Nr. 303 - Beilage

Mittwoch, 30. Dezbr. 1931

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Arthur von Gwinner

Gin FrankfurterBerjer" von altem Schlag ist kurz nach Vollendung seines 75. Lebensjahres in Ber­lin gestorben, Arthur von Gwinner, der Direktor der Deutschen Bank. Er hat einen großen Teil seines Vermögens zur Vermeh­rung der Schauobjekte des Senckenberg" verwandt und sich damit für alle Zeiten selbst ein Denkmal gesetzt. Unter and. stammt das einzige Placodus- Skelett, das es auf der Welt gibt und das kürz­lich im Lichthof des Frank­furter Museums aufge­stellt wurde, von Arthur von Gwinner: er hat es, nachdem man ihn in Hei­delberg in einem Steinbruch auf diesen Saurier aufmerksam gemacht hatte, präparieren lassen und dem Museum geschenkt, das auch eine Fülle kostbarer Mineralien, Kristalle ufw. dem verstorbenen Naturfreund verdankt.

Arthur von Gwinner war auch einmal Mitglied desHerren­hauses" in Preußen, er hat sich über seine Berufung in diese Fossilienkammer" allerdings selbst in Freundeskreisen öfter er- lustigt. In der Naturwissenschaft hielt es Gwinner mit den Stürmern und Drängern", aber politisch stand er ziemlich weit rechts. Von der Revolution meinte er in echtem Frank­forder Dialekt:Deß hett' net komme derfe und wär' aach net gekomme, wenn mer dene Arbeiter frieher schon mehr Konzessione gemacht hett!"

Doch:Nehmt alles nur in allem...", der Verstorbene hat vielen in seinem Leben Gutes getan und sein Tod wird viele mit ehrlicher Trauer erfüllen.

Afra, das Wunder

Wer nicht an Hexen glaubt und die mystische Eeheimwiffen- schaft der Kartenlegerin mitleidig belächelt, sollte doch zumindest an irgend ein Wunder glauben. Denn der Wunderglaube ist das religiöse Empfinden der naiven, sentimentalen, verwirrten und gedankenlosen Zeitgenosien. In jeder Zeit großer Not bricht Irgendwo plötzlich das Wunder auf und hüllt die Gedankenwelt der Ermüdeten in Staunen und Gläubigkeit. Ob uns der poli­tische Wunderdoktor Adolf Hitler die deutsche Freiheit verspricht, ob Therese von Konnersreuth blutige Tränen weint, ob in irgend einer Jahrmarktsbude die Frau ohne Kopf mit nackten Beinen strampelt, es wird sich immer eine Gemeinde sammeln, die das Wunder bestaunt. Man könnte eher die Trompeten von Jericho zum Tönen bringen, als solch fanatische Sektierer des Wunder­glaubens davon überzeugen, daß . . .

Der Skeptiker lächelt. Er lächelt auch, wenn Frau Afra, dasPhänomen der Telepathie", mit liebenswürdigem Lächeln und einem schrecklich weißen Gewände auf die Bühne des Kaba­rettsAstoria" tritt. Frau Afra hat, wie alle der rtigenPhä­nomene", einen Partner. Der erzählt manches von Eeheimwiffen- schaft, Okkultismus und anderen Seelenkräften, die nur im Ver­borgenen schwelen. Der Partner erklärt auch, daß Frau Afra im Gehirn eine Kapsel habe mit einer Eeheimformel, in der sie die Gedanken, die so im KabarettAstoria" herumschwirren, auf­fange und sie übersetze in die Sprache des Menschen.

Ich habe sofort meine Gedankenkiste hermetisch abgeschlossen (denn man kann ni- wissen, ob . . .) und habe dem Partner ein Los der Arbeiterwohlfahrt in die Hand gedrückt. Afra hat ver­blüffend auf den Text in der Hand des Partners reagiert. Sie hat die Nummer des Loses gesagt, sie hat deutlich die Unterschrift Maria Juchacz gelesen, ohne den Zettel je gesehen zu haben, sie hat mir aber nicht gesagt, ob das Los nun auch ein Gewinner oder nur eine Niete sei.

Und das war erfreulich. Frau Afra schaute mir nicht in die Zukunft. Ich hätte sie sonst fragen müsien, ob Adolf der Große wirklich zu Aachen im alten Dome, von wegen der deutschen Kaiser­krone, oder ob nicht etwa Köpfe rollen ... (wessen Köpfe, weiß man nie) Frau Afra beschränkte sich auf geschickte Zusammenarbeit mit ihrem Partner und zeigte sich als erstklassige Kabarettnummer.

