Krankf-ttn Dachrichten Smmlaq dm 2». Wotict 1903
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Sitzung der SenSen-
Frankfnrt a. M-, 24. Oktober 1903.
Vorsitzender Dr. med. August Knoblauch.
Ter Vorsitzende begrüßt die zahlreich erschienenen Mitglieder und Gäste zu Beginn des Wintersemesters und teilt mit, daß für dasselbe nahezu alle 8 Tage wissenschaftliche Sitzungen in Aussicht genommen sind. Der soeben erschienene umfangreiche „B e r i ch t" für 1903, den ein Bild des am 25. April d. Js. verstorbenen früheren ersten Direktors Oberlehrer I. Blum ziert, liegt vor.
Sodann berichtet der Vorsitzende eingehend über die Tätigkeit der Gesellschaft in dem abgelaufenen arbeitsreichen Sommerhalbjahr. Hochherzige Schenkungen hiesiger Bürger in der Höhe von 15,000 Mark haben es ermöglicht, die in ihrer Art einzige Konchyliensamm- lung des kürzlich verstorbenen Konsuls Dr. von Molle n d o r s f und die wertvolle M a n n s ch e Schmetter- l i n g s s a m m l u n g für das Senckenbergische Museum zu erwerben. Allerdings betrug der Ankaufspreis der beiden hervorragenden Sammlungen, welche in der letzten wissenschaftlichen Sitzung ani 21. März d. Js. ausgestellt gewesen sind, das Doppelte der bis jetzt aufgebrachten Summe und, da die Gesellschaft nicht in der Lage ist, den Nest aus ihren lausenden Mitteln zu bestreiten, muß sie auf weitere Schenkungen hochherziger Freunde und Gönner hoffen!
Die gewaltigen Aufgaben, welche an eine naturforschende Gesellschaft herantreten, wenn sie ihren wissenschaftlichen Zwecken gerecht werden will, steigern sich von Jahr zu Jahr. So hat es die Senckenbergische Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft und zur Ergänzung ihrer pa- laonlologischen Sammlung für unabweisbar gehalten, eine Expedition nach Fayüm und dem Natrontal in Unteregypten auszurüsten, wo unter dem Sande der lybischen Wüste höchst wertvolle fossile Säugetierreste verborgen liegen. Die Leitung der Crpedition hat die Gesellschaft dem Privatdozenten Dr. Strolner - von Reichenbach in München übertragen, welcher anfangs November ' ach Egypten abreiseu wird.
Nachdem am 18. August d. Js. der Vertrag zwischen der Dr. Senckenbergischen Stiftung und der Stadtgemcinde unterzeichnet worden ist, nach welchem der Naturforschenden Gesellschaft ein ausreichender Bauplatz an der Viktoria- Allee und ein erheblicher Zuschuß zu den Baukosten des neuen Museums überlasten werden soll, hat die Gesellschaft in den letzleniMonaien die Vorbereitungsarbeiten zur Ausführung ihres Bauprojektes wieder ausgenommen. Eine von Bcmrat Neher entworfene Skizze liegt augenblicklich der Verwaltung zur Beratung vor. Inzwischen haben die Konservatoren des Museums Adam und A u g u st Koch und die beiden Direktoren der Gesellschaft die großen Museen in den deutschen Hauptstädten besucht und die Einrichtung derselben, namentlich die Aufstellung der Schcmsammlungen besichtigt, auf welche mit Recht auch in dem hiesigen neuen Museum -in ganz besonderer Wert gelegt werden soll.
Nach diesem Bericht des Vorsitzenden spricht Veterinärarzt Dr. Alfred Jaeger über
„Die Schwimmblase der fische."
„Die Erklärung der Schwimmblase der Fische umfaßt einmal die Aufgaben, welche dieses Organ den; Fische in seinen! Elemente zu erfüllen half und zweitens die Frage nach der Herkunft der Schwimmblasenlust. Beide Probleme hatten bisher ihrer Losung geharrt, denn das Rätsel, das über den! Eintritt der Gase in das Schwimmblasenlumen und ihrem Austritt schwebte, batte auch keine befriedigende Lösung des Problems von der Bedeutung der Schwimmblase aufkonw men lassen.
Die ersten Arbeiten hierüber erscheinen in der Literatur um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts. Man hatte im Innern der Schwimmblase an der unteren Wand aus-' gebreitete Blmgesaßanhäufungen entdeckt, die sogenannten „roten Körper", und so zahlreiche Forscher sich in der Folge mit Untersuchungen über den Luftbehälter der Fische beschäftigten, stets wurden diese roten Körper zu dem Erscheinen der Gase in der Schwimmblase in Beziehung gebracht, indem man annahm, daß an dieser Stelle die Gase des Blutes durch die Gefäßwandungen nach dem Binnenraum der ^Schwimmblase überträten. Allerdings sahen einige Auto
ren im Beginn des achtzehnten Jahrhunderts in dem Schwimmblasengang, dem verbindenden Gang zwischen Schwimmblase und Verdauungskanal, die Pforte für den Eintritt der Lust in die Schwimmblase, aber sehr bald wurde diese Ansicht vollkommen einwandsfrei widerlegt und konstatiert, daß der größte Teil der Fische eine vollkommen geschlossene Schwimmblase besitzt. Obwohl dann in den letzten fünfzehn Jahren dieser rote Körper wiederholt wissenschaKlicher Forschung unterlegen hat, ist doch über seine Funktion noch nichts bekannt geworden, was über die Vermutung hinausginge.
