welche fast ausnahmslos dem angewandten Nährmaterial entstammen und unter denen das betreffende Torin quan- titativ iedenfalls nur eine sehr geringe Menge ausmacht. Die Abscheidung der Tonne von diesen Stoffen wollte bisher auf keinerlei Weise gelingen, lieber die eigentliche chemiscbe Natur der Toxine wissen wir infolgedessen so gut wie nichts und es ist vollkommen willkürlich, die Toxine einer bestimmten Kategorie chemischer Verbindungen unterordnen und sie beispielsweise, wie dies tatsächlich geschehen ist, den Eiweißkörpern an die Seite stellen zu wollen. Die Bezeichnung der Bakteriengifte als Toralbumine entbehrt bis jetzt noch jeder Begründung.
Unter den Bakteriengiften ninimt das Torin der Tuberkelbazillen eine Ausnahmestellung ein. Es unterscheidet sich von den Toxinen der Diphtherie und des Tetanus durch seine streng spezifische Reaktion. Während nämlich das Diphtheriegift und das Tetanusgift ihre eminente Giftig- ! keit auch' bei normalen, völlig gesunden Individuen cntfal- ! ten, ist das Tuberkulose-Toxin gesunden Menschen und ! Tieren gegenüber ein relativ indifferenter Stoff, welcher'
! fast keine Giftreaktionen auszulösen vermag. Solche In»' ! dividuen dagegen, welche Tuberkelbazillen in ihrem Orga- nisnius beherbergen, also tuberkulös erkrankt sind, reagieren auf ungemein geringe Dosen des Giftes mit typischen, spezifischen Vergiftungserscheinungen. Es gelingt, tuberku- löse Versuchstiere mit Dosen von Tuberkulose-Toxin zu töten, welche bei nornmlen Tieren ohne jede Reaktion vertragen werden.
Fernerhin ist das Tuberkulose-Toxin im Vergleich mit den übrigen Bakteriengiften ein gegen alle chemischen und phvsikalischcn Eingriffe verhältnismäßig widerstandsfähiges Körper.
„ Diesen beiden Eigenschaften haben wir es zu danken, daß wir über die chemische Natur des Tuberkulose-Toxins nicht mehr im Zlveifcl sind, sondern uns wohl begründete Kenntnisse seines chemischen Baues verschaffen konnten.
Das Tuberkulose-Toxin wurde im Jahre 1890 von Robert Koch, dem Entdecker des Tuberkelbazillus, in den Knl- turslüssigkeiten der Tuberkelbazillen nachgcwiesen. Es findet seitdem in der Form des Kochschen Tuberkulins eine ausgedehnte Anwendung in der Menschen- und tierärztlichen Praxis, wo es zur diagnostischen Feststellung dev Tuberkulose, aber auch als Heilmittel benutzt wird. Das Kochsche Tuberkulin ist keine einheitliche Substanz, es bildet ein Gemisch aller möglicher Stoffe, die dem zur Züch- lung der Tuberkelbazillen benutzten Nährmaterial entstammen. Das eigentliche Tuberkulose-Toxin, auf welchem die spezifische Reaktion des Tuberkulins beruht, ist hier nur in sehr geringer Menge vorhanden. Diesem Umstande ist es zuzuschreiben, daß die Versuche, das Tuberkulose-Toxin ■ ans dem Tuberkulin zu isolieren, anfänglich fehlschlugen, wiewohl sich Autoritäten, wie der verstorbene Physiologe Kühne in Heidelberg mit dieseni Problem befaßten Das Resullat der Untersuchungen Kiihnes war fast völlig er-' gebnislos. Er fand, daß die Veränderungen, welche die Tnberkelbazillen in ihren flüssigen Nährböden Hervorrufen, äußerst geringe sind. Eine unbedeutende Zunahme an echtem Pepton, das Auftreten eines roten, dem Tryptophan ähnlichen Farbstoffes und einer durch Essigsäure fällbaren Substanz, welch letztere aber gleichfalls, lvie später gesunden wurde, dem zur Herstellung des Nährbodens verwendeten Witieschen Handelspepton entstammte; dies waren die einzigen Unterschiede, die Kühne beim Vergleich des Tuberkulins mit der ursprünglichen Nährflüssigkeit konstatieren konnte. Aus diesem Grunde wandte man sich naturgemäß der Untersuchung der Leibessubstanz der Tuberkelbazillen selbst zu. Hierbei fand man nun bald die Erklärung für die Tatsache, daß von den im Zellinnern der Tuberkelbazillen enthaltenen löslichen Stoffen mir so geringe Beengen in die Kultnrflüssigkeiien gelangen können. Die Tuberkelbazillen sind' nämlich umgeben von einer Fett- restr Wachsschicht, welche für Flüssigkeiten fast undurchdringlich ist und welche außerdem die große Widerstandsfähigkeit
der Bazillen gegen chemische und physikalische Eingriffe be- > dingt. Durch die Anwendung der kräftigsten Fettlöser, wie! Alkohol, Aether, Chloroform und Benzol gelingt es, die Tnberkelbazillen von ihrem Wachspanzer zu befreien. Der 'Gehalt der Bazillen an Fett resp. Wachs beträgt 25 bis ■30 Prozent der Trockensubstanz der Bazillenleiber. Die chemische Untersuchung dieser Substanzen ergab, daß sich das Tuberkelbazillen-Fett in charakteristischer Weise von den Fetten tierischen oder pflanzlichen Ursprrmgs unter- scheidet. Während nämlich die gewöhnlichen Fette esicr- 'artige Verbindungen des Glycerins mit höheren Fettsäu- xen und zwar vornehmlich der Palmitin- und der Stearin- Säure sind, finden sich an stelle des Glycerins in den Fet-
iten der Tuberkelbazillen höhere, feste, kristallinische Alko- hol" und zwar der Myricilalkohol und der Cerylalkohol, während die Fettsäuren durch die Laurinsäure, die Pal- mitinsäure, die Stearinsäure und die Arachinsänre vertre-
tai sind.
