Fische im Wasser bei absoluter Ruhe der Flossen einnehmend Man wird stets finden, daß die Fische, gleichgültig, ob sie einfache oder doppelte Schwimmblasen haben, beim soge­nanntenStehen" im Wasser den Kopf etwas höher haben wie den Schwanz. Ich erinnere nur an Hecht und Karp­fen, die man ja häufig Gelegenheit hat, zu beobachten- Ueberlegt nmn nun die Wirkung, die eine Volumens­änderung der Schwimmblase bei dieser Lage haben muß, so ist es evident, daß z. B. bei Erweiterung dieses Organs die vordere Körperhälfte mehr hiervon betroffen werden muß als die hintere. Infolgedessen wird die nur wenig schräge Lage, die der Jischkörper bei Ruhe im Wasser einnimmt, noch geneigter gegen die Horizontalcbene werden, wodurch natürlicherweise der Fisch in eine zum A u f st e i g? n äußerst günstige L a g e versetzt wird. In enigegen- gesetzter Richtung spielt sich dieser Vorgang ab, wenn der Fisch sinken will- Doch wird hier die Kompression der Schwimmblase nur eine beschränkte Wirkung haben können, denn unter allen Umständen wird der Vorderteil des Fisch- körpers leichter bleiben als der hintere. Will also der Fisch mit dem Kopfe voran in die Tiefe, so muß er das durch Tätigkeit der Flossenmuskulatur erzwingen. In der Tat beginnt ein solches Absteigen immer mit einem starken Schlagen der horizontalen Flossen.

Noch mehr ist diese durch die Schwimmblase bedingte Erleichterung des Steigcns und Sinkens bei Karpfen.

! Schleien, Rotfedern und einigen anderen Fischen ausge­prägt. Bei diesen besteht die Schwimmblase aus einer vor- deren und hinteren Abteilung, die durch einen Schließmus­kel von einander getrennt sind. Ihre Gewebsstrriktnr läßt mit Sicherheit erkennen, daß diese Tier durch Volumens­änderungen der vorderen Blase den Vorderteil des Körpers spezifisch schwerer oder leichter machen und so sein Sinken und Steigen im Wasser bedeutend unterstützen können. Augenscheinlich hat die Natur diesen Vorteil den Fischen gewährt, die im Gegensatz zu anderen sehr voluminös ge­baut und daher unbeholfen und zum geschickten Schwimmen weniger geeignet sind, für die also die gering ungleiche Ver- teilung der Schwimmblase auf die vordere und hintere Körperhälfte für den vorliegenden Zweck allein nicht aus­reichend gewesen wäre-

Auch zwei Familien von Fischen mit einfachen Schwimmblasen besitzen besondere Einrichtungen an diesem Organ, durch die sie sich das Auffteigen und das Hinabgehen in ihr Element erleichtern: es sind dies die Welse und die Schlangenfische sOxbickiicksnf. Erstere verfügen am ersten Wirbel rechts und links über je einen mit diesem durch ein, Gelenk verbundenen Knochensortsatz, letztere über einen an der Basis des zweiten Wirbels, und niit Hülfe dieser sind ; sie durch die Tätigkeit besonderer Muskeln in der Lage,

! den vorderen Teil der Schwimmblase verengern und erwei- tern zu können. Dieser Apparat ist augenscheinlich wieder bei solchen Fischen vorhanden, die ohne ihn stets einen ge­wissen Kampf mit ihren nicht proportionalen Körperkräften, ich erinnere nur an den schweren Kopf der Welse, zu be­stehen haben würden. Er wird diesen Tieren dieselbe Auf­gabe erfüllen, wie die vordere Schwimmblase den Ange­hörigen des Karpfengcschlechts-

Nach dem Gesagten läßt sich die Bedeutung der Schwimm­blase der Fische in folgendem kurzen Ueberblick präzisieren:

In der Schwimmblase sind dreierlei Vorrichtungen vor­handen, unter deren bestimmendem Einfluß das Gasge- menge dieses Organs steht.

1. Die Gasdrüse, der sogenannte rote Körper, drückt den Sauerstoff, der allein bei einer Vermehrung der Schwimmblasenlust in Betracht komm,, von. Blute nach dem Binnenraum der Schtvimmblase. '

2. Tie Verminderung der Schnümmblasenlust wird er­möglicht bei den Fischen mit geschlossener Schwimmblase im Oval durch Sauerstoffübertritt ins Blut, bei den anderen durch Ausscheidung von Luft durch den Schwimmblasengang.

3. Die innere Schwimmblasenauskleidung (Plattenepithclj ist für Sauerstoff undurchlässig.

Durch diese reguliereirde Tätigkeit der Schwimmblasen­organe wird der auf den Fisch einwirkende wechselnde. Wasserdruck in der Weise paralysiert, daß in allen Wasser- tiefen das Volumen des Fisches das gleiche und sein spe- i zifisches Gewicht gleich dem der Umgebung, also 1, ist.";

Vortreffliche schematische Zeichnungen und eine Anzahl mikroskopischer Präparate erläutern den interessanten, mit größtem Beifall aufgenommenen Bortrag, welcher geeig­net ist, ganz neues- Licht auf den anatomischen Bau und auf die Funktion der Schwimmblase der Fische zu werfen.

frankfu rter Nachrichten,

%ümim öen 1. November 1903

II. Wissenschaftliche Sitzung der SenÄen bergischen Natursorscheuden GesellschKst.

Frankfurt a. M., 31. Oktober 1903.

