Frankfurt a. M-, den 12. Januar 1921

Einem hohen Reichstag

unterbreiten die Unterzeichneten Gesellschaften und Institute den Antrag, die in der vorliegenden Novelle zum Reichs-Einkommensteuergesetz beantragte Streichung des § 13 Ziffer 7 nicht genehmigen zu wollen, nach welchem Beiträge an kulturfördernde, inildtätige, gemeinnützige und politische Bereinigungen vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden können, soweit ihr Gesamtbetrag 10 °/o des Einkommens nicht überschreitet.

Begründung:

Die Deutsche Wissenschaft, der weder die Länder noch die Gemeinden in ihrer Finanznot zu Hilfe kommen können, hat nur eine einzige leise Hoffnung, den gänzlichen Zusammenbruch aufhalten zu können. Trotz aller Steuern, trotz der furchtbaren Wirtschaftslage haben sich bisher immer noch weite Kreise des Volkes ihren gemeinnützigen Sinn bewahrt! sie haben wie in besseren Zeiten gespendet, so gut es ging und das Schwerste verhütet. Aber niemand wird sich darüber täuschen dürfen, daß in dem Augenblick, indem solche Beiträge versteuert werden müssen, die Gebefreudigkeit so gut wie abgeschnitten wird. Dann werden die meisten deutschen gemeinnützigen Institute, die zur Bildung des Volkes, zur Förderung der Wissenschaft und Kultur gegründet worden und ganz oder zuin großen Teil auf private Mittel angewiesen sind, entweder untergehen oder sich hilfesuchend an den Reichstag wenden müssen.

Schon heute ist die Lage aller Institute und Stiftungen, deren segensreiche Tätigkeit durch Jahrzehnte den Ruf deutschen Wissens und Wesens fördern half, außerordentlich kritisch und nur private Freigebigkeit hat sie zu erhalten vermocht. Dies trifft aber in ganz besonders hohem Maße für die Unterzeichneten gemeinnützigen Gesellschaften und Stiftungen der Stadt Frankfurt am Main zu, die zum Teil seit über einem Jahrhundert lediglich aus privaten Mitteln eines hochgesinnten Bürgertums unter­halten wurden und die die höchste Bewunderung verdienen. Die Stadt konnte schon vor dem Kriege aus eigenen Mitteln nichts oder so gut wie nichts zur Blüte der reichen, allen Kreisen offenstehenden Kunst­sammlungen, sowie forschenden und lehrenden Institute beitragen. Wie sollte das jetzt möglich sein, in einer Zeit, in der alle Städte unter einer kaum erträglichrn Schuldenlast seufzen? Für die Unterzeichneten Gesellschaften ist es daher eine Lebensfrage, daß die Gebefreudigkeit der Bürger erhalten bleibt, sie müssen sonst nach langer ruhmreicher Geschichte elend zu Grunde gehen.

Die Unterzeichneten Gesellschaften und Institute vertrauen fest auf das Verständnis der Mit­glieder des Reichstags, die nicht zulassen werden, daß in der furchtbaren Lage Deutschlands sein größtes, seine Wissenschaft zerbricht. Sie bitten, die von der Regierung beantragte Streichung des 8 19 Ziffer 7 nicht zuzulassen.

Senckenbergische Nalurforschende Gesellschaft Dr. Senckenbergische Stiftung Physikalischer Verein Städel'sches Kunstinstitut

Die Forschungs-Institute des Theodor Stern-Hauses Frankfurter Bund für Volksbildung (Ausschuß für Volksvorlesuugen).