akademische Feier in dem großen Vogelsaale des Museums­gebäudes statt. Die Rednerbühne war mit Pflanzen ge­schmackvoll umgeben und aus mehreren Tischen und sonst im Saale sah mau zahlreiche Naturalien, die in dem letzten Jahre dem Museum zugewendet worden waren oder eine wissenschaftliche Bearbeitung gefunden hatten. Auch mehrere wissenschaftliche Veröffentlichungen, Abhandlungen und Be­richte waren ausgelegt. Eine stattliche Anzahl von Theil- nehmern hatte sich zur Feier eingefunden, darunter der Herr Oberbürgermeister, Deputationen von Vereinen und Freunde der Gesellschaft von hier und auswärts.

Herr Professor Dr. Noll als erster Direktor begrüßte die Versammlung und gab sodann einen Ueberblick über die Entwicklung der Gesellschaft seit ihrem Be­stehen.

Er hob die Verdienste des Lehrers an der Anatomie, Dr. med. Cretzschmars, hervor, der die erste Anregung zur Gründung einer naturwissenschaftlichen Gesellschaft in hiesiger Stadt gab und sie auch in das Leben zu rufen verstand. Die schon vom Anfänge an reichlich zusammenfließenden Sammlungen wurden bis zur Fertigstellung des Museums­gebäudes, das bereits am 22. November 1821 eröffnet werden konnte, in einem gemietheten Lokale im Junghose aufgestellt. Durch Dr. Rüppells Reisen häufte sich soviel des seltensten und werthvollsten Materials an, daß schon 1832 ein Anbau an dem Hause und 1842 ein Aufbau auf ihm nöthig ge­worden war. Seit dem Auszuge des Physikalischen Vereins 1883 sind auch die Parterre-Räumlichkeiten frei geworden, und in diesen wird eben die reiche Sammlung von Ver­steinerungen aufgestellt, in der besonders die Knochen großer Säugethiere, die früher auf dem Boden des Mainthals gelebt haben, Elephant, Nashorn, Pferd und Urbüffel, auf­fallen. In den Sammlungen sind die Vögel sowie die Reptilien und Amphibien neu geordnet, andere Abtheilungen werden demnächst in Angriff genommen. Aufmerksam zu machen ist auch auf die biologische Darstellung unserer ein­heimischen Thierwett, die sogen.Lokalsammlung", die sich großen Besuches erfreut.

Von den Publikationen der Gesellschaft ist der Jahresbericht stets umfangreicher geworden, dadurch, daß er wissenschaftliche Beigaben mit Illustrativen enthält. Der vorjährige hat einen Umfang von 28 Bogen erreicht. Von denAbhandlungen", zu denen^ auch namhafte auswärtige Gelehrte Beiträge liefern, ist der 18. Band in Angriff genommen. Diese Schriften sind ein sprechender Beweis dafür, wie rege das wissenschaftliche Leben in der Gesellschaft pulsirt; sie liefern zugleich ein werthvolles Tauschmaterial für die Vergrößerung der bereits sehr ansehnlichen Bibliothek.

Auch zwei Preise vertheilt die Gesellschaft für die be­deutendsten wissenschaftlichen Leistungen, den v. Sömmer­ringpreis und den Tiedemannpreis. Ersterer ist bis jetzt 15mal, letzterer 5mal vergeben worden. An dem Stieb elpreis, der von der Dr. Senckenbergischen Stift­ungsadministration bestimmt wird, hat die Gesellschaft inso­fern Antheil, als sie zu der aus 5 Mitgliedern bestehenden Preiskommission zwei ernennt. Höchst erfreulich ist es, daß unter den Preisgekrönten nicht weniger als vier Frankfurter stch beflnden, die Professoren Anton de Vary, Hermann von Meyer, Otto Bütschi und Dr. Gasser.

Reisen sind für die Gesellschaft bekanntlich in großartigstem Stile von Dr. Rüppell, dem ersten deutschen Äfrikaforfcher, ausgesühxt worden. In neuerer Zeit hat die zu Ehren dlL^s Reisenden benannte Rüppellstiftung Nützliches für das

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Museum und das innere Leben der Gesellschaft geleistet; auch der verstorbene Graf Bos e hat mehrere Reisen ns Interesse der Gesellschaft veranlaßt.

