Rrmltstrkr Nachrichirn. Lnmiag Ln» 2L Mrs 1903
Wissenschaftliche Sitzung dev SenÄen-
GeMschafL.
Frankfurt a. M., 21. März 1903.
Vorsitzender: Dr. med. Augu st Knoblauch.
Die interessante Ausstellung, welche die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft ihren Mitgliedern in der heutigen wissenschaftlichen Sitzung zugängig gemacht hat, bildete einen glänzenden Abschluß der diesjährigen Winterveranstaltungen der Gesellschaft. Ausgestellt waren zwei Privatsammlungen von besonderem wissenschaftlichen Werte, welche die Gesellschaft für ihr Museum erwerben zu können hofft, nachdem ihr von zwei Mitgliedern bereits Beiträge zum Ankauf derselben zur Verfügung gestellt tvorden sind. Die berühmte Konchhliensamm» lung von Konsul a.-D. Dr. O. von Möllendorff und die prachtvolle S a m m l u n g e x o t i s ch er Schmetterlinge unseres verstorbenen Mitbürgers I. W. Mann.
Dr. v. Möllcndorsf wurde bereits im Jahre 1885 wegen seiner hervorragenden wissenschaftlichen Verdienste Zürn korrespondierenden Mitgliede der Gesellschaft ernannt, und nachdem er infolge feiner Berufung als Dozent der hiesigen Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften seinen Wohnsitz nach Frankfurt verlegt hatte, trat er 1901 als arbeitendes Mitglied und als Sektionär für Mollusken in die Verwaltung der Gesellschaft ein. Während seines langjährigen Aufenthaltes in China und auf den Philippinen, wo v. M ö l l e n d o r s f als K o n s u l d e s D e u t s ch e n R e i ch e s in Manila ansässig gewesen ist, hat er seine freie Zeit besonders der Erforschung der dortigen Molluskenfauna gewidmet und einen ganz ungeahnten Reichtum an neuen Arten für die Wissenschaft entdeckt. Zunächst spricht Dr. W. K o b e l t über die w is) ens chast lich e Bedeutungder v. MöIlendorffschen Samm- l n n g. Nicht weniger als 814 von v. Mollendorff benannte und beschriebene Arten zählt das veröffentlichte Verzeichnis der Philipp inen sau na auf; mit den Arten von den Mariannenund Karolinen sind es reichlich tausend. Von sämtlichen Arten befinden sich nicht nur die Originale in der ausgestellten" Sammlung, sondern ganze Serien, wie sie kein Museum auch nur annähernd besitzt. Die prachtvollen großen C o ch l o st y l a, von denen einzelne wenige, vor Jahrzehnten erworbene Stücke z. Zt, den Stolz der Konchy- liensammlung des Senckenbergischen Museums bilden, liegen in Reihen von Hunderten auf und geben eine Grundlage für eine Zoogeographie des Philippinen-Archipels, die unter keinen Umständen zersplittert werden darf.
Dazu kommen Hunderte von chinesischen Arten, die v. Möllendorff teils selbst gesammelt teils durch > chinesische Sammler und einige von ihm für die Zoologie !,begeisterte Freunde hak sanimeln lassen; und an sie reihen sich die i n n e r a s i a t i s ch e n Arten an, welche russische Reisende in den letzten Jahren gesammelt haben, und welche v. Möllen dorff für das naturhistorische Museum kn >,<Lt P e t e r s b u r g wissenschaftlich bearbeitet hat: ebenfalls einige hundert an der Zahl. Die Gesamtzahl der Originalexemplare beläuft sich auf mindestens fünfzehnhundert.
Nicht so unersetzlich für die Wissenschaft, aber nicht- minderwertvoll für das Senckenbergische Museum ist auch, was v. Möllendorff durch einen 25 Jahre lang mit regem Eifer betriebenen Tausch- vermehr mit den größten Museen und mit den angesehensten Privatsammlern der Welt zusammengebracht hat. Gegen die neuen Prachtformen von den Philippinen gab jeder gern das Beste, was er hatte. So ist denn eine Sammlung entstanden, welche auch au Artenreichtum, besonders was die tropischen Landschnecken betrifft, nur wenigen großen Museen, an Wissenschaft- lichem Werte keinem anderen nachsteht. Mit den schon im Besitze des Senckenbergischen Museums befindlichen Sammlungen von Roßmäßler und Ko- be lt. welche für die euroELe Molluslevfauna ziemlich
unübertroffen dastehen, und mit der reichen Sammlung von Prof. Dr. O. Boettger, deren Vereinigung mit dem hiesigen Museum in sicherer Aussicht steht, wird die Senckenbergische Gesellschaft nach Erwerb der v. M ö l l e n d o r f f. scheu Sammlung bezüglich des Reichtums an Land- mullusken und an Originalexemplaren keinem Museum der ganzen Erde nach stehen und eine ^ Mölluskensammlnng besitzen, ohne deren Benützung eine wissenschaftliche Arbeit in dieser Tierklasse nicht mehr mög- lich ist.
