Wissenschaftliche Sitzung Der Senckenbergischen nalnrsorschenDen Gesellschaft.

Samstag, am 2. April 1892.-

Der Vorsitzende macht auf die Lokalsammlung des Museums aufmerksam. Sie hat den Zweck, die einheimische Thierwelt in ihren verschiedenen Altersstufen und in den natürlichen Stellungen bei ihren Lebensverrichtungen vereinzelt und gruppenweise zur Anschauung zu bringen. Es ist deshalb vor allem diese Saminlung geeignet, das Interesse der Be­sucher des Museunis zu wecken und belehrend aus sie zu wirken; namentlich unserer Jugeiid ist diese Abtheilung zum genauen und wiederholten Betrachten warm zu empfehlen.

In der letzten Zeit ist die Lokalsammlung durch mancherlei Werthvolles bereichert worden, das in der heutigen Sitzung theilweise zur Aufstellung gebracht ist. Herr Professor Dr. Noll schenkte 7 Gartenschläfer (Myoxüs quercmus L.) von St. Goar. Der Gartenschläfer kommt in der unmittelbaren Umgebung von Frankfurt nicht mehr vor. Er ist gewandt wie unser Eichhörnchen, nährt sich hauptsächlich von Obst und wird dadurch den Obstgärten schädlich. Unsere Thiere sind verschiedenen Geschlechtes uiid Alters und von uiisern Präparatoren zu einer schönen Gruppe vereinigt. 7 Eine Hausratte (Mus rattus L.) verdankt die Gesellschaft Herrn ' Gymnasiallehrer Geisenheyner in Kreuznach. Diese Ratte Ast bei . uns selten geworden; sie wird immer mehr von der. Wanderratte (Mus de cumanus Pall.) vertrieben und findet sich infolge dessen nur noch an vereinzelten Punkten Deutsch­lands, wozu auch Kreuznach gehört. Von Herrn Ober­förster Hillerich liegen vor: 2 Turteltauben und ein Nest mit Buntspechten in einem Eichenstamme. Von den Herren Adam und August Koch wurden geschenkt: 1 Rehkitze, Nester Mit Eiern vom schwarzen Milan und von der Rabenkrähe, das Nest des schwarzen Milans sind mehrere Papierstücke eingeflochten; aus einem von ihnen ist zn lesen: Frankfurter Leberwurst aus der Wurstsabrik von Stroh & Müller. Ferner schenkten die genannten Herren: Eichetheher, Etster, Buch-, Blut- und Distelsink, Goldammer, Neuntöter, Zwerg­rohrdommel mit Jungen und Rohrdommel-Eier. Herrn Ludwig Kuhlmann verdankt die Gesellschaft: Nester von der Wasseramsel, dem Blutfink und der Thurmschwalbe. Die Wasseramsel ist ein Singvogel, der ein von seinen Gattungs­verwandten abweichendes Leben führt. Er hält sich an unfern

Gebirgsbächen auf, wo er watend und tauchend sich der Wafserthiere, namentlich der im Wasser befindlichen Larven, bemächtigt. Sein dichtes Gefieder ist seiner Lebensweise vor­züglich angepaßt. Von Herrn D. Hanauer liegt vor eine Nebelkrähe mit abnormer Schnabelbildung, und Frau Veronika Ziegler in Monsheim bei Worms schenkte durch Herrn Dr. I. Ziegler 2 Nester der Haus- und Rauchschwalbe. Von Herrn Dr. med. O. Benecke wurden dem Museum durch Herrn Professor Noll zugewendet: eine Anzahl schöner Korallen und Muscheln aus Singapore. Mehrere der auf­gestellten, ausländischen Vögel sind ein Geschenk der Neuen Zoologischen Gesellschaft. Von den durch Kauf erworbenen Thieren sei nur der den Besuchern des Zoologischen Gartens bekannte Andenbär (Ursus ornatus) erwähnt. Er nimmt sich in seiner neuen Toilette sehr hübsch aus. Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung steht ein Vortrag des Herrn Professors Dr. H. v. Meyer: Die Nasenhöhle der Mammalien. Der Vortragende wies zuerst nach, daß die Nasenhöhle nicht als Einheitliches angesehen werden dürfe, indem sie ihren beiden funktionellen Beziehungen gemäß auch räumlich in zwei scharf gezeichnete Theile zerfalle, einen weiteren Luftweg und einen engeren, spaltenförmigen Raum, dessen Schleimhaut die Geruchswahr­nehmung vermittele. Die Geruchspalte stehe zwar mit dem Luftwege in Verbindung, liege aber nicht in der direkten Richtung des Luftstromes, dagegen habe sie aber doch von dem Nasenloche aus einen besonderen Zugang für die äußere Lust. Der große Luftweg für die eingeathmete Luft stehe allein mit den Nebenhölen in Verbindung, daher diese keine Beziehung zu den, Geruchorgane haben: in ihm liege ein Wärmeapparat für die Luft in Gestalt der soge­nannten unteren Muschel. Nachdem diese Verhältnisse an den verständlicheren Formen der menschlichen Nasenhöhle nach­gewiesen waren, wurde gezeigt, wie auch bei den schwieriger verständlichen Verhältnissen der Süugethiere dieselbe grund­sätzliche Scheidung des Nasenhohlraumes zu erkennen sei, und wurde zugleich auf die sehr verschiedene Gestaltung der unteren Muschel aufmerksam gemacht, die jedoch stets ihrer Bedeutung als Wärmeapparat für die eingeathmete Lust entspreche.

