DaupMatt der „BoNsstimme"
8. Mai 1919
Hofrat Bernhard Hagen. Sfovt Mittwoch vormittag wurde der Leiter unseres VMermuseums, Hofrat und Universitätsprofesfor Dr. Bernhard Hagen, zur letzten Ruhe geleitet. Ueber sein Wirken für die Allgemeinheit und für die Wissenschaft gibt uns Herr Direktor August Siebert folgendes anschauliche Bild:
Als Hagen von feiner ersten Tropenreise zurückgekehrt war, fand bald darauf eine Naturforscher- und Aerzte-Bersammlung in Frankfurt a. M. statt, und auf dieser lernte ich den Verstorbenen kennen. Wir näherten uns und schlossen ein gutes Freundschaftsverhältnis, das dazu beigetragen hat, gemeinsam« Ziele fördern zu helfen. Und so kam es auch, daß er während der Zeit meines Vorsitzes tn der Frankfurter Gartenbau-Gesellschaft des öfteren Vorträge über Völker-, Landschafts- und Pflanzenkunde ferner Länder hielt, die wohl mit zu den wertvollsten Darbietungen gehörten und bei allen Zuhörern in unvergeßlicher Erinnerung geblieben sind. Hagen schöpfte aus einem wissenschaftlichen und prcckkischen Born. Für alles, waL er in der weiten Welt gesehen und erlebt hat/ trug er die reinste Begeisterung in seinem Innern Er befaß aber auch die Gabe, seine Empfindungen und Eindrücke anderen so ans Herz zu legen, daß er selber mit ihm empfanden, seine gemütvolle Sprache, oft mit scherzhaften Erlebnissen durchflochten, in sich crufnahmen und ganz in seinem Denken, seinem Wesen oufgingen. Solche Männer brauchen wir namentlich auch in der heutigen Zeit, sic wieder mit hcran- M^'hen zu helfen, ist eine Aufgabe der Schule und des höheren Mtschrittlichen Bildungswesens.
Im Jahre 1879 folgte Hagen einem Ruf nach Deli auf Sumatra, wo er umfassende Studien über Pflanzen-, Tier- und Menschenkunde machte; 1881 und 1883 unternahm er Expeditionen in die damals noch fast unbekannten Batakländer und an den T o b a s e e. Im Jahre 1887 .wurde er mit der Wahrnehmung des ärztlichen Regierungsdienstes auf der Ostküste Sumatras betraut. So kam er frühzeitig in die Welt hinaus, die ihm in ihrem ganzen Treiben mit Menschen, Tieren und Pflanzen so fremd und eigenartig anmutcte, daß er sich selbst als der größte Fremdling in ihr ersckiien. Aber gerade in dieser unendlichen Mannigfaltigkeit der schaffenden Natur wurde sein Sinn sür wiffensckxrftliche Arbeit und Forschung angeregt, und bei seinem empfänglichen Gemüt für olles, was ihn umgab, reiste der nimmermüde jugendliche Geist zum Manne heran mit allen Tugenden eines reinen frohen Herzens. Mit Neuguinea war er ganz verwachsen, in seinen Erzählungen und Bildern war er daheim, seine herrlichen Werke Wer geographische, geologische, botanische, zoologische, anthropologische, prähistorische und ethnologische Themata erbringen den Beweis dafür. Noch einmal zog
es ihn zum malahischen Archipel und i.n die S ü d s e e in Begleitung seiner treuen Lebensgefährtin. Beide kehrten von dort mit reichen Schätzen beladen zurück, Freude empfindend füp das nun zu vollendende Werk des Völkermuseums, welchem Ziele er Mit bewußter Energie als seiner Hauptaufgabe zustrebte. Denn seine Gedanken waren fortgesetzt darauf gerichtet, sein Wissen, seine wertvollen Funde und alle damit zusammenhängenden Forschungsergebnisse allgemeinen Btldungszwecken zugänglich zu machen, sic weitesten Kreisen als ein Vermächtnis zu hinterlassen. In Oberbürgermeister Adickes, der solchen Bestrebungen stets zugetan war, fand Bernhard Hachen seinen Förderer. Die Stadt hatte inzwischen das ehemals Thurn und Taxissche Bundespalais in der Großen Eschenheimer Straße vom Staate übernommen und darin konnte Hagen s^tne" LieblingSfchöpfung, das städtische Völkermuseum, mit Unterstützung seiner zahlreichen Freunde und Gönner begründen, dem er bis zu seinem Ableben als ehrenamtlicher Leiter in uneigennütziger Weise Vorstand.
Die bis dahin in den einzelnen Museen oder wissenschaftlichen Instituten, auch in Privatsammlungen aufbewahrten Gegenstände völkerkundlicher Art wußte er nach und nach in diesem Museum zu vereinen, und so entstand unter weiterem Ankaus und Schenkung die heutige mustergiiltige Sammlung, die eine der wissen- schaftlichen Zierden der Stadt Frankfurt a. M. bildet. In dieser Verbindung — und man muß sich Hägens Geist und Richtung vorstcllen — gründete er auch die Frankfurter Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Durch seine weitverzweigten Beziehungen wußte er die geeigneten, wissenschaftlichen Kräfte und Freundeskreise auch hierfür zu interessieren, die nicht nur für gründliche Arbeit, sondern auch fiir Deckung der nicht unbeträchtlichen Mittel offene Hand hatten. Dem Verein für Geographie und Statistik gehörte er lange als Vorsitzender und eifriger Mitarbeiter an, wie auch der Deutschen Kolonialgesellschaft, Abteilung Frankfurt a. M., als Vorstandsmitglied. Die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft ernannte Hagen 1911 wegen seiner mannigfachen Verdienste um die. Gesellschaft zum außerordentlichen Ehrenmitgliede. Andere wiflenschaftliche Körperschaften zeichneten ihn durch Wahl zum Vorstand-, Ehren- oder korrespondierenden Mitglied aus. Seit Jahren lebte er, der seinen Wohnsitz in Frankfurt a. M. hatte, seiner wissenschaftlichen Betätigung an der Heidelberger und Frankfurter Universität, wo er vor kurzem die erste ordentlich« Professur für Völkerkunde bekleidete. Mit seinem Tode ist ein Lehrer von seltenen Eigenschaften dahin- gegangen. Das Andnken an den bescheidenen, .liebenswürdigem und stets hilfsbereiten Menschen und Gelehrten wird unauslöschlich bleiben.