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Jahrgang 1908 München, Sonntag, 15. November Stummer 118

Inhaktsuversicht.

Hauptartikel: Der Anteil der geistlichen Ritterorden an dem geistigen Leben ihrer Zelt. Bon Professor Hans Prutz (München).

Eine literarhistorische Entdeckung Marttn Luthers. Bon Professor Otto CrnstuS iMünchen).

Strciszüge durch Kolumbien. (I. BogotL.) Bon Max Freiherrn o. Wendland (Bernried).

Ein neues Buch von Wilhelm Bölsche. Bon Dr. Hugo Eick (Ising). RilkeSNeue Gedichte". Bon Friedrich v. Oppeln-Broni- kowsli (Eharlottenburg).

Bücherbesprechnngcn > Homers Ilias von Boß, neu herausgegebcn von H. ffeigl. - Das Tränenhaus, Roman von Gabriele Reuter. Reise dcS kleinen Nils Holgcrson mit den Wildgänsen von Selma Lagerlöf (8. Tel». Jugendbrunnen von Fedor Flinzcr. Allgemeine Rundschau: Neusprachliches Studium in Frankreich. Der Krieg gegen die Auster.

Kleinere Mitteilungen.-Hochschulnachrichten.Büchereinlaus. Zeitschriftenscha«.

Der Anteil der geistlichen Ritterorden an dem geistigen Lebe» ihrer Zeit.*)

Von Hans Prutz.

Vollkommener und eigenartiger als in irgend einer von den zahlreichen verwandten und ähnlichen Bildun­gen hat die Geistesrichtung, welche die abendländische Christenheit im Zeitalter der Kreuzzüge beherrschte, in den großen geistlichen Ritterorden ihren Ausdruck gefunden.

Es war nicht bloß religiöse Begeisterung und schwär- merische Frömmigkeit, was zwei Jahrhunderte hin­durch immer neue Zehntausende über das Meer nach dem Osten trieb, um in einem bald jeder Aussicht auf Sieg entbehrenden Kampf mit den Ungläubigen um den Belitz der heiligen Stätten, zu ringen: die über- schießenoe Kraftfülle waffenfroher und 'krieggewohnter Nationen, der die gewandelten staatlichen, gesellschaft­lichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Heimat die Betätigung allmählich unmöglich zu machen drohten, wandte sich gern einem Schauplätze zu, wo sich auch dem Niedrigaeborenen die Aussicht zu erschließen schien, zugleich mit seinem Seelenheil sein materielles Wohlsein zu fördern. Nur wenigen freilich ist die Er- füllung solcher Hoffnungen beschieden gewesen, und auch die Massen, welche dem wechselvollen Kampf im Osten aus der Ferne gespannten Blickes folgten, sahen mit loachsender Sorge und steigendem Unmut, wie ungeheure materielle Mittel und kostbare geistige und sittliche Kräfte an ein Unternehmen gesetzt wurden, das nach Lage der Dinge unmöglich einen günstigen Ai'saang nehmen konnte. Und dennoch hat sich aus

*) Festrede, gehalten in der öffentlichen Sitzung der bayerischen Akademie der Wissenschaften am 14. November 1808.

diesem für die daran beteiligten Nationen eine nicht leicht zu überschätzende Fülle des mannigfachsten Ge­winns ergeben. Die Schranken fielen, die sie bisher getrennt, "die Bande lösten sich, die ihre Bewegung bis­her gehemmt hatten: die Welt in ihrer Schönheit und ihrem Reichtum tat sich vor ihnen auf und, geistig be­freit, wurden sie des Rechts und der Pflicht inne, in ihr und für sic zu leben. Unmittelbar aus dem durch die Kreuzzüge bereiteten Boden erhob sich, köstliche Frucht verheißend, die farbenprächtige Blüte der Re­naissance.

Es wird immer eine besonders reizvolle Aufgabe bleiben, diesem großen kulturgeschichtlichen Prozeß im einzelnen nachzugehen, das Spiel der darin tätigen Kräfte, wie sie halb zusammen-, bald gegeneinander wirken, einander bald unterstützen, bald' a'usheben, zu beobachten und den Wechsel von Anregen und Angeregt­werden, von Geben und Empfangen zwischen den daran beteiligten Kulturen zu verfolgen, um so wenigstens streckenweise das viclverschlungene Gewebe, dem man das schließlich«: Ergebnis vergleichen möchte, in seine Bestandteile aufzulösen. Einen besonders wichtigen Einschlag, hier und da die das Ganze Zusammenhalten- den und tragenden Fäden haben die geistlichen Ritter­orden dazu beigesteuert, welche um im Bilde zu bleiben vielfach auch das Muster vorgezeichnet und die Farbe bestimmt haben.

Sind sie doch in mancher Hinsicht geistig soivohl wie materiell die Träger der Kreuzzugsbewegüng gewesen. Diearmen Ritter Christi vom Tempel Salomonis zu Jerusalem" haben durch die Verschmelzung von Mönchtum und Rittertum das zu so großen Dingen berufene geistliche Rittertum zuerst geschaffen und da­durch eine Fülle bisher oft vergeudeter materieller Mittel und sittlicher Kräfte in den Dienst eines allge- mein verständlichen Ideals gestellt. Nach ihrem Vor- bild wandelten die älterenarmen Brüder vom Hospi- tal Johannes des Täufers von Jerusalem" ihre Ge­nossenschaft entsprechend um, welche durch das Netz ihrer Niederlassungen mit den Pilgerherbergen und Krankenhäusern bereits das Abendland umspannte und weit nach dem Osten hinübergriff und so die unerläß- liche Voraussetzung geschaffen hatte für eine solche dauernde Massenbewegung, wie sie die Kreuzzüge als eine ostwärts gerichtete Völkerwanderung ins Leben riefen. DenDeutschen Herren zu St. Marien" aber war es beschieden, die kolonisatorische Tätigkeit, die jenseit des Meeres erfolglos geblieben war, auf einem anderen Schauplatz unter günstigeren Umständen wie­der aufzunehmen und zu einem glücklichen Ende zu führen.