D ER Beruf des Bibliothekars wird selten vom Publikum richtig verstanden und gewürdigt. Man weiß, was für Aufgaben die akademischen Hauptberufe, der Geistliche, der Richter, der Arzt oder der Schulmann zu erfüllen haben, nicht aber, was die akademischen Spezialberufe, der Museumsbeamte, der Archivar oder der Bibliothekar zu leisten haben. Bei jedem dieser drei Berufe sind wissenschaftliche und Verwaltungsgeschäfte miteinander verbunden. Während aber beim Bibliotheksberuf die praktischen und besonders die organisatorischen Fähigkeiten vorzugsweise bei den leitenden Stellen zur Geltung kommen, beschränkt sich die Tätigkeit der ausführenden Bibliothekare im wesentlichen auf wissenschaftliche Arbeit. Und wenn wir fragen: Worin besteht denn die wissenschaftliche Arbeit des Bibliothekars, so müssen wir zunächst die andere Frage beantworten: Was ist eine Bibliothek?

Um den Namen einer Bibliothek zu verdienen, muß eine Büchersammlung ein bestimmtes Benutzungsziel verfolgen, sei es die Befriedigung eines Bücherfreundes, sei es die Arbeit eines Forschers, sei es die wissenschaftliche Aufgabe einer Anstalt. Das Benutzungsziel wird meist in der Gegenwart, es kann aber auch in der Zukunft liegen. Jedenfalls aber muß dem Benutzungszweck auch die Anordnung der Bücher entsprechen, damit jedes Buch, das benutzt werden soll, rasch gefunden wird.

Ist nun die Büchermasse klein, so ist diese Ordnung leicht herzustellen, z. B. bei den meisten Privatbibliotheken. Ist aber eine Bibliothek groß, die Benutzung öffentlich und vielseitig, so macht die Ordnung besondere Schwierigkeiten.

Die Ordnung soll, wie gesagt, dem Zweck der Benutzung dienen. Die Benutzer aber fragen nicht nur nach bestimmten Büchern, sie wollen auch wissen, welche Werke eines bestimmten Autors, welche Ausgaben oder Übersetzungen eines bestimmten Literaturdenkmals, was für Schriften über dieses oder jenes Fach, diesen oder jenen Gegenstand, Ort oder Menschen vorhanden sind. Wenn der Bibliothekar alle diese Fragen mit der bloßen Ordnung der Bücher beantworten wollte, würde er sehr bald ratlos sein. Man kann die Bücher subjektiv alphabetisch, d. h. nach Autoren und unpersönlichen formalen Stichwörtern ordnen, man kann sie systematisch nach Fächern gliedern, man kann sie zeitlich nach dem Erscheinungsjahr oder nach dem Zugang aneinander reihen, man kann auch mehrere dieser Ordnungsmethoden miteinander verbinden, niemals aber kann man damit bei einer großen und vielseitig benutzten Bücherei auch nur eine Kategorie von Benutzungsfragen so prompt beantworten, wie es wünschenswert ist. Schon deshalb nicht, weil die Bücher verschiedene Formate haben und diese Formate der Raumersparnis wegen an verschiedenen Stellen stehen; weil ferner die selbständigen Teile der Serienwerke in der Regel aus verwaltungstechnischen Gründen nicht vonein­ander getrennt werden usw. Wie hilft man sich da? Man hilft sich in der Weise, daß die Ordnung zum Zweck der Benutzung in die Kataloge verlegt wird. Die Bücher

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