, Auf einem anderen Wege suchte vor beinahe 39 Jahren ein Franzose, Namens Moreau, die Frage über die Herkunft der Schwimmblasenlust zu ergründen. Er experimentierte an Fischen, und es gelang ihm in der Tat, nachzuweisen, daß von den drei Gasen, welche die Schwimmblasenluft zusanimensetzen, nämlich Sauerstoff, Stickstoff und Kohlensäure, der Sauerstoff allein bei einer Vermehrung der. Schwimmblasenluft in Betracht kommt, und dal hierbei die Stickstoff- und Kohlensäuremengen sich gleich bleiben. Auch legte er dar, daß der Sauerstoff durch irgendwelche Drüsentätigkeit nach dem Binnenraume der Schwimmblase gelangen müsse.
Trotz dieses unzweifelhaften Fortschrittes in der Kenntnis des Gasübertrittes nach dem Schwimmblasenlumen war es bisher eine offene Frage geblieben, wo und wie diese Sauerstosfabscheidung nach dem Binnenraume der Schwimmblase sich abspielt und welchen Einfluß dieselbe auf den Prozentgehalt der Schwimmblasenluft an Stickstoff und Kohlensäure ausüben muß.
Ich will hier zunächst den Gedanken einführen, daß eine Vermehrung bezw. Verminderung der Schwimmblasenluft unbedingt notwendig ist, wenn der Fisch in seinem Element die Höhenlage wechselt. Steigt der Fisch, so erweitert sich sein Luftbehäkter unter dem geringer werdenden Wasserdruck, umgekehrt beim Schwimmen in die Tiefe. Da nun die Schwimmblase, wie ich später zeigen werde, in allen Wassertiefen auf eine beftinimte, gleiche Größe zurückge- ■ bracht werden muß, die angegebenenVolumensschwankungen aber nur bis zu einem gewissen Grade durch die Tätigkeü der auf d'e Schwimmblase wirkenden Muskulatur korrigiert werden können, so ist es evident, daß der Fisch im stände sein muß, die Gasmcnge der Schwimmblase vermehren und verringern zu können, wenn er in seinem Element sich frei bewegen will.
Es würde zu weit führen, wollte ich hier darlegen, wie Moreaus Beweis für die Smierstoffabscheidung durch Drüsen durchaus nicht einwandsfrei ist, daß aber nach meinen rechnerischen Erwägungen die in jedem Falle relativ großen Mengen von Sauerstoff in der Schwimmblase sich nur dadurch erklären lassen, daß nnm hier eine aktive Drüfentälig- keit annimmt, und zwar würde die Aufgabe dieser Drüsen in einer Verdichtung des Sauerstoffs bestehen und ein ge- wisses Analogon in der Harnsekretion haben. In beiden Füllen werden der Drüse die zur Sekretion bestimmten Stoffe in geringer Konzentration geboten und in großer Dichte wieder abgegeben.
Anders liegen die Bedingungen für den Uebertritt von Stickstoff und Kohlensäure nach dem Schwimmblasenlumcn. Diese beiden Blutgase sind hier nur in solchen Mengen vorhanden, daß die einfache Tissussion, also der einfache Durchtritt durch die Wandungen^ der dem Binnenraume der Scbwimmbla'e last direkt angrenzenden Blutgefäße, zu ihrer Erklärung a.-.reicht.
Diese Erwägungen zeigen, zu gleicher Zeit, daß bei Tief- leesischen Stickstoff und Kohlensäure in prozentisch außerordentlich geringen Mengen in der Schwimmblase vorhanden sein werden, denn die Difftisionskräfie sind bei hohen und geringen Wasserdrücken gleich und die Spannung beider Gase im Blu> variiert dabei nicht. Dagegen müssen o;e Tiere in der Tiefe, um unter dem enormen Wasserdruck, die gleiche Größe der Schwimmblase wie in der Höhe zu bewirken, ein viel größeres Quantum Sauerstoff in die- selbe werfen. In der Tat besteht das Gasaemenge der Schwimmblase bei Tiesseefischen aus fast reinem Sauerstoff Ilm Zahlen anzugeben, so besteht, wie ich zeigte, bei einem Tiefseefisch in einer Tiefe von 600 Meter das Gasgemenge seiner Schwimmblase zu etwa 98.7 Prozent au» reinein Sauerstoff. Das sind in einem Schwimmblafeu- volumen von 10 Kubikzentimeter 592 Kubi.zen wie. r ! Sauerstoff, auf eine Atmosphäre Druck berechnet- !