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12. August 1908

Der Vertrag mit der Dr. Senckenbergischen Stiftung steht zunächst zur Beratung. Wie der Referent Stadtv. Dr. H e l f f hcrvorhob, haben sich die Stadtverordneten auf Grund der Vorberatungen des' Finanz- und Tiefbauaus­schusses in einer Sitzung bereits einmal mit dieser Materie eingehend beschäftigt. Damals wurde beschlossen, daß der Rcchtsausschuß die Angelegenheit durchberaten soll, um noch in rechtlicher Beziehung einige Aenderungen der Vertrags­bestimmungen vorzunehmen. Diese Revision des Vertrages ist erfolgt und der Referent empfiehlt die Zustimmung zu dem etwas abgcändcrten Vertrage zu erteilen.

Oberbürgermeister Dr. A d i ck c s weist darauf hin, daß in dem Vertrage beide Vereine, Senckenbergische Gesellschaft und Physikalischer Verein, erklären, keine Ansprüche mehr an die Stadt zu haben. Er will nur konstatieren, daß diese

Vertragsbestimmung absolut nichts zu tun habe mit der Subvention, die der Physikalische Verein überhaupt aus städtischen Mitteln beziehe, damit nicht etwa hieraus Miß­verständnisse entständen. Von allen Seiten wird die Auf­fassung des Redners geteilt.

Stadtv. Dr. Q u a r ck stellt den Antrag, die Stadtver­ordneten möchten beschließen, daß in dem Vertrage als § 10a die Bestimmung eingeschaltet werde, die Sencken­bergische Gesellschaft verpflichte sich, ihre Hörsäle oder Sammlungen in den Stunden, in welchen diese sie nicht für ihre eigenen Zwecke brauche, der Stadtgemeinde zur Benutzung für Volksbildungszwecke zu über­lassen.

Oberbürgermeister Dr. A d i ck e s bittet, sich nicht in Einzelheiten einzulassen, die lediglich Sache der betreffen­den Vereine selbst seien. Eine derartige Bestimmung könne man den beiden Vereinen in den Vertrag nicht einfügen. Was in den neuen Räumen geschehen könne, um dem Publikum die Sammlungen noch mehr zur Verfügung zu stellen als bisher, würde seitens der Vereine schon selbst ge­schehen, soweit ihre Geldmittel dazu ausreichcn. Im ersten , Projekt, das der Magistrat in dieser Angelegenheit den Stadt- ' vcrordneten gebracht hätte, wären übrigens derartige Räume für Volksbildungszwecke vorgesehen gewesen, die Stadtver­ordneten hätten dies indessen abgelehnt. Der Magistrat habe sich nun in letzter Zeit mit einem Projekt beschäftigt, wonach geeignete Räume für Volksbildungs­zwecke beschafft werden sollen. Redner bittet die Stadtverordneten, wenn diese Vorlage an die Stadtver­ordneten käme, dann in weitem Maße ihr Wohlwollen der Volksbildung gegenüber zum Ausdruck zu bringen. Den Vereinen indessen könne man in dem Vertrage eine der­artige Bestimmung, wie sie Dr. Oiuarck wünsche, nicht zu­muten.

Stadtv. Dr. Geiger weist darauf hin, daß der Ver­trag mit seinen Bestimmungen bereits von den Stadtver­ordneten gutgeheißen sei, datz es sich heute nur um die juristische Fassung des Vertrages handle. Der Antrag Dr» Quarck sei unannehmbar, weil er zu allgemein gehalten sei und dann, weil die GeseliWäft' allen Volksbildungszwecken bereits nach besten Kräfteiw^xntgegenkäme.

Stadtb. Dr. H c y d e r wcwdet sich gegen den Antrag Dr. Quarck. Heute, am Schluss^ der Verhandlungen, könne man nicht wieder die ganze Materie anfs neue aufrollen, denn eS handle sich nur noch um rein juristische Formali­täten.

Hierauf wurde der K o m m i s s i o n s a n t r a g (Ge­nehmigung des Vertrages mit der Senckenbergi- schcn Stiftung) gegen die Stimme Dr. Ouarcks ange­nommen, dagegen der Antrag D r. Quarck mit allen Stimmen gegen die des Antrags?abgelehnt.

Frankfurter Nachrichten, Mittwoch Len 19.

Gestern, am 140. Stiftungstage der Dr. S e n ck e n b e r g i s ch e n Stiftung, ist der in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vom vergange­nen Dienstag gutgeheißene Vertrag zwischen der Stiftung und der Stadtgemeinde, der eine Verlegung der verschiedenen Stiftnngsinstitute, des Mu­seums der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft und des Physikalisch-chemischen Instituts nach der Außen­stad i bezweckt, in Gegenwart der Dekane der juristischen

und der medizinischen Fakultät der Universität Gießen, Geh. Justizrat Prof. Schmidt und Prof. Strahl in feier­licher Sitzung unterzeichnet worden. Der Ver­trag wird mit der Genehmigung des Bezirksausschusses in Kraft treten. Damit erreichen langjährige Verhandlungen einen Abschluß, der von der Stiftung selbst, von der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft und vom Physikalischen Verein aufs Freudigste begrüßt wird. Bald wird sich jetzt am städtischen Krankenhause (pathologisch-anatomisches Institut), an der Nibelun- gen - Allee (Bürgerhospital und Pfründnerhaus) und vor allem an der V i k t o r i a»A l l e e, wo das neue naturhistorische Museum nach den Plänen des Baurat

29. Sitzung der Stadtverordneten.

* Frankfurt «. M., 11. August.

!' Dr. Senckenbergischen Stiftung,

über den wir bereits Ausführlich berichtet hoben.

.... yuutu.

