Krankfurter Nachrichten, SnmLsq -en 1. May 1963

stliche Sitzung dev SeuSeu-

Jrankfnrt a. M., den 28. Februar 1903.

Vorsitzender Dr. A u g u st K n o b l a u ch. .

Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit einem kurzen Bericht über den denkwürdigen Verlauf der diesjährigen Generalversammlung, wegen deren Dringlichkeit der auf den 21. d. Mts. angesetzte Vortrag des Herrn Dr. Römer um acht Tage verschoben werden mußte. Es war die b e st b e s u ch t e Generalversammlung in den letzten 62 Jahren: anwesend waren 114 Mit­glieder gegen 117 im Jahre 1841. Zufällig hat es sich damals wie jetzt um die Frage gehandelt, auf welche Weise dem bedrohlichen Raumniangel im Museum abgeholsen werden könne. 1841 wurde der Aufbau eines zweiten Stockwerkes auf den ältesten Teil des gegenwärtigen Museums, auf den Eckbau am Eschenheimer Turm be­schlossen. Jetzt hat die Generalversammlung der Errich­tung eines Museumsneubaues an der Viktoria-Allee ohne Widerspruch zugestimmt. Durch die Einmütigkeit des Beschlusses, welchem sich auch die Generalversammlung des Physikalischen Ver­eins angeschlossen hat, wird der Verwaltung der Senckenbergischen Naturforschenden Ge­sellschaft die Verantwortung für den getroffenen Ent­scheid wesentlich erleichtert. Besonders bemer­kenswert sind aber auch die Kundge­bungen derZustimmung aus den Kreisen der Bürgerschaft; . . . . Beitrittserklärungen sind unmittelbar nach der Generalversammlung erfolgt, ein sehr erfreuliches Anzeichen dafür, daß das neue Projekt der Gefellschaf auch neue Freunde zu- führen wird

Hierauf hält Dr. Fritz R ö m c r, welcher int Herbst d. Js. auf Kosten der von R e i n a ch - S t i f t u n g eine siebenwöchentliche Reise nach der dalmatinischen Küste, nach Rovigo und Triest unternommen hat, einen äußerst interessanten, von den zahlreichen Zuhörern mit lebhaftem Beifall aufgcnommenen Bericht über seine:

Zoologische Sammelreise nach dem a d r i a t i s ch e n Meere. jMit Ausstellung der gesammelten Tiere.)

Während Reisen an das Meer für einen Naturforscher früher mit großen Schwierigkeiten und Kosten verbunden waren, ist cs seit der Begründung der zoologischen Stationen sehr viel leichter, das Meer aufzusuchen und dort an frischem Tiermaterial zu arbeiten. In den Stationen findet man alle Hülssmittel, welche früher mitgenommen oder an Ort und Stelle besorgt werden mußten.

Diesen Umschwung hat die zoologische Station in Neapel hervorgerufen, welche der damalige Jenenser Privatdozeiu Anton Dohrn im Jahre 1872 aus eigenen Mitteln erbaute. Seine kühne Schöpfung hat einen großen Ein­fluß auf die biologischen Arbeiten aller Kulturstaaten aus­geübt und das Bedürfnis nach Einrichtung ähnlicher Sta- tionen immer weiter fühlbar gemacht und seinem Beispiel sind die meisten europäischen Staaten und jenseits des >

Ozeans Nordamerika und Japan gefolgt. Heute gibt es bereits 45 zoologische und biologische marine Stationen ohne diejenigen, welche die Erforschung des Lebens im Süßwasser zur Aufgabe haben. , -

Die Namen und die Lage dieser Stationen hatte der Vor­tragende auf eine besondere Karte eingetragen. Einige derselben wurden näher besprochen und in Bildern gezeigt. Tie meisten Stationen liegen an den Küsten des westlichen Europas. Die nördlichsten sind die russischen Stationen S olowetsk im weißen Meere und Katharinen­hafen an der Murmanküste, deren Aufgaben haupt­sächlich wirtschaftlich-praktische, die Hebung der Fischerei an den Küsten des Eismeeres sind. Großbritannien hat 8 Stationen, Frankreich 14, von denen Bannyuls sur mer und Villa Franca am Mittelmeer die ve-

^ Tmüsch" smd die 3 Stationen in Helgolands. Neapel und Rovigno an der nördlichen Adrm doa) rst davon nur die biologische Anstalt auf Helgoland staat- lich Die Station in Neapel ,st Privateigentum des Ge Heimrats Professor Dr. A. Dohrn, die m Rovigno gehört

dem Berliner Aquarium. Beide Stationen erfreuen sich aber der staatlichen Unterstützung durch jährliche Subven­tionen und durch die Ermietung von Arbeitsplätzen, welche die betreffenden Regierungen dafür mit Gelehrten besetzen können.

