RICHARD ANDREAE
WIESBADEN
4 April 1930
WILHELMSTRASSE 38
Liebes Bräulein Pixis ,
Schon gleich bei Empfang wollte ich Ihnen Ende letzten Jahres danken für Ihre so freundlichen Zeilen, worin Sie mir mitteilten, dass mich die Senckenberg.Naturforsch.Ges. vorläufig auch ohne Beitragszahlung als Mitglied in ihren Listen weiterführen und behandeln will. Ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, dass dieses weitgehende Entgegenkommen grossenteils auf Ihre Fürsprache zurückzuführen ist und danke Ihnen herzlichst für Ihr liebenswürdiges Gedenken. Im November kam ganz plötzlich viel Unglück über unsere Familie und ich fand seitdem über mancherlei Sorgen und Aufregungen nicht die Ruhe und Zeit Ihnen zu schreiben. Meine Schwiegermutter und auch meine Frau verloren Bei dem Zusammenbruch von Paul Schlesingergirier & Co ihr gesammtes Vermögen und auch bezügl. meiner Firma rechnete ich damals schon mit evtler. Liquidation infolge des Zusammenbruchs der Favag -mit der wir grosse Immobiliengeschäfte laufen hatten - und infolge gewisser Vorkommnisse bei meinen Kommanditisten, den Herren F.W. Krause & Co Berlin. Tatsächlich konnte ich mich nur etwa 3 Wochen länger halten als letztgenannte Firma, aber glücklicherweise gelang es mir bis dahin die von mir geleitete Konto-Korrent Abteilung in Wiesbaden bis auf einen unwichtigen Fall correct und glatt abzuwickeln, sodass keiner meiner Privatkunden auch nur einen Pfennig verlor. Allerdings büsste ich als persönlich Haftender mein Vermögen dabei ein. Jetzt habe ich nur noch mit ca. fünf Grossgläubigern zu tun, mit denen ich bis jetzt recht gut auskam da die betr. Finanzgeschäfte von einem Herrn aus Berlin geleitet wurden und meinem Einfluss entzogen waren.
Ich möchte nicht verschweigen, dass Ihre Gesellschaft auf eine Beitragszahlung meinerseits in absehbarer Zeit kaum wird rechnen können, da meine Lage sehr misslich ist und ich mich seit etwa 3 Monaten vergeblich um eine Stellung bemühe, die es mir ermöglichen würde