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AMfurker Nachrichten, Ssnnkag den 11. Januar 1903
Wisserrsch-Lsllrche Sitzung dsv SsuFeu-
bergischerr Natursorschenden Gesellschaft.
Frankfurt a. M., IO Januar 1903.
Vorsitzender: Dr. A ugu st Knoblauch.
Der Vorsitzende begrüßt die zahlreich erschienenen Mitglieder in der ersten Sitzung des neuen Jahres und theitt mit, daß mit Ende 1902 der erste Direktor, Oberlehrer I Blum, und der erste Sekretär, Dr. med. E. H ergenbahn, nach zweijähriger Amtsführung satzungsgemäß aus der Direktion ausgeschicden sind. An chre Stelle wurden für die Jahre 1903 und 1904 Dr. meö. A. KnobIau ch und Dr. xllll. I. G u l d e gewählt.
Alsdann legt der Vorsitzende das noch zir Ende des. vorigen Jahres erschienene Heft 1 des XX VII. Bandes' der „A b h a n d l u n g e n" vor, enthaltend eine Arbeit vcn Pros. Döderlein in Straßburg über „Die Koral- lengaltung Fungia" mit 25 künstlerisch autge- führten Tafeln. Die interessante Arbeit bildet die Fortsetzung von Pros. Voeltzkows „Wissenschaftlichen Ergebnisse der Reist in Madagaskar und Oslasrika in den Jahren 1889—1895", deren beide ersten Bände — M
gleich Band XL! und XXVI der „Abhandlungen" —! bereits komplet vorliegen. !
Auf diesen Reisen hat Prof. Voeltzkow aus den Mitteln der Rüppelstiftung der Senckenberg- ifchen Natnrforschenden Gesellschaft im Jahre 1892 auch die Aldabra-Jnseln besucht und bei Erforschung derselben festgestellt, daß diese Inselgruppe nicht, wie man seither annahm, ein Korallenriff ist, sondern ein altes Riss, tvelches aus einem durch die Thätigkeir kleinster mikroskopischer Lebewesen erzeugten Homogenen- Kalk besteht, und daß erst durch eine spätere Ueberrindung dieses allen Riffs mit Korallen ein Korallenriff oorgetäuschr wird.
Auf Grund dieses wichtigen Forschungsergebnisses, welches Voeltzkow in seiner Arbeit „über den Aufbau und bie Entstehung der Aldabra-Jn- s e l n" im XXVI. Band der „Abhandlungen" niedergelegt hat, ist ihm von der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin aus den Mitteln der Heckmann-Wentzel-Stiftung die Summe von 15,000 Mark für eine neue Reise nach Ostafrika bewilligt worden, welche in erster Linie eine Erforschung des Aufbaues und der Entstehung der Korallenriffe im dortigen Küstengebiet bezweckt. Pros. Voeltzkow, welcher die Dauer seiner neuen Reise auf ly^ bis 2 Jahre berechnet, wird im Lause dieses Monats Europa verlassen. Geplant ist zunächst der Besuch der Witu° Inseln, sodann eine eingehende Durchsuchung des Sansibar-Archipels und ein mehrmonatlicher Aufenthall auf der Comoren- Gruppe, und schließlich Reisen auf Madagaskar Zur Erforschung der Urwälder der Ostküste, der Seen des Hochplateaus und der Wüsten des Südens dieser großen Insel
Nach diesen Mittheilungcn des Vorsitzenden hält das korrespondirende Mllglied der Gesellschaft, Geh. Rath Prof. Dr. I. W. S p e n g e l aus Gießen einen anziehenden, mit großem Beifall aufgenommenen Vortrag über:
„Schwimmblase, Lunge und Kiemen."
