Frankfurter Angekegenßerten.

Frankfurt, 3. März. Ltadtverordneten-Versammlung.

Rirktrs Morgenblatt dsv MmrKfuvter Jeituug. 4 . Morr 1903.

Zur Vorlage über die

Verlegung des Bürgcrhospitals und der Neubau des natur- ljistorifchen Museums u. s. w.

spricht zunächst Stadtv. Dr. Geiger, der erklärt, daß er der Vorlage prinzipiell und im Allgemeinen sehr sympathisch gegenübcrpehe. Die Sache ist außerordentlich wichtig und die Stadt hat dabei erhebliche Opfer zu bringen. Einmal hat sie für das Gelände am Eschenheimer Thor freie Bahn zu erlangen, gleichzeitig mutz für die grotzen wissenschaftlichen Institute, ebenso für ein neues Krankenhaus neuer Platz ge­schaffen werden. Es kann kein Zweifel sein, datz wir hierzu bereit sind. Wenn auch allgemein die Magistrat-Vorschläge als praktisch anzucrkennen sind, so ist doch eine kommissio- nelle Vorprüfung nothwendig. Der Redner begründet dies, indem er auf das Zahlenmaterial der magistratlichen Vor­lage eingeht und dabei zu dem Ergebnitz kommt, datz sie augenscheinlich die Sache den Stadtverordneten hübsch mund­gerecht habe machen wollen. In Wirklichkeit wird die Stadt nicht Mk. 578,000, sondern etwa 12 Millionen herzu­geben haben. Aber auch dazu bin ich bereit. Es mutz nur vollkommen Klarheit geschaffen werden. Der Redner bean­tragt Ueberweisung an den Finanz - und Tief- banausschuß.

Stadtv. H e t t l e r erklärt sich mit dem Magistratsvor- schlaa nicht einverstanden. Den Herren Naturforschern und Physikern kommt beim Essen der Appetit. Die Dtadtj hat ja die grotzen Stiefeln an. Die Sache ließe sich wohl auf andere Weise machen. Private möchten hier eingreiscn. Dem Redner scheint es, als ob die Jügelsche Akademie auf den Platz am Eschenheimer Thor gelegt werden solle.

Stadtv. Dr. R ö tz l e r gibt dem Vorredner die Versicher­ung, datz dies nicht der Fall sei. Hinsichtlich der Vorlage dürfe man sagen, datz die Opfer, die der Stadt zugemuthet werden, nicht zu hoch seien. Wir geben einen grotzen Bau­platz her zu dem Betrag, den er uns gekostet hat. Ein an­derer Betrag wird durch Amortisation getilgt. Der Physi­kalische Verein kommt bei 0er Sache nicht sehr günstig weg, weil er sein altes Haus nicht verwerthen kann.

Stadtv. Dr. Q u a r ck wendet sich zunächst gegen den Magistrat, dem er den Vorwurf inacht, daß er der Stadtver- ordneten-Versammlung manchmalverschleierte" Projekte vorlege. Warum das Budget günstiger hinstellen, als' es ist? Der Magistrat macht in seiner Vorlage reinen Tisch in einer ganzen Reihe von Fragen. Zu weit hinaus dürfen wir aber mit der Verlegung der wissenschaftlichen Institute doch nicht gehen. Warum wird aber nicht zugleich reiner Tisch gemacht mit den nöthig werdenden Verkehrs- und Ver­bindungsfragen? Ich verlange, daß der Ausschuß sich ganz besonders damit beschäftigt. Es ist doch kein Zweifel, datz der Platz der Senckenberg-Stifrung für die Jügelsche Aka­demie freigemacht wird. Bei den grotzen finanziellen Opfern der Stadt sollte der möglichst große städtische Ein­fluß auf die Institute gewahrt werden. Man kann doch nicht die ungeheuren Summen hergeben, ohne kein Wort mitspre- ' chen zu dürfen. Die großen Stiftungen sollten überhaupt in'städtischen Betrieb genommen werden, damit endlich ein­mal die ewige Kuhhandelei mft Unterstützung aufhört. Der Redner ist der Ansicht, datz auch private Unterstützung ein- treten solle. Der Phpsikalische Verein biete z. B. den In­dustriellen Frankfurts so große Vortheile, datz sie wohl etwas thun dürften. Dabei führt er an, daß dieFrankfurter Zeitung" allein hier am Platz die Witterungsberichte vom Physikalischen Verein erhalte, weil sie das Institut seiner Zeit unterstützt habe. Schließlich streift Redner die Weiger­ung des Magistrats, dem Arbeiterturnverein eine Turmhalle !.zur Verfügung zu stellen.

Stadtv. H e t t l e r schlägt vor, die Vorlage an den l Hoch- und Tiefbauausschutz zu bercheisen, die Mitglieder des Finanzausschusses seien doch alle Mitglieder des Physikali­sche!! Vereins. Stadtv. Armbrüster bemängelt, datz die Vorlage den Stadtverordneten erst in letzter Minute (Heiter­keit) zugegangen sei, man habe keine Zeit gehabt, sich ge­nügend zu informiren. Der Redner steht der Sache sym­pathisch gegenüber, will aber erst größere Klarheit, ehe er sich entscheidet. Seine Anfrage an den Magistrat, ob es währ ist, daß die Jügelsche Akademie auf das Gelände am Eschenheimer Thor kommt, findet keine Beantwortung. Der Vorsitzende erklärt, datz die Vorlage den Stadtverord­neten rechtzeitig zugegangen sei. Nach dem Gesetz müsse jede Vorlage zwei Tage vor der Sitzung in den Händen der Stadtverordneten sein; das Gesetz setze damit voraus, datz I diese Zeit für die Stadtverordneten genüge, sich zu unter­richten.

