Ito. 184 Frankfurt a. M.» Dimnersta», 22. August 1907. rr. Zuyrguug.

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Die Mkrypaltis

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5 Ein Toter auf der Wanderschaft. ^

j Die von pietätvoller Sorge diktierte

' Fratze: was wird ans Senckenbergs Grab?

- hat dieser Tage sthre Eclebigwng gefunden und zwar in einenl Sinne wie es nicht anders zu erwarten stand. Die sterblichen ileberreste des ek> ,en Ritters boin flamincnden Berae.. die Ge­beine Senckenbergs wurden von der Stift­straß? nach den: Neubau des Bücgerhvspitals liberführt und in einer Gruft im Betsaal des Spitals beigelegt.

Das Frankfurter Bürgcrhospital ist be- strnutlich ein Bestandteil der großartigen Schöpfungen Senckenbergs, das 'ohne Unter­schied der Konfession meinem Werk der Nächsten­liebe und -Hilfe «und der christlichen Barm­herzigkeit gewidmet ist. Aber in Wirklichkeit ist das Bürgerhospita! doch.eine vorwiegend evan- lische Krankenanstalt und es wird auch im konfessionellen Sinne geleitet Senckenbcrg da­gegen war nichts weniger als einsertig-evan- gelisch und wenn wir noch im Zeitalter der Geisterbeschwörungen lebten and den großen Toten selbst befragen könnten, so würden wir fedenfalls ans seinem stunde hören, daß er sich niemals hätte träumen lassen, wo anders als inmitten seiner Erhabenen Schöpfungen zu ruhen.

Mit frohem Selbstbewußtsein können wir auch vou Senckenberg sagen: . . . denn er war unser! Uud deshalb gehört der Teil von ihm, der sterblich war nicht in die Gruft eines evangelischen Betsaals in einem Kranrenhausc, sondern an einen Ort, der nicht von der Schranks konfessioneller Engherzigkeit um­gebe:- ist. Es war ein Akt grober Pietätlosig­keit, die Gebeine Senckenbergs aus dein ur­sprünglichen Grab herauszuholen, um sie an einem würdigen Platze wieder beiznsetzen, aber wurde die Bürgerschaft "Frankfurts denn über­haupt befragt? Hat 'die Frankfurter Bürger­schaft denn überhaupt übw ihre Toten zu be­stimmen? Senckenberg gehört der Gesamtheit, sein Name bildet feine lenchtcnoe Zierde Frank­furts, seine Stiftung ist ein unvergängliches Denkmal; deswegen werden Senckenbergs Ge­beine doch nur wie das achmugswürdige Re­quisit einer Stiftung gehandelt, in der Sencken- bergischer Geist nichts mehr zu suchen hat. Frankfurts großartige Vergangenheit und die ehemalige Selbständigkeit seiner politischen Verfassung haben nicht ausgerricht, um den Geist bürgerlicher Freiheit und Unabhängig­keit in einem 'Pantheon pn Ansdruck zu bringen, auch sind 'wir weit entfernt davon, in lokalpatriotischer Exaltation mehr zu ver­langen als zu geben und zu schaffen möglich gewesen wäre. Wenn man aber sieht, wie die dankbare Vaterstadt euren ihrer größten Wohltäter ehren läßt, dann steigen Einem Zorn und Schamröte ms Gesicht. Nicht ge­nug damit, daß Senckenbergs Gebeine aus! ihrer Ruhe aufgestört werden, weit die evangelisch- christlichen Herren der Skis rungsadMrnistrutüon

sich befugt hielten ein Fleckchen Frankfurter Boden, das für alle Zeiten hätte geheiligt sein müscn, der Spekulitron auszuliefern, die wandernberr-Geheine'-Senckenbergs werden nach einem Platze überführt, jgegcn dessen Würdig­keit nichts einzuwenden ist, dessen Wahl jedoch allerband Bedenken rechtfertigt.

Man verstehe uns'nicht falsch: es ist nicht der lirchliche Rahmen, 'der uns an dein neuen Grab Senckenbergs mißfällt, sondern der Man­gel an Gefühl sund Verständnis für das, was man Senckenbergs Gebeine 'schuldig wäre. Die Stadt Hütte die.Grabstätte Senckenbergs heilig hasten müssen, einerlei ob ihre Fluchtlinien dadurch' jrt Unordnung, a"»raten wären.,sie hätte nicht dulden dürfen, 'da;> die Ueberreste, die der Gesamtheit gehören, m den alleinigen Be­sitz der Stiftungskliratvren übergehen, nach­dem die Schöpfungendes Stifters modernisiert waren und den historischen Platz verlassen hatten, ans dem 'sie Senckenberg selbst ins Leben gerufen hatte. Auch die Seuckenbergische Natursorschende Gesellschaft mag sich im Stillm natürlich! 'gewundert haben, daß der Bctsaal des streuen, Bürgerhosvitals der Platz ist, auf dem die Gebeine Senckenbergs weiterschlummern. Doch trösten wir uns: fei­neres Empfinden in Dingen der Pietät war noch nie Frankfurts starke Leite! W.

