Erüro Morgend! alt der Irandfurter Weitung.
Was ist das SeyKenLergianmnI
Von M. Möbius (Frankfurt).
Dicht neben dem Eschenheimer Turm in Frankfurt steht das S e n ck e n b e r g i s ch e Museum und die Senckenbergische Bibliothek, und zwischen beiden führt ein Tor in den botanischen Garten und zur Anatomie. Tritt man aus dem Lärm undGetricbe der hier sich kreuzenden Straßen durch dieses Tor ein, so suhlt man sich mit einem- niale in eine ganz andere Welt versetzt und erblickt mit Ueberraschung einen altertümlichen Garten, in den die alten Türmchen von der Anatomie und dem Spital hereinschauen. Es ist auch wirklich ein verzauberter Boden, aus den wir uns begeben, denn hier hat der junge Goethe die merkwürdigsten Dinge erlebt, wie er uns in seinem Märchen in „Dichtung und Wahrheit" erzählt. Freilich hat er den Garten nicht durch das genannte Tor betreten, sondern durch ein Zauberpförtchcn, das er in der schlimmen Mauer fand, als er vom Zwinger kommend in die heutige Stiftstratze einbog, die damals Schlimmengaß hieß von dem Besitzer einer großen Liegenschaft daselbst, namens Slymme oder Slymmer.'
Das Grundstück an der Ecke am Eschenheimer Turm gehörte damals einem Dr. Matthias Harmes und wurde im Jahre 1766 von dem Tr. med. Johann Christian S e n ck e u- b e r g erworben, indem er glaubte, hier einen geeigneten Platz gefunden zu haben, um die Institute einzurichten, die zu Gunsten seiner Vaterstadt, in erster Linie zur wissenschaftlichen Ausbildung der Aerzte, erst in zweiter Linie zum Wohle unbemittelter Kranken dienen sollten. Bereits im Jahre 1768 nämlich hatte Senckenberg seiner Vaterstadt Frankfurt seinen ersten Stiftungsbrief überreicht, in dem er die Stadt zum Erben seines Hauses in der Hasengasse Nr. 8 samt allen darin befindlichen Sammlungen an Büchern, medizinischen und naturwissenschaftlichen Gegenständen und dergl., sowie seines Vermögens von 95,000 Gulden cinsetzte.- Das nun am Eschenheimer Tor von ihm erworbene Grundstück hatte nicht die Größe des Terrains, das heute der Senckenbergischen Stiftung gehört, .sondern reichte nur bis zu der jetzt nicht mehr vorhandenen Radgassen, die dicht hinter der jetzigen Anatomie mit der von der Stadtmauer (Bleichstraße) herabführenden Treppe beginnend sich in gerader Linie nach der Schlimmengaß (Stiftstraße) zog, dicht hinter dem Spital einmündend. Vorn am Eschenheimer Turm standen auf dem Grundstück einige Gebäude, den größten Teil aber nahm der Lustgarten und der daran grenzende Bleichgarten ein und per erstcre dieser Gärten wurde zur Anlage des botanischen oder, wie es damals hieß, medizini-
en Gartens verwendet, während die vorhandenen Gebäude für die andern Anstalten und Sammlungen hergerichtet wurden: in das vordere Haus zog der Stifter, der Seitenflügel hinter der Schlimmengaß wurde im oberen Stock für die ^Bibliothek, im unteren Stock für die Gärtnerwohnung und /die ärztlichen Konferenzzimmer eingerichtet, im anderen Seitenflügel an der Bleichstraße wurden das chemische Labo- .iratorium und die Wirtschaftsräume untergebracht. Fm Garden wurde ein Gewächshaus gebaut und im Bleichgärten auf Der nördlichen Seite das Anatomiegebäude, auf der südlichen Seite das Spital errichtet.
! Als das Türmchen auf letzterem fertiggebaut war, wollte .xs Senckenberg besichtigen, er stürzte aber dabei herunter und starb an den Folgen der Verletzung noch an demselben Tage, dem 15. Noveräber 1772. Noch bei seinen Lebzeiten hatte er aber, ängstlich besorgt, daß ja nicht der Senat die
S ünde einschlüge und sich seiner Stiftung. bemächtige, eine dministration für diese seine Stiftung eingesetzt; dieselbe sollte aus den Aerzten bestehen, die zugleich Stadt- physiler waren, und aus einigen anderen Bürgern der Stadt: für die Ergänzung des Verwaltungskollegiums, für seine Kontrollierung und für die von ihm zu leistende Rechnungs- Mage waren eingehende Bestimmungen getroffen.