Oberbürgermeister "Adickes : Die Vorlage des Magi­strats ist ja im allgemeinen svmpathisch ausgenommen wor­den, und alle Redner haben sich bereit erklärt, einen städti­schen Zuschuß zu gewähren. Daß im Einzelnen auch Tadel laut wurde, ist begreiflich, und die Wendungen, die dabei gebraucht wurden, waren nach der Oualität.der einzelnen Redner verschieden. Der eine beklagte, datz die Vorlage das vorige Mal mit der Jügelstiftung verquickt worden sei, der andere macht uns den Vorwurf, datz wir sie jetzt nicht mit der Jügelstiftung verquicken. Je nach dqr Qualität der Red­ner wird von Unklarheit oder von Verschleierung gesprochen. Ich gehe darauf nicht näher ein, sondern will nur versuchen, sachlich die Sache klarzustcllen. Weder der Physikalische Ver­ein noch das Senckenbergische Institut hat etwas mit dem Klassenkampf zu thun. Was den Bauplatz an der Nibel­ungenallee betrifft, so steht in der Vorlage, datz er ohne Kapitalzahlung gegen eine 48 Jahre lang zahlbare Rente ' von Mk. 5580 gegeben wird. Man hätte es auch anders aus- drückcn können, aber in der vorigen Vorlage war diese Form gewählt und ist damals nicht beanstandet worden. Nun ist gekragt worden: Wann wird das Grundstück geliefert? Den Theil südlich vom Krankenhaus kann die Stadt sofort be­kommen und wird daraus vielleicht eine Million lösen. Ande­rerseits werden Summen für den Neubau mit dem Fort­schreiten des Baues zu zahlen sein. Mne Zinsenberechmmg darüber ist zur Zeit nicht möglich. Deswegen soll eben ein Vertrag mit der Senckenbergischen Stiftung geschlossen wer­den. Die Stadt hat einen ZinSverlust und ein Risiko zu tragen, aber ziffernmäßig kann man das jetzt noch nicht aus- drücken. Bei dem Grundstück an der Viktoria-Allee läßt sich die Stadt einen Gewinn von Mk. 474,000 entgehen. Das ist ganz außerordentlich wenig im Vergleich zu anderen Städten. Auf der anderen Seite sparen wir Mk. 500,000 dadurch, datz wir ein anatomisches Institut zusammen mit dem Senckenbergischen Institut bauen können. Der städtische Zu­schuß ist also nicht riesig. Bisher hat die Frankfurter Bür­gerschaft bewiesen, daß sie gewillt ist, aus eigener Tasche Opfer zu bringen. Sie hat jetzt schon Mk. 800,000 dafür aufgebracht, eine Summe, die für ein städtisches Institut nicht Zusammengekommen wäre. Wir werden also gut daran thun, der Verwaltung dieser Institute freie Hand zu lassen und ihr nicht die Freude an ihren Schöpfungen dadurch zu verleiden, datz man ihr fortwährend hineinredet. Ich danke den Herren, datz sie bereit sind, mit uns zu verhandeln, und möchte mit einer Bemerkung über die vpnHerrn Dr. Quarck berührten Trambahnfragen schließen. Er hat dabei sich die Freude gemacht, offene Thüren einzurennen. Denn wenn wir diesen Stratzenzug, von dem im Magistrat seit zwei Fahren die Rede ist, fertig haben, dann kann mich die läng st geplante Trambahnlinie aus­geführt werden.

Stadtv. K i r ch h e i m wendet sich gegen die Bedenken verschiedener Vorredner. Stadw. W e l b gibt der Kommis­sion den Rath mit auf den Weg, bei der Feststellung der Fluchtlinie den Bau des Bürgerhospitals zu berücksichtigen, der von künstlerischem Werth sei. Stadtv. Dr. Rößler erklärt gegenüber den Ouarckschen Ausführungen, datz die Frankfurter Zeitung" dem Physikalischen Verein durch Zu­wendung von jährlichen Mitteln die Errichtung einer Meteorologischen Station ermöglicht, sich aber durch Ver­trag die alleinige Ueberlassung der Witterungsberichte Vor­behalten habe. Der Redner gestand zu, datz u. A. nament­lich die chemische Industrie dem genannten Institute große Vortheile verdanke. Hinsichtlich der Verweigerung einer Turnhalle an den Arbeiterturnverein sprach er, wie schon früher, sein lebhaftes Bedauern über die Stellung des Magi­strats aus. ~ '

! Der Antrag Dr. Geigers auf Verweisung der! Vorlage an Len Finanz- und Hochbauaus^. schuß wird darauf gegen die Stimme Heülers a n g e W nommen.

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