Oberbürgermeister Dr. Adickes will nuv fonftatlert finden, önii die städtische Subvention für den Physikalischen Verein nichts mit dieser Sache zu tun habe und nach wir vor son- bestehe Die Bersammiullg ist darin ganz mit ihm einig.

Stadtv. Dr. Quarck: Man habe seine Anregung ganz übersehen, etwas für die Volksbildung bei dieser Gelegenheit ans den Stisiuiigen herauszuschlagr». Die schönen neuen Einrichtungen der Institute könnten den Volksbildungszwecken dienstbar gemacht werden. Redner stellt den Antrag, einen neuen Paragraph in den Vertrag auszunehmen, ivonnch sich die Stiftuiigsverivaltling verpflichtet, ihre Hörsäle und Samin- lungen in der unbenutzten Zeit zur Benutzung für Volks» biidilngszivecke zur Verfügung zu stellen.

Oberbürgermeister Dr. A dickes warnt dringend davor, »och neue Bestimmungen aufzunehmen. Man solle sich nicht in Einzelheiten in die Berivaltung mischen, cS werde wohl nnzweifel- hast alles geschehen, was in dieser Richtung entsprechend den vor­handenen Mitte!» geschehen könne. Der Magistrat habe Ver- handiungcn im Gange, wonach der Versammlung bald Vor­schläge sür Volksvoriesinigsräume re. gemacht werden würden. Der Magistrat habe seinerzeit bei dem ersten Projekt ja selbst darauf hingcarbeiiet, Räume sür BoikSvorlrsuugen rc. in dem neue» Stistnngsbau zu schaffen. Bei dem neuen Projekt lasse sich das nicht ohne weiteres verwirklichen.

Stadtv. H e t t l e r spricht sich gegen den Vertrag mit der Stiftung aus.

Stadtv. Dr. Geiger: Beide Vorredner gehen von: einer irrigen Ansicht ans. Was heute hier erwartet werde, fei die juristische Formfassung des zivischen dem Magistrat und dem Senckenbergianum Beschlossenen. Er verstehe nicht, wie der Physikalische Verein ans diesem Vertrage irgend­welche Bedenken ersehen könnte,' es soll nur vermieden werden, das; die den Vereinen bewilligten Subventionen von 800,000 Mark und 150,000 Mark diesen ein Klagerecht gäben. Dr. Qnarck beantrage, die Sammlungen sür Volks­bildung mehr zugänglich zn machen, ivo doch die beiden Ge­sellschaften nach Möglichkeit allen Bestrebungen für Volks-, bildnng entgegenkämc». Darum sei der Antrag unannehm­bar und überflüssig, auch zn spät.

Stadtv. L ü s ch e r meint, es gehe nicht an, daß zwei Per­sonen, der Physikalische Verein und die Stadt über die Räume verfügten.

Stadtv. Dr. Quarck: Damit, daß Tr. Geiger sage, es sei zu spät, erkenne er an, daß der Rechtsausschnß seine früheren Anregungen verbummelt habe. Das sei keine loyale Behandlung solcher Anträge. Zischt zn Versamm­lungen, sondern für Lehrz'.vecke solle die Gesellschaft die Räume hergeben. Es habe den Anschein, als ob Dr. Geiger unter allen Umständen wieder einmal verhindern wolle, daß ein dahingehender Antrag durchgehe.

-Stadtv. Dr. H e y d c r : Er habe sich gefreut, daß der Ver­trag endlich zu stände gekommen, und jetzt am Schluss« der Verhandlungen werde versucht, die ganze Frage nochmals auszurollen. Ihmhgbe es den Anschein, als fehl« es Dr. Quarck in dieser Sache am guten Willen. Er bittet, den Antrag Quarck abzulehnen.

Stadtv. Dr. H e l f f nimmt den Rechtsansschnß, der sich nur mit Rechtsfragen zn befasse», habe, gegen die Bemerkung Dr. Onarcks in Schutz. Im letzten Augenblicke der Ver­handlungen dürfe man nicht mit derartigen Anträgen kommen. Wir wollen einen Vertrag mit dem Sencken- bcrgianum schließen, einem dritten, dem Physikalischen Ver­ein, eine Auflage dazu zu mqchen, ging« nicht an.

Der Antrag des Ausschusses (Genehmigung des Ver­trags mit der Dr. Senckenbevmschen Stiftung) wird darauf gegen eine Stimme angenommen. Nachträglich be-

Autzust 1993

Neher, sowie die Senckenbergische Bibliothek und das Gebäude des Physikalischen Vereins errichtet werden sol­len, eine lebhafte Bautätigkeit entwickeln, denn zu Beginn des Jahres 1907 sollen sämtliche neuen Institute vertrags­mäßig denr Betriebe übergeben sein. Das naturwissen­schaftliche Zentrum, welches seither am Eschenheimer Tore gelegen ist, wird damit nach der Viktoria-Allee verlegt, wie es dein Wachstum und der raschen Ausdehnung unserer Stadt nach Westen entspricht. An die ursprüngliche Lage der Dr. Senckenbergischen Stiftung werden in späteren Tagen mir noch die Namen der S e n ck e n b e r g st r a ß e und der S t i f t st r a ß e erinnern. Sollte es nicht mög­lich sein, den jetzigen NamenViktoria-Allee" inSenk- kenberg-Allee" unlzuändern und Sanckenberg- und Sömmerring-Denknial von ihren jetzigen Standorten in der Promenade in die Nähe der neueil naturwissenschaftlichen Institute zu versetzen? Dort, in der Nähe des Physikalischen Vereinshauses, würde unter den jetzt geschaffenen Verhältnissen auch der gegebene Platz für das geplante Reis-Denkmal sein, welches demnächst dem Erfinder des Telephons gesetzt tverden soll.