An der Adria liegt ferner noch die K. K. österreichische zoologische Station T r i e st.

Die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft ver­fügt nun als Tausch gegen ihre wertvollen Abhandlungen! über einen eigenen Arbeitsplatz an den Stationen in! Rovigno und Triest und diese Gelegenheit hat der Vor­tragende als Kustos des Senckenbergischen Museums im vorigen Herbst in einem längeren Aufenthalte ausgenutzt, um schöne und große Schaustücke aus der adriatischen Fauna für das hiesige Museum zu sammeln und zu konservieren.

An den aufgestellten Objekten und Präparaten besprach der Vortragende alsdann die Fauna der nördlichen Adria. Den größten Raum der Ausstellung nahmen die . Fische ein Die Fischfauna der nördlichen Adria ist eine äußerst mannigfaltige und bunte; in Triest kommen im Laufe des Jahres gegen 200 Arten Fische auf den Markt, die eßbar sind Die meisten Fische sind aber nur in ge­ringer Menge oder nur während weniger Monate zu habcit. Der Thunfisch z. B., welcher das größte Markt­quantum liefert, erscheint-nur in den Herbstmonaten, sein Frisch verdirbt auch schnell und ist daher nicht exportfähig

Ein Vergleich zwischen der Fischfauna der Adria und der I an Arten viel ärmeren, an Zahl der Individuen aber sehr viel reicheren Nordsee muß daher zu ungunsten der,

' Adria ausfallen. Die meisten Nordsecfische sind in ge­waltigen Mengen und während des ganzen Jahres zu haben (z. B. Hering, Schellfisch, Dorsch, Kabeljau, Stein-, butt usw.). Es kommt hinzu, daß die deutschen Fischerei- j Gesellschaften mit über 100 Dampfern während des ganzen Jahres fischen, während auf der Adria Kleinfischerei mit älteren und schlechten Fahrzeugen betrieben wird.

Diese verschiedenen Ursachen, namentlich aber die bio­logische!'., b-'wirken es, daß der Jischvorrat der Adria zu Zeiten, in dec Fastenzeit, an Feiertagen und bei stürmischen.. Wetter, nicht einmal ausreicht, den Fischhunger der Hafen­städte zu stillen. Das Angebot ist dann viel geringer als; die Nachfrage, die Preise sind sehr hoch und für den ' Export bleibt nichts übrig. Thunfisch kostet z. B. 1,60 bis 2 Kronen pro Kilo. Haifische, die bei uns kaum geachtet werden, kosten noch 80 Heller pro Kilo. So kommt cs. ' daß der norwegische Stockfisch in den Hafenstädten des Mittelmeeres der häufigste Fisch ist.

In Wien dagegen verkauft die deutsche Dampffischerei- , GesellschaftNordsee" den Schellfisch aus der Nordsee mit 80 Heller bis 1.30 Kronen, Kabeljau mit 70 bis 80 Heller pro Kilo. Der Nordscefisch ist in Wien und selbst noch in Graz konkurrenzfähig mit dem Adriafisch!

Redner besprach dann noch einzelne der mitgebrachten Fische, namentlich Haie und Rochen, die in schönen undi großen Exemplaren ausgestellt waren. .

Die Ccpbalopoden, Tintenfische, von denen im! Mittelmcer etwa 40 Arten Vorkommen, machen einen stän­digen und wichtigen Markiartikel aus. O c t o p u s gilt; als weniger schmackhaft und übersteigt 50 Heller kaum, i Loligo, der Kalmar, kostet dagegen 12V-> Kr. pro Kilo. Diese beiden wurden ebenso wie der Moschuspolyp, Ele- d o n e, in prächtigen Schaustücken vorgeführt.

Die T n n i c a t e n, Manteltiere, sind die farbenpräch­tigsten und buntesten Tiere in der adriatischen Fauna. Ihre Grundfarbe ist ein dunkel orangerot oder ein glän­zendes braungelb; einzelne sind leuchtend rot gefärbt. Auch sie stellen einen eßbaren Vertreter, die Lederascidie,

!Vi i c r o c o s m u s vulgaris, deren gelber Körper nach Entfernung der lederartigen Hülle roh oder gekocht gegessen wird.

Die S p o n g i e n, Schwämme, welche in zahlreichen ! Vertretern und in Riesenstücken konserviert waren, stellen bei Rovigno und Triest das Hauptkontingent unter den Vodentieien. Namentlich sind es Hornschwämme und un­ter den Kieselschwämmen die M o n a x o n i e r, welche in großen Exemplaren und inMassen Vorkommen. Der eigent- li che Bades chwamm, dessen Fischerei erst an der dalmati­nischen Küste beginnt, ist bei Rovigno nur vereinzelt zu finden. Doch sind andere Hornschwämme aus der Gattung C a c o s p o n g i a, die wegen ihrer derben Hornfasern und.