Drittes Morgend! att d er Frankfurter Zeitung^
8. Juli 1903 ',
Drittes Morgenblatt der Frankfurter Arttuug. 2. August 1808.
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— Frankfurt, 7. Juli, Stadtverordneten-Versammlung.
Von der Dr. Scnckcnvergischen Stiftung.
Der Vertrag der Stadtgemcinde mit der Dr. Sencken- bergischen Stiftung, über den wir bereits gestern berichtet ihaben, steht dann zur Beratung.
In der Debatte ergreift zunächst Stadtb. Dr. Zirn- L o r f e r das Wort. Er bittet, die Magistratsvorlage nicht mehr von der Finanzkommission prüfen zu lassen, da dies bereits erledigt fei, sondern direkt dem Tiefbauausschuß zu überweisen. Redner geht sodann auf die Bestimmung in § 5, Abs. 1 des Vertrages ein. Hierin heißt es: Um die Errichtung der seitens der Stiftung- der Senckenbergischcn Naturforschenden Gesellschaft und des Physikal-schen Vereins geplanten Neubauten zu ermöglichen, verpflichtet sich die Stadtgemeinde, der Stiftung folgende Grundstücke zu übereignen: 1. den an der Viktoria-Allee zwischen Jordanstraße und Kettenhofweg belegenen, in dem beigefügten Situationsplan abgegrenzten Bauplatz im Flächengehalt von >17,000 qm, welchen die Stiftung zum Preis von Mark 1,830,000 erwirbt. Die Uebergabe hat binnen drei Monaten nach Unterzeichnung des. Vertrages zu erfolgen. Der Kaufpreis wird durch Anrechnung ans die von der Stadt- gcmeinde vorzulegende Garantiesumme berichtigt. Dieses Gelände darf nicht an Private veräußert, sondern nur zu w i s s e n s ch a f t l i ch e n Zwecken benutzt werden.' Redner hält diese letztgenannte Bestimmung, in welcher von wissenschaftlichen Zwecken gesprochen wird, für juristisch unklar und ersucht den Ticf- bauausschuß, hier Klarheit zu schassen. Weiter weist er bei dieser Angelegenheit darauf hin, daß unter der Hand davon die Rede sei, daß die Jügelftiftung einen Teil des I>ier in Frage kommenden Geländes erwerben wolle. . Wenn diese Stiftung an dieser Frage beteiligt sei, müsse eine besondere Vorlage an. die Stadtverordneten gelangen, denn es ginge -ncht an, daß sich die Stadtverordneten durch die obige Bestimmung irgendwie düpieren lassen. Man müsse die Bestimmung so fassen, daß nur unter Genehmigung der städtischen Behörden das Gelände, zu wissenschaftlichen Zwecken benutzt werden dürfe. . ' •
Stadtv. Dr. Geige r führt aus, daß lediglich rein juristische Fragen in dem Vertrage zu prüfen seien und bit-
Geld bezahle, könne den Stadtverordneten ganz gleichgültig fein. Viel wichtiger sei die Frage, ob diese Grundstücke ^ deshalb etwa billiger verkauft werden sollten, weil die Jügel- stiftung kaufen wolle. Das dürfe nimmermehr geschehen, zumal die Stadtverordneten seinerzeit dagegen gestimmt hätten, der Jügelftiftung ftädtischerseits irgendwelche Subvention zukommen zu lassen.
Stadtv. Dr. Rößler wendet sich gegen die Ausführungen Dr. Zirndörsers, insofern dieser gesagt habe, eine Erregung in der Bürgerschaft würde entstehen, wenn etwas für die Jügelftiftung getan würde. . Jedermann habe gewußt, daß die Jügelftiftung einen Teil dieses Geländes erwerben wolle. Man solle doch nicht wieder aufs neue dieser Stiftung Steine in den Weg legen und gegen sie hetzen.
Stadtv. Dr. Zirndorser bestreitet, daß jedermann gewußt hat, die Jügelftiftung wolle das Gelände teilweise kaufen. Jedenfalls haben — so fuhr er fort — dies die Stadtverordneten als solche nicht gewußt. Der Oberbürgermeister hat einmal,ausdrücklich versichert, daß er, falls die FUgelstiftung- hiervon Gelände kaufen wolle, mit einer besonderen Vorlage kommen würde. Er (Redners wolle nur, ldatz die Stadtverordneten nicht hintcrgangen würden. Dr. Zirnoorfer spricht sich auch für eine Ueberweisung der Magistratsvorlage an den Rechtsausschuß aus, wobei er jedoch darauf hinweist, daß dieser selten Zusammentritt und die Erörterungen über die Vorlage durch die Gerichtsferien verzögert werden können.