So besorgt denn auch heute noch die Administration der Dr. Senckenbergischen Stiftung die Verwaltung des medi-
? mischen Instituts und des Burgerhospitals; jedes mit be- onderem Vermögen hat seine eigene Abrechnung. Zu dem Medizinischen Institut gehört die Anatomie, der botanische (Garten und die Bibliothek. Das Bürgerspital hatte im Anfang große Schwierigkeiten in der Sicherung seiner Existenz, aber wie Senckenberg ganz richtig vorausgesehen hatte, fanden sich Leute, die dieser Anstalt beträchtliche Summen zu- Avendeten; von ihnen sei nur Simon Moritz Bethmann 'mnd Äer Senator Brünn er aus der ersten Zeit, Philipp ijKröger und Frl. Klingling aus späterer Zeit gekannt. Es ist leicht verständlich, daß für ein rein wissenschaftliches Institut, das erst mittelbar, durch Förderung der Ärztlichen Wissenschaft, dem Gemeinwesen nützte, sich weniger leicbt Gönner und Schenkungen einstellten: dieses voraus- isehend hatta eben Senckenberg das medizinische Institut Koppelt so reich bedacht wie das Spftal.
Im Jahre 1776 begannen in der Anatomie die Vorlesungen durch Dr. Sigwart Müller; von den übrigen Kehrern sei nur der bekannte Arzt und Dichter Dr. Heinrich Hoff mann erwähnt. In ihrer Benutzung hat sich die Anstalt insofern verändert, als gegenwärtig darin weniger die Zergliederung der Leichen als die pathologische Anatomie und Histologie betrieben wird, äußerlich aber hat sich das anatomische Institut, das von seinem Stifter schon 1768 unter Dach gebracht worden war Md das diesen als erste Leiche aufnahm, am wenigsten verändert, und so ist deM auch seine Einrichtung nicht mehr für die Anforderungen der Gegenwart genügend.
Der botanische Garten, von Baumert nach dem zlane des botanischen Gartens zu Upsala angelegt, gelangte
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auch über die nähere Umgebung hinaus genoß, was vor allem den ersten Stiftsärzten Reichard und Lehr, die mich botanische Vorträge hielten, zu verdanken ist. Beide hAen auch das medizinische Institut und speziell den botanischen Teil desselben mit reichen Vermächtnissen bedacht.
Im Fahre 1812 wurde eine rasch vorübergehende Aende- rung in dem medizinischen Institut dadurch hervorgerufen, daß der damalige Großherzog und Fürst-Primas des Rheinbundes, Karl v. Dalberg, eine mediznnsche-chirnrgffche Spezialschule gründete und dazu das Senckenbergrsche Institut in Anspruch nahm; einen Eingriff in die ihr allem zustehenden Befugnisse wehrte dabei die Administration nach Kräften ab und dies gelang ihr auch soweit, daß ste abgerechnet von den entstehenden Unkosten ÜeM Eingehen dieser Spezialschule, durch den Sturz der großherzoglichen Re- gierMg, unverändert in ihrem Wesen wieder dastand. Freilich blieben die Kriegsjähre auf die Senckenbergische Stiftung nicht ohne nachteiligen Einfluß und es ist dadurch erklärlich, daß Goethe als er 1814 seine Vaterstadt besuchte, den Eindruck erhielt, daß hier bezüglich der Stiftung noch manche Verbesserung zu wünschen sei. Die Kritik, die er in dem Aufsatze „Kunstschätze am Rhein, Main und Neckar 1814 bis 15" und in dem kleinen Abschnitt: „Nachträgliches zu Frankfurt am Main", veröffentlichte, wirkte zMächst auf die Beteiligten sehr verletzend und wurde durch Neeffs kleine Schrift „Das Senckenbergische Stift" (1817) erwidert, sooann aber wirkte sie jedenfalls auch anregend und mit der Besserung der allgemeinen Verhältnisse nach dem Friodensschluß kam auch neues Leben in die Pflege der Medizin und Naturwissenschaft. Fm Jahre 1817 konstituierte sich Mter der Anregung der Dr. Cretzschmar und Dr. Neuburg aus Freunden der Naturwissenschaft eine Gesellschaft, die sich zu Ehren des Stifters die Senckenbergische benannte, zugleich damit andeutend,, daß sie sich seiner . Stiftung angliedern und fördernd an die Seite stellen wollte. Die Administration der Senckenbergischen Stiftung kam ihr enchegen und gewährt? ihr das Terrain zur Erbauung eines Museums, womit im Fahre 1820 begonnen wurde, nachdem der nördliche Flügel von des Stifters Wohnhaus am Zwinger niedergelegt war. Zu diesem ersten Bau wurde 1828—31 der östliche Flügel hinzugefügt und so ist das Museum entstanden, das auf dem Terrain der Senckenbergischen Stiftung steht, aber der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft gehört, deren Verwaltung und Vermögen ganz selbständig ist.