Prof. Dr. O. Boettger bespricht sodann die wissen- > schaftliche Bedeutung der Schnecken- und der Muschelschalen , und ihren hohen Wert für die biologische Forschung und für die Lehren von der geographischen Verbreitung der Tierwelt in Gegenwart und Vergangenheit. Er führt den Nachweis, daß die Schale zwar nur das Produkt der Hautgebilde einer Tiergruppe ist, daß sie aber durch Einwir-- knngen der Außenwelt, und namentlich durch den Einfluß von Klima, Boden und Nahrung auf das mannigfachste um- geändert wird und auch heute noch in einem allmählichen Formenwechsel begriffen ist, der sich den geringfügigsten Abänderungen der Existenzbedingungen anpaßt. Seine Bei- spiele nimmt der Redner fast ausschließlich aus der Molluskenwelt Chinas und der.Philippinen und berücksichtigt dabei namenttich die kleineren Formen der so reichen Land- schneckcnwelt des tropischen Asiens, die in der Möllen- d o r f s s ch e n Sammlung in einer Fülle von Formen den Hörern vorgeführt wird. Eingehend >werden vor allem, behandelt die mannigfaltigen und oft so verwickelten Lebens. Vorgänge, wie sie der Kundige von der Schneckenschale ablesen kann, besprochen die merkwürdigen Rückschlüsse, die uns Färbung, Haarbildungen, Masseraufnahme-Fähig- keit der Oberhaut der Schneckenschale und Deckelbildung ge-- statten. Dann aber wird der Rolle gedacht, die das vergleichende Schalenstudium für die Kenntnis der geographischen Verbreitung der Tierwelt in Jetztzeit und Vorwelt hat. Dabei gedenkt der Vortragende vorzüglich der von chm sogen, „zoologischen Monroe-Doktrin" des Amerikaners Pilsbry, der behauptet hat, daß alle in Amerika Heu- tigentages lebenden Schnecken von amerikanischen Urformen absiammtcn, und daß die Arten unseres europäischen Ter- t.iärsystems keine Verwandtschaft mit den noch lebendest ! Formen Amerikas, Asiens und Ozeaniens hätten. Es'' wird von den: Redner der Beweis geführt daß gerade im Untergründe unserer Stadt fossile Schnecken Vorkommen, die ihre nächsten Verwandten ausschließlich auf der Insel .Kuba haben. Vortragender wünscht, daß die reiche Möllendorffs che Sammlung zum Zwecke' weiterer Forschungen der Senckenber-f g i s ch e n G e s e l l s ch a f t z u r V e r f ü g u n g g e st e l l t> werden möchte. „Zu guter Arbeit", schließt Pros.- Boettger, „gehöre. gutes Handwerkszeug; die Sicherheit!
> tüchtiger' Weiterforschung beruhe aus einem reichen Mb 1 lückenlosen Rohmaterial. Sei es vorhanden, so zögen wir' damit auch neue Arbeiter herbei, deren wir in unserem unendlicher/ Arbeitsgebiete dringend bedürften, und wir sicherten damit zugleich künftiger Arbeit den festen Boden."
Die zweite Sammlung, von welcher freilich stur ein kleiner Teil ausgestellt werden konnte,- ist die großartige Schmetterlingssammlung des am 31. Januar d. Is, ver-' storbenen, langjährigen Mitgliedes der Gesellschaft F. W. Mann. I h r e E r w e r b u n g d u r ch d i e S e n ck e n - bergische Naturforschende Gesellschast ist! im höch sten Grade wünschenswert, wei 1 bis' jetzt eine Schau s am m lung exotischer Schmetterlinge im hiesigen Museum gänzlich fehlt. Wohl die meisten Besucher desselben haben diese bedauerliche Lücke schwer empfunden; vergebens sieht man sich in dem sonst so reichhaltigen Museum der Sencken- bergischcn Gesellschaft nach den in wunderbarer Farbenpracht schillernden Faltern der Tropenländer um! ^ Sie' sind wohl vorhanden; aber die sehr stattliche wissenschaftlich», systematische Sammlung des Museums wird in festverschlossenen Schränken ausbewahrt und kann deshalb deiw großen Publikum an den Schautagen für gewöhnlich nicht zugängig gemacht werden. Denn die herrlichere Prachtfarbeu der zarten Schmetterlingsflügel sind leider meistens nicht lichtbe-t st ä n d i g und verbleichen selbst bei gedämpftem Tageslicht