Da man Artisten nicht in die Technik schauen soll, sei dem Wunder Afra" das bißchen Mystik gegönnt, denn es gehört nun einmal zum Handwerk. Buddha verzeih mir ... pk.

Rablate SchimbalWlacht am Erlenbruch

Am Dienstagabend, als wieder Schnee vom Himmel rieselte, ließen sich drei junge Leute am Erlenbruch die Gelegenheit nicht nehmen, eine tüchtige Schneeballschlacht zu veranstalten. Leider gingen sie dabei weit über die Grenzen eines harmlosen Spiels hinaus. Einer der Mitspieler, ein 18jähriger Bursche, wurde nicht nur mit Schneebällen, sondern auch mit Schlagringen grausam be­handelt. Außerdem schaffen ihm die Spielgefährten mit einem Terzerol in die Schulter. Die Verletzungen des jungen Mannes waren so schwer, daß er in das Krankenhaus geschafft werden mußte.

Die Arbeiterwohlfahrt teilt uns mit, daß die Gewinnlisten der Arbeiterwohlfahrts-Weihnachtslotterie erst am 2. Januar 1932 erscheinen.

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Kaftraba - wie lauge noch?

Seit Jahren bemüht sich der Hafraba-Verein. Deutschland Spezial-Autostraßen zu bescheren, deren Benutzung gegen Ent­geltstatthaft" wäre. Der Hafraba-Vereist besteht nicht etwa aus privaten Unternehmern die ein aussichtsreiches Geschäft ge­gründet haben und ausbauen wollen, es sind vielmehr in der Hauptsache Kommunen und öffentliche Körperschaften,, .die, zum Teil aus einem gewiffen Konkurrenzneid sich vor den Hafraba- Wagen spannen lassen, um den großen Verkehr der engeren Heimat zu sichern. Aus der Angst, umgangen zu werden, spannt man sich vor den Wagen, man bezahlt die Geschichte nicht aus der eigenen Tasche, sondern der der Steuerzahler. Das öffentliche Jntereffe wird vorgeschützt, man veranstaltet große Berkebrs- zählungen und rechnet sich z. B. aus. daß die Hälfte der von Frankfurt nach Heidelberg fahrenden Kraftfahrzeuge gerne die Hafraba-Bahn benutzen und bezahlen würde, weil die bisherige Verbindung zu wünschen übrig läßt. Welche Naivität!

Die Kraftfahrzeugbesitzer haben sich bisher in keiner Weife für den Plan begeistern können. Von den deutschen Kraftfahrer- verbänden hat sich nicht einer an der Hafraba beteiligt. Im Gegenteil, diejenigen, die es angeht, stehen zum größten Teil der Sache direkt feindlich gegenüber, der andere Teil verhält sich nur deshalb vaffiv, weil er den Plan nicht ernst nimmt. Er verläßt sich auf das deutsche Gesetz, das ausdrücklich die Erhebung von Chauffee- und Wegegeldern verbietet. Allerdings könnte der Hafraba-Berein an deffen Spitze der Frankfurter Oberbürger­meister Dr. Landmann und einige andre in Berlin einflußreiche hohe Beamte stehen, den Gesetzgeber allmählich mürbe machen, zumal auch einige Tageszeitungen die Sache intensiv unterstützen.

Die Kraftfahrer unterstützen die Hafraba-Jdee nicht. Sie sind der Auffaffung. daß Länder und Gemeinden bereits jetzt mit der jährlichen Sonderbesteuerung von -lüg Millionen Mark reich­lich versorgt sind daß dafür die bestehenden Straßen unterhalten und ausgebaut werden können, soweit ihre besondere Be­

anspruchung durch den Kraftfahrzeugverkehr in Frage kommt. Sie sind keinesfalls gewillt und auch vielfach gar nicht in der Lage, auger die,er Belastung auch noch besonderes Kilometergeld zu bezahlen. 99 Prozent der Kraftfahrer haben kein Jntereffe an einer Hautevoleestraße. Die Hafraba-Straße könnte allen gleich­gültig sein, wenn sie von Privatunternehmern gebaut und unter­halten würde. Da aber in Wirklichkeit öffentliche Mittel in­vestiert und diese Gelder dadurch ihrem eigentlichen Zweck (Bau und Unterhaltung der öffentlichen Straßen) entzogen werden, so könnte die Folge sein, daß die bestehenden Straßen entsprechend weniger gepflegt und letzten Endes überhaupt nur noch die Hafraba-Straße befahrbar wäre. Es lei auf ähnliche Verhältniffe in Italien verwiesen. Dort fährt der Motorradfahrer allgemein, der Autofahrer, soweit ibm dieAutostraße" zu teuer, auf einer schlechten Straße, und sieht vornehme Kraftwagen-auf der Auto­bahn vorbeisaufen.