Bei einem Versuch, die zwischen Schwimmblase, Lunge und Kiemen bestehenden Beziehungen zu ermitteln, ist es dringend erforderlich, die morphologische und die Physiologische Betrachtungsweise der Organe möglichst scharf auseinander zu halten. Organe gleichen morphologischen Wer- thes können bei verschiedenen Thicren ihre Funktion wechseln sPrinzip des Funktionswechsels, D o h r ns, und der gleichen Funktion können bei verschiedenen Thieren Organe verschiedenen morphologischen Werths dienen Minzip der Substitution der Organe, Kleinenberg). Für letzteres sind ein Beispiel die Athmungsorgane der Wirbelthiere: Kiemen und Lungen, für ersteres die Schwimmblase und
die Lunge, unter denen nach der herrschenden Ansicht Homologie besteht. Dieser steht zwar die Thatsache entgegen, daß die Schwimmblase in der Einzahl vorhanden ist, über den: Darm liegt und von oben her in denselben ein- mündet, wohingegen die Lunge doppelt ist, unter dem Darm liegt und von unten her in ihn einmündet. Allein die vergleichend anatomische Forschung hat unter den Fischen Formen nachgewiesen, deren Schwimmblasen sich bald in dem einen, bald in dem anderen der genannten Punkte wie die Lungen verhallen, und die zum Theil auch insofern von den gewöhnlichen Schwimmblasen abweichen und den Lungen gleichen, als sie wie diese gebaut sind und mit atmosphärischer Luft vom Munde aus gefüllt werden können, während die echten Schwimmblasen mit Gasen gefüllt sind, die aus den: Blut ausgeschieden werden. Für hie Annahme einer allmählich entstandenen Aenderung der Funktion ist es von Wichtigkeit, daß manche Fische den in ihrer Schwimmblase enthaltenen Sauerstoff wieder in ihr Mut aufnehmen und so zur Athmung mit verwenden können, wie es in der Lunge regelmäßig geschieht. Füllung mit Luft vom Munde aus ist dafür noch günstiger. Am weitesten sind diese denen der Lunge entsprechenden Einrichtungen bei den sogenannten Lungenfischen ausgebildet, deren zwei Schwimmblasen physiologisch und anatomisch den Lungen der Amphibien gleichen, auch darin, daß sie die Elemente eines Kehlkopfs aufweisen und ihre Blutgefäßversorgung mit derjenigen der Lungen übereinstimmt.
Für die Annahme einer Umwandllmg der Schwimmblase in eine Lunge ergeben sich Schwierigkeiten, da die erstere bei diesem Vorgang von der Oberseite auf die Unterseite des Darms gerückt und dabei die mit ihr zusammenhängenden Blutgefäße Verschiebungen erfahren müßten, wie sie in Wirklichkeit nicht beobachtet werden. Boas hat deshalb die Hypothese aufgestellt, die Schwimmblase sei vor ihrer Lageveränderung in zwei Blasen getheilt, jede an einer Seite um den Darnr herum auf die Unterseite gewandert und beide dann wieder mit einander ver- wachsen. Da diese Annahme auf gewichtige Bedenken stößt, wird man es mit Sagemehl für wahrscheinlicher halten, daß das-zuerst vorhandene Organ sich lungenähnlich verhallen habe und aus ihm die Schwimmblase hervor- gegangen sei, welche dann die für eine solche zweckmäßige Lage an der Oberseite des Darms angenommen habe. Vortragender versucht diese Ansicht zu stützen, indem er die lungenähnlichen Organe als ein paar ursprünglicher Kiementaschen betrachtet, ^asür beruft er sich auf diel Herkunft der Skelet- und Muskelbestandtheile des Kehl»! kopfs an den entsprechenden Theilen der Kiementaschen! und auf die Blutgefäßversorgung durch Aeste der Kiemenarterien. Eine Vereinigung von zwei Kiementaschen zu einer gemeinsamen Mündung kommt auch bei gewissen! Fischen vor. Vielleicht sind aber patt ziveier Kiementaschen 1
nur zwei Aussackungen solcher zu Lungen geworden, wie sie sich in Zusammenhang mit sogenannten accessvrischen Kiemenorganen bei Fischen finden.