Wissenschaftliche Sitzung der Senckenbergifchen natnrforfchenden Gesellschaft.

Samstag, den 3. Dezember 1892.

Vorsitzender: Herr Professor Dr. Noll. Es sind eine große Anzahl Reptilien und Batrachicr ausgestellt. Der Sektionär, Herr Professor Tr. Boettger, berichtet darüber wie folgt:

Sehr zahlreich waren die Einläufe an Kricchthieren und Lurchen, die wir der Gesellschaft heute vorlegcu können.

Aus Dr. Adolf Strubcll's Ausbeute stammen noch die beiden erst in den letzten Jahren beschriebenen Frösche Hyla amboinensis Horst von Amboiua, die am weitesten, nach Westen von dem laubftoschreichen Australien in die! malahische Inselwelt herübergreifende Hyla, die wir kennen, und die langbeinige Bana masoni Boulenger von Java.

Von den schon im Jahresberichte für 1892 erwähnten Geschenken ist sodann ausgestellt das merkwürdige, große, schwarz und gelb gefärbte Heloderma suspectum Cope aus Arizona, das zweite Stück unserer Sammlung, das wir Direktor Dr. Zipperlen in New-Pork verdanken.' Es ist dies^ wie bekannt, neben einer Gattnngsverwandten, die einzige durch ihren Biß giftige Eidechse der Erde.

Weitere reiche Zuwendungen von Seiten des Herrn Fr. Bastier hier, des Fräulein I. Bauhof in Ragusa, der Herren Dr. I. von Bedriaga in Nizza, Cesar Conemenos. in Prevcsa, Gymnasial - Direktor B. Gredler in Bozen, Dr. Alex. König in Bonn, Staatsrath Dr. G. von Radde in Tiflis. Bernh. Schmucker in Shanghai, Dr. Otto Stoll in Zürich, des verstorbenen Herrn Anton Stumpfs in Sansi­bar und der Herren Dr. V. Vävra in Prag und Dr. Franz Werner in Wien übergehen wir hier, nicht, weil die uns geschenkten Arten von geringem Werthe sind, sondern weil bei der Fülle des Ausgestellten nur auf das Auf­fallendste und Merkwürdigste ein flüchtiger Blick geworfen werden kann.

Unter den von denk unermüdlich thätigeu Herrn Konsul Dr. O. Fr. von Möllendorff in Manila geschenkten Stücken nehmen unser Interesse vor allem die'seltsamenBerg­krokodile" (Trepidophorus grayi Günther), kleine, ge­panzerte Eidechsen der Seineidensamilie aus den Gebirgen von Luzon und die seltene Baumschlange Dipsas augulata Peters neben anderen Kostbarkeiten in Anspruch, unter den von Herrn Fritz Behfchlag aus Sumatra gesammelten Formen aber die schöne Ringelnatter Dropidoüotus con- spieillatus Günther und die neue Baumeidechse Gonyocephalus > beyschlagi Bttgr. Sie zeichnet sich vor allen Verwandten aus durch den hohen Segelkamm längs des Rückens, der- durch die Verwachsung der bei den anderen Arten einzel­stehenden Sichelschuppen der Rückenlinie enstanden ist.

Aus Costa Rica erhielten wir von Herrn Karl Fleisch- mann 3 Sendungen eine vierte ist unterwegs von dortigen Kricchthieren, die nahezu alle neu für unsere Samui- lung und vielfach «neu auch für die Wissenschaft waren.. Neben 2 besonders>eigcnthümlichen kletternden Giftschlangen der Klapperschlangengruppe mit Greisschwänzen sind darin neue Arten der Äaumeidechsengattung Anolis, ein neuer Laubfrosch der Gattung Hyla, dessen Männchen sich durch einen säbelförmigen Knochenfortsatz am Oberarm auszeichnet, der zur Befestigung bei der Begattung eine wichtige Rolle spielen dürfte, und ein neuer Frosch der Gattung Hylodes.

Herr Hans Simon in Stuttgart spendete eine Suite von Arten aus Odumase im Osten - der Goldküste, unter denen 2 Stücke der lyködonten Schlange Horrnonatus niodestus' Dum. Bibr. und die Baumschlange Ahaetulla heteroderma. Hallowell für uns von besonderem Werthe sind.

Prof. Dr. Cour. Keller in Zürich überließ uns das Origi- nalcxemplar eines neuen Frosches aus Somaliland (Chii-o* mantis Kelleri Bttgr.), eine kletternde Rauidengattuug. die sich durch die wie bei den Ehamaeleous greifzangenartige Bildung ihrer Zehen vor anderen nach Art 'der Laubfrösche lebenden' Batrachiern auszeichnet.

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