Außer denwissenschaftlichen Sitzungen", in welchen nur für die Mitglieder der Gesellschaft Vorträge in den Monaten des Wintersemesters über wissenschaftliche Dinge gehalten werden, sind in den letzten Jahren auch mehr populär ge­haltene Vorträge veranstaltet worden, zu denen auch die Familien der Mitglieder sowie sonstige Freunde der Natur­wissenschaften Zutritt haben. Zu beiden Arten von Zu­sammenkünften haben die im Interesse der Gesellschaft ver­anstalteten Reisen reichliches Material geliefert.

Die regelmäßig gehaltenen Lehrvorträge, anfänglich nur von Cretzfchmar und dann von Lucae besorgt, haben mit der Zeit ebenfalls an Zahl zugenommen, indem stets zwei Dozenten der Gesellschaft nebeneinander lesen. Diese Vor­träge, besonders stark von hiesigen Lehrern besucht, tragen wesentlich zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse in unserer Vaterstadt bei, da sie sehr stark, in. letzter Zeit auch von Damen besucht werden.

Zahlreich waren die Gönner, die das Gedeihen der Ge­sellschaft durch regelmäßige Beiträge oder Geschenke von An­fang an bis in die neuste Zeit förderten. Es war unmög­lich alle Namen aufzuführen, und nur einige aus älterer Zeit wie Simon Moritz v. Bethmann, Haus Roth­schild, Heinrich Mylius sau. in Mailand, Rüppell wurden hervorgehoben. Von Herrn Moritz Rapp wurde die Gesellschaft zur Miterbin eines Vermögens eingesetzt, das ihr aber erst später Nutzen bringen wird. Die ver­storbene Gräfin Bose, geb. Gräfin von Reichenbach- Lessonitz, hat die Zukunft der Gesellschaft durch die Schenkung eines Hauses auf der neuen Mainzerstraße sowie die Hinterlassung eines großen Kapitals sicher gestellt, wenn­gleich noch große Abgaben an Zinsen durch die Gesellschaft zu leisten sind und auch in Zukunft die gesteigerten Auf­gaben nur durch fortdauernde rege Betheiligung der Bürger­schaft gelöst werden können. Herr Graf Bose hat ebenfalls wiederholt Unterstützungen gewährt, und neuerdings hat Herr Albert von Reinach in hochherziger Weise durch zwei Stiftungen die Gesellschaft in den Stand gesetzt, die Arbeiten im Museum sowohl wie die wissenschaftliche Bo- arbeitung des heimathlichen Bodens zu fördern.

Der Vortragende schloß seinen Ueberblick über das Leben und Wirken der Gesellschaft mit der Zuversicht, daß auch in der Zukunft der Gemeinsinn in unserer Vaterstadt sie stützen werde und daß ihre Leiter und Arbeiter mit gleicher selbst­loser Hingabe sich ihr widmen werden, wie ihre vortrefflichen Vorfahren es gethan haben.

Noch theilte der Vortragende mit, daß zur Feier des Jubiläums 16 der verdienstvollsten Vertreter der Natur­wissenschaften, Professoren des In- und Auslandes, zu Korrespoudireuden Mitgliedern" der /Gesellschaft ernannt wurden.

Den wissenschaftlichen Vortrag hielt Herr Dr. med. L. Edinger: Ueber die Entwicklung unserer Kennt­nisse von der Netzhaut des Auges.

Der Vortragende hatte eigentlich beabsichtigt zu zeigen, wie sich in den letzten 75 Jahren die Lehre vom Sehen ge­faltet hat. Es sind aber auf diesem Gebiete so enorme Fortschritte gemacht worden, daß es nicht möglich ist, sie im Rahmen eines kurzen Vortrags genügend darzustellen. Er hat deßhalb vorgezogen, nur die Entwickelung unserer Kenntnisse von der Netzhaut zu behandeln. Der Gang der