Prof.i.R.H.Bluntschli Bern. Aebistrasse 9.

Bern,10.Dezember 1948

Herrn Professor Dr.R.Mertens

Direktor des Natur-Museums Senckenberg

Frankfurt a.Main.

Sehr geehrter und lieber Herr Direktor !

Besten Dank für Ihr Werbeschreiben vom 4.Dez.und dessen Beilage.Daraus ist zu ersehen,wie viel sich schon zum guten gewandelt hat,seit ich Sie im Herbst 1947 im Museum aufsuchen durfte.Und wenn nun die Währungsänderuna den weiteren Fortschritt in Frage stellt,dann lässt sicn die Sorge und die Fülle der Bedenken recht wohl verste­hen,die Sie erfüllen.Ihr Schreiben kam annähernd gleich­zeitig mit einer Menge von neuen Alarmrufen aus deutsch­en Gauen.Und wenn darin zu lesen steht,dass Kinos und Dancings,Wirtshäuser und Cafes in Menge wieder aufge­baut worden sind,zur Behebung der Wohnungsnot aber bis­lang erst wenig geschah,dann machen wir uns im Ausland besondere Gedanken.Dass Sie für ihr bewundernswertes Mu­seum weibein,andere es.für ihre Institute tun,dritte Druckförderungen ihrer Publikationen erbitten,wie mensch­lich verständlich ist das alles.Und dennoch steigt in einem die Frage auf,ob das der richtige Weg sein könne um aus der Tragoedie,die über das deutsche Volk gekommen ist,wieder zu natürlicheren und gesunderen Verhältnissen zu gelangen.Wir leben auch im «Wunderland der Schweiz» unter schwerem Druck vor Kommendem und so viel an Hilfs­bereitschaft bis vor kurzem geschah,so schwierig ist es jetzt geworden irgendwelche Mittel für Aktionen zu er­langen,die jenseits der aller direktesten Humeyitätsförde- ung liegen.Die auch bei uns noch ständig fortschreitende Geldentwertung hat ebensowohl unsere wissenschaftlichen Gesellschaften,als auch Museen,Sammlungen usw.vor bitter­ernste Situationen gestellt.Die sehr zahlreich aus dem Ausland kommenden wissenschaftlichen Vortragenden können kaum mehr durch Bezahlung ihrer Reiseauslagen kümmerlich entschädigt werden und ein anständiges Honorar bekommt höchstens noch ein Nobelpreisträger für Vorträge,die von geschäftlich interessierter Seite organisiert werden.So liegen die Dinge im allgemeinen.Dass sie im Speciellen überall dort,wo jemand aus deutschen Einkünften leben soll,die er seit langen Jahren nicht erhält,noch viel übler sich verhalten,brauche ich Ihnen kaum zu sagen.Und wie viele Leute gibt es in der Schweiz,die Hab und Gut in Deutschland verloren haben und bettelarm in die Hei­mat zurückkehren mussten.Was an Guthaben drüben blieb wurde entweder von einem Hitler konfisziert,oder gieng mit der Währungsumstellung genau so verloren wie für deutsche Menschen.Wer Grundbesitz hatte^verlor die Bau­ten vielfach durch Zerstörungen,und was noch steht unter­liegt nun der 50% Zwangshypothek.Macht man sich in deut­schen Gauen klar,in welch hohem Grad gerade die geistig interessierten Schichten tatsächlich in Mitleidenschaft gezogen worden sind? Doch es steht nicht nur bei uns so.