S teindel-Prozeß.

Die großen Künstler sind nervös Da ist halt nichts zu machen Und sie pexieren heutzutag '

Tie allerdümmsten Sachen.

Ten einen treibts mit Sturmgewalt Auf's Feld der freien Liebe,

Beim andern setzt es Tag für Tag Für Frau und Kinder Hiebe.

Dke's Publikum beiin Lampenlicht Mit Beifall überschüttet Sind in den Nerven ganz, und auch Im Geist oft halb zerrüttet. Exzentrisch bis in's Uebermaß,

Grob «launig, eitel,. böse Giebt solch Genie sich gar so oft Gar manche schlimine Blöße.

So ließ Herr Steindcl seiner Laun' Zu Haus die Zügel schießen Dem seine Künstlernerven, scheint's, . Die Ruhe nimmer ließen.

Die Frau, die Söhne haben stisi Ihr Martvrtum oelittcn BiS endlich Frau Justitia Ist strafend eingeschcitten.

Es ward die neu'ste Scufation In Sttlttgart ausgctragen.

Vor dem Gerichtssaal hat man sich Um einen Platz geschlagen.

Die zarten Damen standen vorn Am Eingang, wie schon uumer Und machte es der Mob schon schlimm Sie macksten es noch schlimmer.

Man sah mit Ellenbogen sie Und mit den Nägeln kämpfen Und selbst des Richters Strenge könnt'

Den Höllenlärm nicht dämpfen Der vor der Saaltür hat gewogt Im Saäle hat gebrandet Weil an des Menschen Schwäche hier Ein Künstler war gestrandet.

Das ist die zarte Weiblichkeit Tie sich hier glanzvoll zeigte

Sie will den Sünder seh'n, den sie »Bewundert, als er geigte,

Der heute als Verbrecher steht Gebeugt vor dem Gerichte Das ist ein int'ressanter Fall,

'Ne herrliche Geschichte!

Hätt' er die Söhne umgebracht,

Ging's um den Kops zu spielen Wie müßt' das süß und schauerlich Erst in den Nerven wühlen!

Ja, wär's ein Mörder, würden sie Um einen Platz sich morden 4 So kämpfen sie mit Nägeln blos Bor des Gerichtes Pforten , - .

Asmedi,

Universitäten und Geistesleben.

linier Führung des Münchener Professors Lu Brentano hat unlängst eine Gruppe deutscher Uni­versitätslehrer einen Appell an die Professoren Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz geriche tet, zu einem Hochschullehrertag in Salzburg zu-, sammenzntreten, um daselbst über den Schutz der Lehrfreiheit gegenüber der gouvernenientalen Ein­flußsphäre in den verschiedenen Ländern zu bera­ten. Vorzugsweise handelt es sich um die Frage ver Besetzung der Professuren; man ist der Mei­nung, daß die Mitwirkung der Regierrmgsstellen hierbei allzu weitgehend sei und vielfach in par­teiischem Sinne ausgeübt werde. Man wünscht also gewissermaßen einen mindestens paritätischest Arbeitsnachweis, was zweifellos ein Fortschritt ge- genüber dem jetzigen Zustand wäre, aber auch ein Fortschritt gegenüber den Zuständen der Bergan-! genheit, in der die Professorenzunft einseitig von sich aus bestimmte, wer auf dem Felde der freien Wissenschaft Arbeit bekommen solle oder nicht. Jetzjs klagen die Professoren am lautesten, wenn jemand ohne die Weihen der Zunft ihrem Kollegium ein­verleibt werden soll.

Es geschieht in dieser Beziehung manches, wa? zu beklagen ist, aber Worte werden diesen Klagest säst nie von den Professoren verliehen, wenn es sich um einen konkreten Fall handelt, wie etwa um die Ernennung des jungen Herrn Spahn, der ein Sohn -des damals allmächtigen Zentrumsführers ist. In solchen Fällen überläßt man es plötzlich det Oeffentlichkeit, also der Presse, die Kastanien bei akademischen Freiheit aus dem Feuer zu holen, wo­bei der Weg nicht selten über Anklagebänke uni» ähnlich gefährliche Gerüste führt. Obendrein has die Presse noch den Undank, daß das Publikum auch das ganz demokratische, dem Martyrium bet Kastanienrettung kühl bis ans Herz hinan zusiehtz denn die Nöte der akademischen Lehrfreiheit und ihrer Priester sind schon lange nicht mehr die Nöte der großen Masse unseres Volkes. Das liegt teil! an den Personen, teils an dem Wandel der Ver hültnisse überhaupt.

Die Universitäten waren zu einer Zeit, als eil, geistiges Leben im Volke nicht existierte, in bei Tat die Wiegen der Geisiesb ild nng Man konnte kaum anders in den Born der Er­kenntnis schauen, als durch ihre Vermittlung! Auch brachte ihre exprimierte Stellung es mit sich, daß die Professoren manches sagen wfr