Die Hafraba dürfte bis heute schon ganz nette Sümmchen für Projektierungen usw. verwirtschaftet haben. Sind erst ein­mal genügend Millionen verwirtschaftet, möchte man wohl zwingendes öffentliches Jntereffe Vorschüßen und die ganze Last auf den Kraftfahrzeugverkehr abwälzen. Kürzlich schien schon, als lei es gelungen, die Regierung umzustimmen und schien sogar eine Notverordnung zur Aufhebung des Gesetzes in Aussicht, welches bisher die Erhebung von Straßengeldern verbietet. Es ist allerhöchste Zeit, auch die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, daß der Kraftfahrzeugverkehr einem aus öffentlichen Geldern aufgezogenen Hafraba-Unternehmen ablolut feindlich gegenübersteht. Die deutschen Kraftfahrzeugverbände finden es eigenartig, daß die Gemeinden und Städte trotz aller Not heute noch Zeit und Geld für derartige Proiektemacherei haben sie lehnen Hafraba- und ähnliche Nur-Auto-Straßen ab und meinen, daß eine gute Unterhaltung und zweckdienliche Ausgestaltung des allgemeinen Straßennetzes für die deutschen Gemeinden in viel höherem Maße wirtschaftsfördernd lein müßte.

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Indizien und Geständnisse

Fall Kappes noch unaufklärbar

: Bei Aufklärung des Raubüberfalles auf die Metzgersfrau Eggert, der nun durch die Geständniffe sämtlicher Beteiligten bis in alle Einzelheiten klargelegt worden ist, glaubte man anfänglich auch den Schleier lüften zu können, der noch über verschiedenen un­aufgeklärten Kapitalverbrechen ruht. Insbesondere glaubte man bei der Staatsanwaltschaft den Fall des Metzgermei st ers Kappes, der vor Jahresfrist abends in der Dunkelheit auf seinem Anwesen am Strahlenberger Weg ermordet aufgefunden worden war, klären zu können. Die kriminalistische Kombination, daß auch für diesen Fall der des Mordes an der Prostituierten Regina Erevenig beschuldigte Chauffeur Gustav Stegmann in Frage kommen könne, lag sehr nahe, zumal die Tatausführung im Falle Eggert mit dem Fall Kappes gleichliegende Umstände auf­wies. Stegmann aber hat sich in seinen richterlichen Verneh­mungen gegen derartige Vorwürfe mit Entschiedenheit verteidigt. Allerdings den Raubüberfall auf Frau Eggert hat er auch erst zugegeben, nachdem Geständniffe seiner Komplizen Vorgelegen haben. Für die Zeit der Tatausführung im Fall Kappes hat er aber auch einen umfassenden Alibibeweis angetreten und wenn auch diesen Angaben Stegmanns die Behörde noch nicht nachgegangen ist, so nimmt sie schon aus anderen Umständen an, daß Stegmann für den Mord an dem Metzgermeister Kappes nicht in Frage kommt.

Warum Regina Erevenig sterben mutzte

Im Laufe der gerichtlichen Voruntersuchungen glaubt man jetzt auch ein Motiv für den Mord an der Regina Erevenig gefunden zu haben. Stegmann bestreitet zwar noch immer mit Hartnäckigkeit, diese Tat ausgeführt zu haben. Aber als starkes Indiz spricht in diesem Falle gegen ihn di« Tatsache, daß er im Besitz der Armbanduhr der Ermordeten gewesen ist. Stegmann hat auch diese Tatsache zunächst strikte in Abrede ge­stellt. um sie dann zuzugeben. nachdem er von einer Zeugin, der er die Uhr noch in der Mordwacht verkauft hatte, mit Bestimmt­heit wiedererkannt worden war. Aber auch über den Zeitpunkt des Erwerbs dieser Uhr konnte Stegmann im Laufe der Vor­untersuchung überführt werden. Nach seiner Behauptung will er die Armbanduhr schon am Tage vor der Mordnacht von einem Unbekannten in der Altstadt gekauft haben. Durch Zeugen­

aussagen aber steht einwandfrei fest, daß die Ermordete noch einige Stunden vor ihrem Tode im Besitze dieser Armbanduhr gewesen ist. Es ergab sich aus weiteren Bekundungen, die im Verlaufe der Voruntersuchung von Zeugen gemacht worden sind, daß Stegmann seit längerer Zeit mit der Erevenig in Verbindung gestanden habe und diese Frau einmal geäußert hat, sie habe den Stegmann in der Hand. Diese Äußerung soll in einem Gespräch, das im Zusammenhang mit Erörterungen über den Fall Eggert geführt worden ist. gefallen sein, so daß aus dieser Tatsache der Schluß gezogen wird, daß Stegmann eine Mitwisserin des Raub- überfalls auf Frau Eggert beseitigen wollte. Vor seinen eigentlichen Mittätern glaubte sich Stegmann deshalb sicher, weil sie inzwischen wegen der Falschmünzerei verhaftet waren und sich bei einem Geständnis selbst hätten belasten muffen.

