28. MK vz 1916

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Wilhelm Kobelt t

Bon Dr. E. Schwarz (Frankfurt a. M.)

Hochbetagt ist Wilhelm Kobelt in Schwan heim gestorben. Als junger Arzt kam er dorthin und der Ort ist ihm zur zwenen Heimat geworden Hier ist das Lebenswerk des Naturforschers entstanden, in dem Arbeiterdorfe hat sich der Volkswirtschaftler und Heimatforscher entwickelt.

Nicht sehr lange hat sich K o b e I t als Arzt betätigt. Schon von Jugend auf ein begeisterter Naturfreund und eifriger Sammler, hatte ihn eine zufällige Berühvung mit E. Ä. Roßmactzler, mit den ihn viele Züge verbinden, auf das Studium der Weichtiere gelenkt, dein er bis zu seinem Tode treu geblieben ist. Von dor Tierwelt der eigenen Heimat ausgehend, hat er allmählich sein Arbeitsgebiet er­weitert und ist mit den Jahren zu einem der bedeutendsten Conchhlien-,Kenner geworden. Da die ihm zugängliche wissen­schaftliche Literatur nicht genügte, so begann er seine Rüchcr selbst zu verfassen; auch hier fing er mit der Heimat an. Seine erste große Veröffentlichung ist dieFauna der nassau- ischen Land- und Süßwasserconchylien". Bei der Naturfor- scherversammlung .in Frankfurt (1867) lernte er D. F. H c h n e m a n n. wie er ein eifriger Donchyliologe, kennen, und von da datieren seine Beziehungen zu Frankfurt. Zwei hjprt'ij'rc später siedelte er nach Schwanheim über. Damals trat ffw in Beziehungen zur Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft; er übernahm die Sektion für Mollusken im Museum, der er bis zu seinem Ende vorgestanden hat. Die Sannnlungen und die Bibliothek des Senckenbergischen Mu­seums ermöglichten ihm, im Verein mit gleichgesinnten Freunden, D. F. Heynemann und O. Boettger, eine reiche wissenschaftliche Tätigkeit. Zahlreiche Publikationen sind in. dieser Zeit entstanden: die ..Jcoiwgraphie der euro­päischen Land- und Sützwasserconchhlien" und dasMartini- Ehemnitzsche Conchylienkabinett" bilden den Kern seines Schaffens auf diesem Gebiete Aber die Systematik ist Kobelt doch immer nur Mittel zum Zweck gewesen; in erster Linie galten seine Jnteresien den Gesetzen der Tisrverbreitung; er ist der Begründer der modernen Tiergeographie geworden, die an die Stelle von tiergeographischen Regionen Faunen setzt.

Die Tierwelt des palaearktjschen Gebiets. interessierte Kübelt immer ganz besonders. Auch seine Reisen führten ihn aus diesem Gebiet nicht heraus. 1872 bereiste er Süditalien und Sizilien, 1881 Südspanien, Nordmarokko Md Oran, 1884 Algerien und Tunis. Seine Reiseschilderungen, die in den Berichten der Senckenbergischen Naturforschenden Ge- sellschat unter den Titeln:Nach den Säulen deS Herkules" 1188283) und Reiseerinnerungen aus Algerien und Tunis"

','1835) erschienen sind, zeigen den umfassenden Blick des Forschers und gar manches dort über Land und Leute Ge­soßte ist gerade heute von besonderem Interesse. lieber Kabelt? Conchyliens ammlung und Bibliothek ist verfügt; sie kommt in 'GenckerlbeeMche Museum und wird diese Adlung zu-

sammen mit den Sammlungen Roßmaeßlers, v. M o e l l en - , d o r f fs und Boettgers mit in, die erste Reihe stellen. s

Aus dem Schwanheimcr Mzt ist der Volkswirt-' schüft er erwachsen. Die enge Berührung mit der Bevölke­rung ließ ihn die kleinen und großen Sorgen des einzelnen erkennen, und das Bestreben im Kleinen zu helfen, führte ihn dazu, sich mit den sozialen Fragen zu befafseu. Er hat dem Landwirt und dein Obstzüchter mit Rat und Tat und durch sein eigenes Vorbild geholfen, aber auch dem Genossenschaftswesen, der sozialen und hygienischen Fürsorge wie den Volksbildungs­bestrebungen sein volles Interesse und seine große Arbeits­kraft gewidmet. Der Volkswirtschaftler Kobelt hatte wie der Naturforscher den weiten Blick; er ist es, der den Begriff des Groß - Frankfurt" der wirtschaftlichen Einheit zwischen Goßstadt und Umgebung zuerst klar erkannt und ihm den Namen gegeben hat. Der Rhein-Mainische Verband für Volksbildung hat zu Kobelts goldenem Doktorjubilänm (1912) seine Volks- und Heimatkur »ichen Schriften gesammelt und in iM-ru-m (tflWirli Rombe ..YSehrmtfimbe und' Heimarbeit" zu­

sammengesetzt.

Als Zoologe wie als Volkswivtschaftler fußte Kobelt auf der Heimat. Ihrer Art und ihrer Erforschung hat er denn auch seine besondere Liebe gewidmet, und er ist es, der den Begriff der Heimatforschung recht eigentlich geschaffen hat. Seine Schilderung des Schwanheimer Waldes im Bericht der Senckenbergischen Gesellschaft (1912) ist ein Muster ihrer Art und die Aufsammlnug von Funden aus unserer Gegend vom Steinbeil der Steinzeit und den römischen Geräten bis zu den Werkzeugen unserer Zeit, die er in dem von ihn: in Schwa n- h e i m begründeten Heimatmuseum vereinigt hat, sind besser als alles andere Zeugnisse seines Strcbens.

Fast fünfzig Jahre ist Wilhelin Kobelt in unserer Mitte als Gelehrter, als Mann der'selbstlosen werktätigen Liebe, als schöpferischer Organisator und als Mensch Vorbild und Füh­rer gewesen". Er hat oft und lange um die Anerkennung sei­ner Ideen und ihre Umsetzung in die Tat kämpfen müssen; vieles ist schließlich Allgemeingut geworden, ohne daß man sich recht bewußt war, wer der Urcheber gewesen ist; denn in seiner Bescheidenheit hielt er stets mit seiner Person zurück. Trotz sei­nes hohen Alters blieb seine Schaffenskraft ungebrochen; nochm den letzten Tagen fanden sich auf seinem Schreibtisch die un­vollendeten Manuskripte, die dort liegen blieben, als die letzte Krankheit ihm die Feder aus der Hand nahm.