungen erne Flußmündung in das Meer angenommen.

Kein Denkmal aus Egyptens Frühzeit zeigt uns, wie Wallis Budge nachgewiesen hat, den Elephanten (Elephas Africanus). Hätten die damaligen Künstler die Elephanten gekannt, hätten sie ihn gewiß auch darge­stellt. Er muß, also in einer prähistorischen Periode dort ' ausgestorben sein; denn zweifellos hat er einst im Niltal gelebt, da Andrews Reste des Elephas Africanus und zwar zusammen mit Feuersteinwelkzeugen am Birket-el-Kerun

gefunden Kat. '

Die Giraffe hat in der historischen Zeit nicht mehr in Egypten gelebt. Wo sie auf Reliefs frguriert, ist sie eine aus dem Sudan oder Somaliland mitgebrachte Rarität. Aber im Steinzeitalter, vielleicht in der DiluvialMt, in welcher ein anderes Klima in Egypten geherrscht haben kann, mag die Giraffe noch im Niltal existiert haben. Dr. Mor­gan. der Entdecker des vorgeschichtlichen Egypten, hat sie auf rohen Graffitti Oberegyvtens dargestellt gefunden (s. Stromer, Z. d. d. geolog. Ges. 1902 p. 114); und Dr. Blanckenhorn hat aus dem Mergel eines einst vom See be­deckten Gebietes am Westende des Birket-el-Kerun Reste einer Giraffe herausgeholt.

Ungeheure Zeitläufte lassen sich in den Schichtungen am alten Äoeris-See und den darin gefundenen Tierüberresten er­kennen. Tausende von Jahren trennen den paläolithischen Menschen von dem neolithischen. Welch lange Erziehung des Menschengeschlechts muß dann noch vorübergegangen sein, bis der prähistorische Bewohner des Niltales solche in Form und Glättung (ohne Metallwerkzeuge) vollendeten Kunst­werke Herstellen konnte, wie die S t e i n v a s e n der Samm­lung Randolph Berench die zur Zeit zum teil leihweise im South-Kensington-Museum in London aufgestellt ist, und deren ältestes Exemplar auf etwa 6000 v. Ehr. datiert wird ' Dem können sich selbst die Katechismen nicht mehr verschließen und lassen sich auf den Kompromiß ein, zu sagen, daß die sechs Tage der Schöpfungsgeschichte der Bibel Perioden von der Größe x darstellen mögen. , ~

... In der Lettcngrub.

der Bonner Bergwerksgcsellschaft wurde das Skelett eines vorsintflutlichen Tieres vorgefundcn. Ter Fund wurde von dem Scnckenberg'schcn Museum in Frankfurt a. M. käuf­lich erworben. ^