Von wirklichen Glyceriden sind jedenfalls nur Spuren vertreten, denn der Nachweis des Glycerins in diesen Machsmassen gelingt nur mit Hülfe der allerschärfsten che- imischen Reagentien- Dieses Fehlen der Glyceride in dem Jette der Tuberkekbazillen ist eine um so ausfallendere 'Tatsache, als die Tnberkelbazillen für ihr Wachstum gerade des Glycerins unbedingt bedürfen. Um Tuberkelbazillen auf flüssigen Nährböden zu züchten, ist es erforderlich, die Nährbouillon mit 2—4 Prozent Glycerin zu versetzen. Dieser Gehalt an Glycerin erleidet durch die fortschreitende Entwicklung der Kultur eine beständige Abnahme und kann 'im Verlaufe von vier Wochen bis auf 80 Prozent des ursprünglichen Wertes gesunken sein. An Stelle des Glycerins aber findet man in der Nährbouillon eine ester- artige Verbindung dieses dreiwertigen Alkohols mit der Phosphorsäure, nämlich die Glycerinphosphorsäure vor. Die Aufgabe, welche dem Glycerin für die Entwicklung der .Tuberkelbazillen zufällt, wird durch das Vorkommen der Glyerinphosphorsänre in der Kulturflüssigkeit in folgender Weise erklärt: Die Tuberkelbazillen führen das Glycerin mit Hülfe der in der Nährbouillon stets anwesenden Phosphate durch einen synthetischen Vorgang in Glycerinphosphorsäure über, es wird also hierdurch der ursprünglich anorganisch gebundene Phosphor in organische Bindung übergeführt, das Glycerin spielt hierbei die Rolle eines Phosphor-Ueberträgers und man konnte aus diesem Befunde bereits a priori schließen, daß der Gehalt der Tu- ^berkelbazillen an organischen Phosphorverbindungen ein sehr hoher sein müsse. Schon den oben erwähnten Wachsarten war eine geringe Menge von phosphorhaltigen Fetten, nämlich von Lecithin beigeniengt. Der durch die Entfettung ausgeschlossene Zellleib der Tuberkelbazillen aber besteht fast ausschließlich aus organischen Phosphorverbindungen, welche hinsichtlich ihrer chemischen Zusammensetzung den organischen Phosphorverbindungen anderer tierischer und planzlicher Zellen ganz analog gebildet sind. Als Bestandteile des Zellkerns tierischer und pflanzlicher Zellen kennen wir die Nucleine oder Nucleoproteide, welche sämtlich als die Derivate einer organischen Phosphorsäure, nämlich der Nuclei'nsäure aufzusassen sind. Die Nucle'insäure ist im Zellkern entweder gepaart mit |bem Protannn, einem basischen Stoff, den man neuerdings als das Prototyp des einfachsten Eiweißkörpers anspricht, vder mit genuinen Proteinen und Protamin: die Verbindungen der Nuclei'nsäure mit dem Protamin werden als die echten Nuclei'ne bezeichnet, die komplexeren Verbindungen, welche außer dem Protamin noch beliebige Eiweißkörper in ihrem Molekül beherbergen, nennt man Nucleoalbumine oder besser Nucleoproteide. Ganz analog verhalten sich die phosphorhastigen Verbindungen, welche wir in der Leibessubstanz der Tuberkelbazillen aufgefunden haben. Auch hier findet sich eine Nuclei'nsäure, welche ich als Tuberkulinsäure bezeichnet habe, und Verbindungen der Tuberkulinsäure mit einem basischen, dem Protamin analog konstituierten Stoff und mit genuinen Eiweißkörpern. Während so eine völlige Analogie zwischen den Tuberkel- bazillen und anderen tierischen und pflanzlichen Zellen besteht, weichen die in den Tuberkelbazillen aufgefundenen Verbindungen hinsichtlich ihrer chemischen Konstitution und ihrem physiologischen Verhalten nach, von den entsprechenden Verbindungen anderer Fundorte sehr bedeutend ab. Vor allen Dingen sind die Verbindungen der Tuberkulinsäure durch die spezifische Reaktion des Tuber- kulose-Toxins ausgezeichnet, und da die Tnberknlinsäure die gemeinschaftliche Komponente aller der obengenannten phosphorhaltigen Verbindungen aus den Tnberkelbazillen ist, so lag es nahe, gerade diese als die Trägerin der spe- zifischen Reaktion anzusprechen, eine Annahme, welche durch die weiteren Untersuchungen durchaus bestätigt werden sollte. Es gelang, die Tuberkuliusäure in freiem Zustande »us den Tuberkelbazillen abzuscheidcn, und dieser freien Tuberkulinsäure haftet die spezifische Reaktion in erhöhtem Maßstabe an. Es gelang aber auch ferner, die Spaltungsprodukte der Tuberkulinsäure darzustellen und unter diesen Spaltungsprodukten spezifisch giftige von indifferenten, also nicht spezifischen Stoffen zu unterscheiden. Bei der Spaltung zerfällt das Molekül der Tuberkulinsäure zunächst in eine andere organische Phosphorverbindung, welche ich als Tuberculo-Thyminsänre bezeichnete, und in basische Körper, welche zur Gruppe der Alloxurbasen gehören und unter welchen namentlich Guanin und Xanthin gefunden wurden. Guanin und Xanthin sind zwei längst bekannte Verbindungen, denen keine spezifisch toxischen Eigenschaften inne-