Wurde hierdurch der botanische Garten sehr beeinträchtigt, so bekam er dafür einen schönen Ersatz, als 1850 zu dem ursprünglichen Terrain der Stiftung nnt Einbeziehung der Radgasse auch das bis zur jetzigen Brönnerstratze reichende, ehemals haupffächlich von einem großen Bleichgarten eingenommene Grundstück hinzugesügt wurde. Dieses große Terrain wurde verwendet zur Errichtung eines neuen Hospitalgebäudes, die aber, verzögert durch die Kriegszeiten von 1866 und 1870, erst 1872 begonnen und 1875 vollendet wurde, ferner zur Anlage eines neuen Teiles des botanischen <i &O&80, zMllich Mr pjpg tm dem Btpea Hospital 1
eines großen Patientengartens südlich von demselben. Auch die Anlegung dieses neuen botanischen Gartens wurde erst 1875 ausgeführt.
Unterdessen waren im vorderen Teile noch mehrere Aenderungen vorgenommen worden. Im Jahre 1866 wurden die beiden etwa 400 Jahre alten Stistshäuser, nachdem sie hundert Jahre den Namen Senckenbergs getragen hatten, abgebrochen und an ihrer Stelle das neue Bibliotheksgebäude aufgeführt. ' Gleichzeitig ivurde die Gartenmauer an der Stiststraße abgebrochen und die noch jetzt vorhandene niedrige Mauer mit dem Eisengitter in gerader Linie aufgefühä, sodaß die Stiftstraße verbreitert, der botanische Garten aber vorn wieder verkleinert wurde. 1868 wurde das alte, baufällige Gewächshaus abgebrochen und an seine Stelle das ' letzige gesetzt, welches ziemlich dieselbe Größe wie das frühere ; besitzt. Schließlich wurde 1886—1887 ein Terrain von ca. 400 Oumtr. in dem südöstlichen Teil des vorderen botanischen Gartens dem Physikalischen Verein zur Errichtung seines eigenen Institutes von der Administration überlassen. Dieser Physikalische Verein hatte sich 1824 ebenso wie die Senckenbergische natursorschende Gesellschaft als selbständiger Verein begründet; er erhielt nach Ueber- einkunst mit der Stistungsadministration 1834 im Gebäude der letztgenannten Gesellschaft einen Hörsaal und ein Laboratorium, Räumlichkeiten, die aber allmählich unzureichend wurden, sodqß seit 1871 die Erbauung eines eigenen Instituts erstrebt wurde, was zu dem schon berichteten Resultate führte. So steht also die Senckenbergische Stiftung in einem ähnlichen Verhältnihe zu der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft wie zu dem Physikalischen Vereine, gewissermaßen in einem Protektoraten Verhältnis, aber ohne Einfluß auf deren innere Angelegenheiten, und alle stehen zu einander in einem freundschaftlichen Verhältnisse der gegenseitigen Ergänzung. Dies drückt sich auch in der Zusammensetzung des Bücherbestandes der Senckenbergischen Bibliothek aus. Den Grundstock bilden die vom Stifter hinterlassenen, mit seinem Bücherzeichen geschmückten BÜcher, eine Sammlung, die durch Schenkung und Kauf immer vermehrt worden und Eigentum des Senckenbergischen medizinischen Institutes geblieben ist. Mit dieser Bibliothek des Senckenbergffchen medizinischen Instituts vereinigte 1824 die Senckenbergische naturforschende Gesellschaft die ihrige, ebenso verfuhr 1840 der physikalische Verein und 1860 der 1836 gegründete Verein für Geographie und Statistik, sowie der 1845 gegründete Aerztliche Verein. So ist jetzt jedes einzelne Buch der Bibliothek das Eigentum einer dieser fünf Korporationen, steht aber zum Gebrauch jedem Mitglied ,jeder Korporation gleichmäßig zur Verfügung. Der Aerztliche Verein steht insofern noch in engerer Verbindung mit der Senckenbergffchen Stiftung, abgesehen von ihren gleichgerichteten Bestrebungen, als er seine Sitzungen regelmäßig in den Hörsälen des Bibliothckgebäudes abhält und hier auch sein Archiv aufbewahrt