Vorsitzender: Dr. med. August Knoblauch.

Oberlehrer 71r. Th. Neumann spricht über.

Giftschlangen und Schlangengift".

Zu allen Zeilen und wohl bei fast allen Völkern haben die Schlangen die Aufmerksamkeit der Menschen in hohem Grade auf sich gezogen. Wir finden sie in Sprüchwörtern und Redensarten; sie erscheinen in den Märchen und Sagen als redende, handelnde Personen; bis in unsere Tage spielen sie im Aberglauben der Leute eine nicht un­bedeutende Rolle; ja, bei manchen wilden Volksstämmen sind sie sogar die Träger religiöser Gebräuche, und man erweist ihnen göttliche Ehren,

Alles das darf uns nicht Wunder nehmen, denn mancher­lei Umstände vereinigen sich bei diesen Wesen, um der­artige Anschauungen und Auffassungen zu ermöglichen. Schon der Körperbau der Schlangen mutet uns seltsam, ja unheinilich au; die Art und Weise ihrer Fortbewegung ist für den Uneingeweihten rätselhaft, oft furchterregend; der Aufenthaltsort vieler, ihre Lebensweise, die Art, wie sie ihre Beute erhaschen und verschlingen, ist gar manchem nicht vertrauenerweckend; endlich gibt wohl den Ausschlag, > daß so viele Schlangen die Fähigkeit besitzen, durch ihren s Biß Tod und Verderben zu bringen.

Gerade, dieser letztere Uncstand hat aber am. meisten zu Fabeln und Ueberirerbungen Veranlassung gegeben; kaum irgendwo anders sind die Tatsachen schlimmer entstellt, sind Behauptungen ausgestellt worden, die für den klar denkenden und beobachtenden Menschen von vornherein schon den Stempel der Unwahrscheinlichkeit und Unglaub­würdigkeit an sich tragen. Dies ist umso beklagenswerter, als dadurch nicht allein der Unwissenheit und dem Aber­glauben rreuer Vorschub geleistet worden ist, sondern weil gerade hier mehr als sonst die Unschuldigen mit den Schul­digen leiden müssen. Für viele fcheint es überhaupt gar keine giftlosen, unschädlichen oder gar nützlichen Schlangen zu geben; für solche ist eben jede Schlange eine Giftschlange, und manch harmloses, ja nützliches Tier ist so dem Vor­urteile, dem Hasse und der Unwissenheit zum Opfer ge­fallen, das sich noch lange hätte fernes Lebens freuen kön­nen, wenn die Wahrheit bekannt gewesen wäre.

Selbstverständlich gilt ja für die Giftschlangen vieles, was auch für die giftlosen, für die Schlangen im allge­meinen richtig ist. So zeichnen sich alle durck) den Mangel der Gliedmaßen und des Brustbeins, durch den walzen­förmigen, langgestreckten Körper, den spitz zulaufenoen Schwanz und die Fähigkeit aus, ihr Maut außerordentlich weit zu öffnen. Auch der Bau der Wirbelsäule und deren große seitliche Beweglichkeit, die Art und Weise, wie sie die Rippen und die Bauchfchilder zur Fortbewegung ge­brauchen, wie die Zähne snicht die Gistzähnej im Rachen an­gebracht sind und verwendet werden, ivie die Zunge gebaut rst und die Dienste eines Taslorgans verrichtet, dies alles sriritmt bei giftlosen und Gistschlangen im allgemeinen fast völlig überein.

Um so mehr Berechtigung hat die Frage, worin sich denn die einen von den anderen unterscheiden und woran nian die Gistschlangen zweifellos als solche ertennt. Auf den ersten Blick erscheint die Antwort nicht schwierig, denn schon die Art der Benennung jeder Gruppe deutet an, nach welchen Ge- sichtspunkten die Unterscheidung erfolgt ist. Und doch stoßen wir schon vom Ausanz an auf unerwartete Schwierig­keiten. Gibt es doch hervorragende Forscher aus der neuesten Zeit, welche mit vollem Bedacht die Ringelnatter, unsere gemeine, als ganz unschädlich bekannte Ringelnatter, zu den Giftschlangen zählen warum? Weil sie zwar keme Giftzähne, aber doch ein Paar Giftdrüsen an derselben Stelle und mit demselben todbringenden Inhalte besitzt, wie die eigentlichen Giftschlangen; mit anderen Wortes die Ringelnatter wird von einzelnen Forschern als eine Giftschlange angesehen, deren Giftzähne sich im Laufe der Zeit rückgebildet haben, und die deshalb, aber nur allein deshalb keinen Schaden mehr anzurichien vermag. Selbst wenn wir aber von dieser Tatsache absehen, wird es uns