künde. Die sachliche Auskunft geht ihn eigentlich nichts an, obgleich er sie gern erteilen wird, soweit er dazu im Stande ist. In der literarischen Auskunft aber muß er seinen Mann stehen. Nicht alles wissen kann er, aber alles finden muß er.
Diese Übung in der Bücherkenntnis und der Bibliographie hat aber erst dann einen rechten Sinn und erhebt sich erst dann über das rein Handwerksmäßige, wenn sie Hand in Hand geht mit der Kenntnis der Geschichte der Wissenschaften und mit der Verfolgung der täglichen wissenschaftlichen Produktion. Und damit kommen wir zu dem dritten wissenschaftlichen Hauptgeschäft des Bibliothekars, dem Büchersammeln. Kenntnis der Geschichte der Wissenschaften einerseits und Verfolgung der täglichen wissenschaftlichen Produktion andrerseits sind die wesentlichen Vorraussetzungen um eine Bibliothek zusammenzubringen oder mit einer schon vorhandenen lebendige Fühlung zu gewinnen, sie sachgemäß zu ergänzen. Die Geschichte der Wissenschaften und ihrer Quellen ermöglicht dem Bibliothekar ein Urteil bei den retrospektiven Erwerbungen, denn er weiß alsdann um so leichter zu erkennen, welche Werke noch aktuellen Wert haben, d. h. noch für die heutige gegenständliche Forschung oder Belehrung von Wichtigkeit sind, welche Werke nur noch historischen Wert haben, d. h. nur noch für die Geschichte ihrer Wissenschaft in Betracht kommen, und welchen Werken beides abgeht. Zu den Quellen der Wissenschaften aber gehört alles, was wir im engeren Sinne Literatur nennen, ferner Kunst, Recht usw. Der Bibliothekar muß daher auch umfassendere Sprachkenntnisse besitzen als die meisten anderen akademischen Berufe, er muß ferner über angemessene Kenntnisse in der Literatur-, Kunst-, Rechtsgeschichte usw. verfügen, um bei seiner Sammel- oder Katalogarbeit nicht unausgesetzten Hemmnissen zu begegnen. Und wo die Geschichte der Wissenschaften aufhört und das aktuelle Leben beginnt, da befähigt die bibliographisch-kritische Information, die Einsicht in die Neuerscheinungen und der lebendige Verkehr mit fachkundigen Benutzern den Bibliothekar, objektiver zu urteilen als irgend ein Fachgelehrter, der nur Fachgelehrter ist. Denn Bibliothekar sein, heißt auch hier wieder, jedem Fach dasselbe Verständnis und dasselbe Interesse entgegenbringen. Und dem Urteil der Fachgelehrten steht der Bibliothekar gegenüber wie der Richter den Gutachten der Sachverständigen. Nicht Sachkunde ist die wichtigste Eigenschaft des Richters, sondern Unbefangenheit. Zur Sachkunde stehen ihm jederzeit Sachverständige zur Verfügung, ebenso dem Bibliothekar. Dem Sachverständigen auf wissenschaftlichem Gebiet mangelt es aber nicht selten an Unbefangenheit, indem er ohne es zu wollen sein Fach für wichtiger ansieht als andere. Das ist einer der Gründe, weshalb die deutschen Universitätsbibliotheken nicht mehr wie früher von Universitätsprofessoren geleitet werden. Wie aber der Richter Welt- und Menschenkenntnis besitzen muß, um die Gutachten des Sachverständigen richtig zu bewerten, so dient dem Bibliothekar die Kenntnis der Geschichte und des gegenwärtigen Betriebes der Wissenschaften als Stütze, um jede gelehrte Partei zu ihrem Recht gelangen zu lassen.
Auch bei der Annahme von Geschenken ist in ganz ähnlicher Weise zu verfahren wie bei den Anschaffungen. Nicht jedes Werk, das als Geschenk angeboten wird, ist ohne weiteres aufzunehmen, schon deshalb nicht, weil bereits der Platz, den es auf dem Büchergestell einnimmt, erhebliche Kosten verursacht. Vor allem darf bei der Auswahl der Geschenke das Benutzungsziel der Anstalt ebensowenig wie bei den Anschaffungen
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