Bürgermeister Geh. Regierungsrat Dr. Barren- r a p p wendet sich gegen die Beanstandung der Angelegen- eit durch Dr.Zirndorfer. Er wundere sich —so führte er aus - daß man von einer Subventionierung der Jügelftiftung
aus städtischen Mitteln gesprochen habe. Dies liege in der Tat nicht vor. Auf dem Grundstücke solle ein Auditorium mit Hörsälen erstehen. Diese Hörsäle sollen dienen für die, Senckenbergische Stiftung, wesentlich aber für Zwecke der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften und schließlich auch als Räumlichkeiten für die Jügelftiftung. Das Gebäude würde auf Kosten der Jügelftiftung erbaut werden. Liegt nun — so fährt Redner fort — ein Grund vor, dieses Projekt zu bekämpfen? Esewiß möchten viele, daß das Erträgnis der Jügelftiftung nicht zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet werde, aber die Behörde hat es einmal bestimmt und es läßt sich nicht ändern. Wie kann man nun wünschen, daß aus Jügelschem Gelde zu bezahlende Vorlesungen über Literatur usw., die nicht zu der Sphäre der in der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften gehaltenen. Vorlesungen gehören, aber als Ergänzung derselben empfehlenswert sind, nicht in demselben Gebäude, sondern irgendwo anders, womöglich in einem andern Stadtteil gehalten werden? Es handelt sich'doch darum, daß die Jügelftiftung durch Errichtung dieses Gebäudes der Akademie für Sozial-
— Frankfurt, 3. August.
— Vertrag zwischen Stadt und Senckenberg'scher Stift- «ng. Die Prüfung des Vertrags durch den verstärkten Rechtsausschutz — es wurde darüber schon kurz berichtet — mußte sich auf die rechtliche Seite beschränken. Die Beanstandung wegen angeblicher Verschiedenheit des Flächenmaßes erwies sich als unrichtig; die Heranziehung der Stiftung zu Trottoir- und Kanalkosten ist unzulässig, weil -ihr der von der Stadt garantierte Betrag netto zur Verfügung gestellt wurde. Durch die Uebertragung des Verkaufs an den gemischten Liegenschaftsausschuß hält der Ausschuß die Rechte der Stadtverordnetenversammlung für ge- nügend gewahrt, durch bessere Fassung einzelner Bestimmzungen hat er jeder möglichen Verschiedenartigkeit der Auffassung über Sinn und Inhalt des Vertrags vorzubeugen gesucht. Von den Aenderungen sind folgende hervor- Mheben: 8 2 Absatz 1 erhält im Anfang folgende Fassung: z»Die Stadtgemeinde übernimmt es, im Aufträge und für Rechnung der Dr. Senckenberg'schen Stiftung die Verwertung Id es Stistungsgrundstücks usw. zu bewirken." Der gleiche Paragraph erhält folgenden Zusatz: „Dagegen verpflichtet /sich die Stiftung, alle in ihrem Namen abgeschlossenen Verträge zu vollziehen, die Auflassung zu erklären, alle zur Erfüllung und zum Vollzug der Verträge erforderlichen Rechtshandlungen vorzunehmen und die Kaufpreise und, Aktiv-Hypotheken an die Stadtgemeinde abzutreten." Nach (einem weiteren Zusatz ist der Stadtverordnetenversammlung alljährlich Mitteilung von den stattgehabten Verkäufen zu jmachen. § 8 erhält folgende'Fassung: „Die Stiftung ist berechtigt, das Grabmal des Stifters mit Zubehör, das Portal Des^ alten Psründnerhauses, das Wappen vom Bibliothek- zgebäude und andere aus Gründen geschichtlicher Erinnerung »der aus Rücksichten der Pietät von ihr auszuwählenden Gegenstände aus dem Grundstück zu entfernen und für sich jgxt behalten. Ein Verzeichnis dieser Gegenstände soll bald- stunlichst von der Stiftung ausgestellt und dem Magistrat mit- sgeteilt werden. Die Stiftung ist verpflichtet, die Cntsern- mng vor der Uebergabe, spätestens aber innerhalb vier Machen nach Aufforderung des Magistrats zu bewirken." jEndlich verpflichtet § 10 die Stadt, 'auf Verlangen der Stiftung mit ihr ein Abkommen hinsichtlich Pensionierung und Witwen- und Waisenversorgung ihrer Dozenten nach (Maßgabe der mit der Akademie für Sozial- und Handels- Koissenschaft getroffenen Vereinbarungen zu treffen.
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und Handelswissenschaften zweckdienliche Räume zur Verfügung stellt und ihr somit einen großen Gefallen erweist. Auf Kosten der Jügelftiftung werden Einrichtungen geschaffen, die nicht nur für die wenigen Lehrstühle der Jügel- stiftung, sondern zumeist für die Lehrstühle der Dr. Sencken- bergischen Stiftung und namentlich die der Akademie von großer Bedeutung sind. Damit kann wohl jeder einverstanden sein und ich bitte.— so schloß der Bürgermeister—, die Angelegenheit von diesem Gesichtspunkt aus zu betrachten.
Stadtv. Dr. Q u a r ck ist der Ansicht, daß der ganze Vertrag „wimmele" von Begünstigungen, die man der akademischen Bildung entgegenbringe, während man für die Volksbildung nie etwas tun wolle. Redner wünscht von dem Ausschüsse, an den die Vorlage geht, eine genaue Revision des Vertrages und ersucht, darauf hinzuwirkcn, daß das Senckenbergische _ Institut seine mannigfaltigen Sammlungen und Museen weiteren Kreisen erschließt und so zur Hebung der volkstümlichen Bildung beiträgt.
Hierauf wurde die Magistratsvorlage nach den Anträgen der Stadtb. Dr. Geiger und Dr. Zirn- dorfcr an den Rcchtsauschuß verwiesen.