Die Triebfeder zum Verbrechen!

Mit besonderer Deutlichkeit hat sich aus der bisherigen llnter- suchung auch ergeben, daß der Falschmünzer Ohlen­schläger die Triebfeder zu dem Raubllberfall auf die Metzgers­frau Eggert gewesen ist. Er hat mit allen erdenklichen Mitteln ge­arbeitet, um seine Komplicen Stegmann und Vogt zur Ausführung der Tat zu bewegen. Ohlenschläger hat nicht davor zurückgeschreckt, Stegmann schließlich mit besonderen Enthüllungen zu drohen, wenn er nicht endlich den Mut aufbrächte, die Frau Eggert zu überfallen. Die Vorbereitungen zu diesem Raubüberfall find denn auch von Ohlenschläger selbständig geführt worden. Es ist er­schreckend, mit welcher Energie Ohlenschläger sein Vorhaben durch- geführt hat. Es steht nunmehr fest, daß Ohlenschläger vor dem end­gültigen Entschluß, Frau Eggert zu überfallen, zwei andere Ge­legenheiten ausgekundschaftet hatte, um durch einen Raubüberfall zu Geld zu kommen. Die Erkundigungen, die Ohlenschläger zu diesem Zwecke eingezogen hatte, haben ihn wochenlang beschäftigt, woraus eine besonders starke verbrecherische Energie hergeleitet wird.

Die Untersuchungen stehen jetzt unmittelbar vor dem Abschluß, so daß in den nächsten Tagen mit der Erhebung der Anklage ge­rechnet werden kann. Der Mord an der Prostituierten Grevenig und der Raubllberfall Eggert werden bei der Staatsanwaltschaft in zwei verschiedenen Dezernaten geführt.

Zur Senkung res Straßenbahntariss

teilt di« Magistratspreffestelle noch mit: Ab 15. Januar sollen, falls bis dahin eine Vereinbarung mit dem Reichskommiffar für Preisüberwachung betr. den Erlaß der Verkehrssteuer erzielt ist, folgende Tarifermäßigungen eintreten:

Einführung eines 2 0-Pfennig-Einzelfahrfcheins, deffen Geltungsbereich von bisher 3 Teilstrecken auf 4 Teilstrecken und Umsteigeberechtigung ausgedehnt werden soll; Ermäßi- gung des'Kurzstreckenfahrscheinheftes von 1 Mark auf 95 Pfg., ebenfalls unter Verlängerung seines Geltungs­bereichs von 3 auf 4 Teilstrecken: Monatsnetzkarten der Straßenbahn künftig 28 Mark (statt bisher 30 Mark): Er­mäßigung der Monats st reckenkarten in den einzelnen Staffeln um 50 bis 70 Pfg.: Ermäßigung der Berufs- monatskarten von 5.50 auf 5.20 Mark, von 6.40 auf 6.10 Mark, von 7.40 auf 7 Mark, von 8.30 auf 7.80 Mark, unter gleich­zeitiger Umwandlung dieser Karte in eine Halbmonatskarte, um

den Zeiten entsprechend ihre Anschaffung zu erleichtern. Bei der Berussmonatskarte soll außerdem die Einkommensgrenze von bisher 5000 auf 4200 Mark herabgesetzt werden, um den ver­minderten Einkommensverhältnissen Rechnung zu tragen.

Für den Omnibusverkehr upd den Gemein chaftsverkehr Omnibus-Straßenbahn können keine Änderungen des bisherigen Tarifs eintreten, da die Bcförderunassteuer lediglich auf dem Straßenbahnbetrieb lastet, also ihr Erlaß auch nur dem Straßen- bahnbetrieb zugute kommen kann.

Entgegen der ursprünglichen Absicht, die Ersparniffe aus­schließlich für die Ermäßigung des Kurzstreckenbarverkehrs zu verwenden, ist der neue Tarifsenkungsvorschlag derart aus­gestaltet, daß möglichst weiten Kreisen der Straßenbahnbenutzer die Ermäßigung zugute kommen soll; es werden damit etwa 50 Prozent der Straßenbahnfahrgäste nach dem vorstehenden Vorschlag in den Genuß irgeno einer Er­mäßigung kommen, während bei einer Senkung lediglich des Kurzstreckenbartarifs nur 16 bis 18 Prozent der Fahrgäste einen Vorteil haben würden.